Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 14 – Adelsroman


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Stunde ruhen zu lassen und sich endlich das Frühstück zu gönnen, das er heute Morgen vor lauter Anspannung nicht hatte hinunterbringen können. In seiner Nähe gab es ein Café mit einem ausgezeichneten Angebot, dort würde er zuschlagen.

      Er hatte es sich wahrhaftig verdient.

      *

      »Auf Wiedersehen, Cosima«, sagte Baronin Sofia und drückte die junge Frau an sich. »Wir sehen uns hoffentlich wieder – und noch mehr hoffe ich, dass Sie mit Ihren weiteren Nachforschungen Erfolg haben werden.«

      »Das hoffe ich auch«, erwiderte Cosima ernsthaft.

      Auch Peter von Boehringen umarmte die Baronin zum Abschied. »Sie ist die Beste«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Und sie hat Mut, sie wird etwas finden, Sofia.«

      Seine Worte taten ihr gut, sie zeigte es ihm mit einem dankbaren Lächeln.

      Baron Friedrich war im Gestüt unterwegs mit einem Mann, der mehrere Rennpferde kaufen wollte, von ihm hatten sich Cosima und Peter schon vorher verabschiedet, ebenso von den Teenagern, die längst in der Schule waren.

      Cosima wandte sich Eberhard Hagedorn zu und reichte ihm die Hand. »Auf Wiedersehen, Herr Hagedorn, es war mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Sie sind eine Art Legende, das wissen Sie hoffentlich?«

      »Nein, ich wusste es nicht, Frau von Orth, und sollte es tatsächlich so sein, so wäre es mir eher unangenehm.«

      »Mir gefällt es, Sie sind die erste Legende, die ich kennenlernen durfte.«

      Daraufhin schmunzelte der alte Butler. »Wenn Sie es so sehen wollen, Frau von Orth, soll es mir recht sein.«

      »Tschüss, Herr Hagedorn«, sagte Peter in seiner lockeren Art. »Ich schätze mal, es dauert nicht lange, bis wir wieder einmal hier sind.«

      »Das würde mich sehr freuen, Herr von Boehringen.«

      »Uns alle würde es freuen!«, setzte Sofia mit Nachdruck hinzu.

      Die beiden fuhren los, sie winkten ihnen lange nach. »Hoffentlich findet sie etwas, Herr Hagedorn«, seufzte Sofia. Sie hatte sich zusammengerissen, so lange Gäste auf Sternberg gewesen waren, doch jetzt kam ihre ganze Niedergeschlagenheit und Verzweiflung wieder zum Vorschein.

      »Ich denke, das wird sie, Frau Baronin«, erwiderte Eberhard Hagedorn mit so viel Zuversicht in der Stimme, dass Sofia sich umgehend getröstet fühlte. »Darf ich Ihnen einen Tee bringen? Vielleicht eine von Frau Falkners Spezialmischungen? Ich habe Feuer gemacht im Kamin der Bibliothek.«

      »Ja, ich glaube, dort würde ich jetzt gern einen Tee trinken, vielen Dank, Herr Hagedorn.«

      Der alte Butler entfernte sich Richtung Küche, Sofia eilte zur Bibliothek, wo sie sich in einen der schweren, alten Ledersessel sinken ließ und ins munter brennende Feuer blickte. Würde diese unselige Geschichte bald ein Ende finden?

      *

      Das Café war voll besetzt, lebhafte Gespräche und Gelächter erfüllten den Raum. Franziska freute sich, noch einen freien Tisch ergattert zu haben, sogar einen am Fenster. So konnte sie nicht nur ihr Frühstück genießen, sondern auch noch die Leute auf der Straße beobachten, die meist mit abwesendem Blick, ihr Handy am Ohr, vorübereilten.

      Als sie den interessant aussehenden Dunkelhaarigen hereinkommen sah, dessen entgeisterter Blick über die vollbesetzten Tische glitt, musste sie unwillkürlich lächeln. Armer Kerl, dachte sie, er hat sich bestimmt auf sein Frühstück gefreut. Das muss er nun woanders einnehmen.

      Doch sie hatte sich getäuscht, so schnell schien er nicht aufgeben zu wollen. Statt das Café wieder zu verlassen kam er geradewegs auf sie zu, die dunklen Augen fest auf sie gerichtet. »Entschuldigung«, sagte er mit angenehm tiefer Stimme, »darf ich mich wohl zu Ihnen an den Tisch setzen?«

      Sie wäre lieber allein geblieben, fand sein Gesicht aber andererseits so interessant, dass sie unwillkürlich nickte. Er war lässig gekleidet mit Jeans und T-Shirt, dazu trug er ziemlich alt aussehende Turnschuhe und eine abgewetzte Lederjacke. Seine Haare waren jedoch gut geschnitten, und auch der Drei-Tage-Bart war sorgfältig gestutzt worden. Künstler vielleicht, dachte sie, Schauspieler oder Schriftsteller. Nicht viel älter als ich, dreißig, einunddreißig Jahre vielleicht.

      »Danke«, sagte er, als er Platz genommen hatte. »Sie retten mir vermutlich das Leben, ich bin halb verhungert.«

      »Sie können eins von meinen Brötchen haben, als Vorspeise. Ich kann das unmöglich alles aufessen.«

      Er sah sie verdutzt an, dann lachte er, griff nach dem Brötchen und schnitt es auf. »Da sage ich doch nicht nein«, erklärte er vergnügt.

      Er bestellte dann das gleiche Frühstück wie sie und während er darauf wartete, ließ er sich ihr Brötchen schmecken. Er wies auf die Zeitung, die neben ihrem Teller lag, in die sie jedoch noch keinen Blick geworfen hatte. »Sie lesen die ›Süddeutsche Allgemeine Zeitung‹?«

      »Wenn ich in Deutschland bin, immer.«

      »Sie sind also häufig unterwegs?«

      Es war leicht, mit ihm ins Gespräch zu kommen, und sie sah keinen Grund, ihm nicht von ihrem Projekt zu erzählen. Er zeigte lebhaftes Interesse daran, was ihr natürlich schmeichelte. Er hörte ihr tatsächlich zu, das merkte sie an seinen Fragen – und irgendwann fiel ihr auch auf, wie geschickt er es verstand, sie zum Reden zu bringen, während er selbst fast die ganze Zeit schwieg.

      Als sie ihm das sagte, lachte er. »Berufskrankheit«, gestand er. »Ich bin Journalist, ich lebe davon, die Leute zum Reden zu bringen. Entschuldigen Sie, hoffentlich fühlen Sie sich jetzt nicht ausgefragt.«

      »Überhaupt nicht, ich rede gern über mein Projekt, und ich habe ja nichts zu verbergen.« Er gefiel ihr, sie ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie es schade fand, dass sie ihn nach diesem Frühstück nie wiedersehen würde. »Und woran arbeiten Sie gerade?«, fragte sie.

      Er verzog ein wenig das Gesicht. »Ich quäle mich mit einem längeren Artikel herum, in dem es letzten Endes um den derzeitigen Zustand unserer Mediengesellschaft geht. Aufhänger ist diese leidige Sternberger Geschichte, ich weiß nicht, ob Sie schon davon gehört haben, wenn Sie jetzt erst aus Brasilien zurückgekehrt sind.«

      Sofort war sie auf der Hut. Bis jetzt hatte sie ihm sehr offenherzig Auskunft gegeben, aber sie beschloss sofort, ihm nicht zu verraten, dass die Sternberger gute Freunde von ihr waren. »Ja, ich habe davon gehört«, antwortete sie deshalb zurückhaltend. »Schon gleich am Flughafen bin ich darüber gestolpert, man konnte die Schlagzeilen unmöglich übersehen.«

      »Ich habe bereits über die Geschichte geschrieben«, erklärte er, »und ziemlich viel Aufsehen erregt, weil ich einer der ersten Journalisten war, der Partei für die Frau ergriffen hat.«

      Franziska blieb beinahe der Bissen im Halse stecken. »Für die Frau, die behauptet, den ersten Sohn des Fürsten zur Welt gebracht zu haben?«

      Er nickte. Sein Frühstück wurde serviert, so blieb Franziska ein wenig Zeit, sich zu sammeln und dafür zu sorgen, dass ihr nicht anzusehen war, was sie dachte. Als sie sicher sein konnte, ihre Stimme unter Kontrolle zu haben, fragte sie: »Gibt es denn Beweise dafür, dass die Frau die Wahrheit sagt? Ich habe die Geschichte ja nicht verfolgen können, deshalb bin ich nicht auf dem neuesten Stand. Wie gesagt, ich habe nur ziemlich reißerische Schlagzeilen gelesen.«

      »Die Frau hat offenbar Beweise vorgelegt, die aber von der Gegenseite nicht anerkannt wurden. Das ist jetzt das übliche Gezerre zwischen Anwälten, aber interessanterweise haben die Sternberger bisher keine Anzeige erstattet.«

      »Anzeige weshalb?«

      »Üble Nachrede, Betrug, Verleumdung, was weiß ich.«

      »Vielleicht wollten sie die Sache im Stillen regeln.«

      »Wenn sie das vorhatten, ist es jedenfalls gründlich schief gegangen.«

      »Was denken Sie, wie ist das an die Öffentlichkeit gelangt?«

      »Das fragt sich jeder.