Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 14 – Adelsroman


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zu finden, das man für eine DNA-Analyse verwenden könnte – ein vergessener Anzug mit ein paar Haaren drauf oder eine Haarbürste, aber da ist nichts mehr.«

      »Das war nach fast einem Jahr auch nicht zu erwarten«, meinte Hagen.

      »Habt ihr die Frau Roeder nach der Blutgruppe ihres Sohnes gefragt? Ich meine, vielleicht ist die Sache viel einfacher, und es stellt sich ganz schnell heraus, dass er gar nicht der Sohn des Fürsten sein kann.«

      »Daran haben wir gedacht, es aber bis jetzt noch nicht gemacht, weil Fürst Leopold die Blutgruppe A hatte, die in Deutschland fast 45% aller Menschen haben.«

      »Trotzdem solltet ihr danach fragen, damit sie merkt, dass ihr es ernst meint. Ich glaube, die Frau Roeder ist davon ausgegangen, dass sie nur sagen muss: ›Ich habe einen Sohn von Fürst Leopold‹, und schon geht alles wie von selbst, weil die Sternberger vor Angst, der tadellose Ruf des Fürsten könnte Schaden nehmen, alles tun, was sie verlangt.«

      »Ganz so sehe ich es nicht«, entgegnete Barbara, »aber es könnte schon sein, dass sie sich alles einfacher vorgestellt hat.«

      Cosima stand auf. »Ich gehe dann mal wieder«, sagte sie, »ich habe noch viel zu tun. Ich …«

      »Mehr wollen wir nicht wissen«, sagte Barbara.

      Cosima musste lachen. »Du bist wirklich ein Angsthase, Barbara, ich wollte ja etwas ganz anderes sagen, als du dachtest. Aber bitte schön, sage ich eben gar nichts mehr. Ich melde mich, tschüss.«

      Im nächsten Augenblick war sie bereits verschwunden.

      »Hoffentlich geht das gut«, seufzte Barbara.

      Auch Hagen lachte jetzt. »Cosima hat Recht, du bist ein Angsthase, Barbara. Dabei bist du so viel jünger als ich, man sollte doch meinen, dass du bessere Nerven hast.«

      Barbara machte endlich gute Miene zum bösen Spiel und brachte immerhin ein Lächeln zustande.

      *

      »Franzi!«, rief die Baronin, als Franziska den Salon betrat. Sie erhob sich, um ihren Gast zu begrüßen. »Als Herr Hagedorn dich eben angekündigt hat, dachte ich, er müsste sich irren. Du bist also tatsächlich aus dem Dschungel zurück?«

      »Ja, gestern angekommen – und als erstes stolpere ich über eine Schlagzeile, die euch betrifft, Sofia. Ich dachte mir, ich muss mich sofort mit eigenen Augen davon überzeugen, dass es euch trotzdem gut geht.«

      »Gut geht es uns nicht«, entgegnete Sofia, »aber wir versuchen, damit fertig zu werden.« Sie wandte sich Eberhard Hagedorn zu, der an der Tür wartete. »Wir trinken den Tee in der Bibliothek, Herr Hagedorn. Oder trinkst du lieber Kaffee, Franzi?«

      »Nein, nein, ich nehme sehr gern Tee.«

      »Darf ich auch etwas Gebäck servieren, Frau Baronin? Ich weiß zufällig, dass Frau Falkner einiges hergestellt hat.«

      »Oh ja, bitte!«, rief Franziska. »Frau Falkners süße Sünden sind die besten.«

      Eberhard Hagedorn zog sich mit einem Lächeln zurück, und die beiden Frauen machten sich auf den Weg zur Bibliothek. Nachdem sie dort Platz genommen hatten, knüpfte Sofia an Franziskas vorherige Bemerkungen an. »Es gibt jeden Tag neue Gerüchte, neue Schlagzeilen, und wir wissen nicht einmal, wer die Presse mit Informationen versorgt. Wir haben noch mit keinem Journalisten gesprochen, obwohl wir natürlich schon viele Anfragen bekommen haben, aber es schien uns die beste Strategie zu sein, uns erst einmal zurückzuhalten.«

      »Ich habe natürlich einiges nachgelesen«, erklärte Franziska und dachte schuldbewusst daran, dass sie das meiste gar nicht nachgelesen, sondern sich von Ferdinand von Stade hatte erzählen lassen, doch das würde sie für sich behalten. »Aber erzähl mir die Geschichte doch einmal von Anfang an, Sofia. Oder ist das zu schmerzlich für dich?«

      Die Baronin schüttelte den Kopf. Eberhard Hagedorn kam mit einem voll beladenen Tablett herein, und so wartete sie, bis er den kleinen Tisch zwischen ihnen gedeckt hatte, bis sie mit ihrem Bericht begann. »Corinna Roeder behauptet, von Leo einen heute siebzehnjährigen Sohn zu haben. Sie hat einen Brief an Fritz und mich geschickt, weil wir ja jetzt Christians Eltern vertreten. Letzten Endes betrifft die Sache natürlich Christian. Frau Roeder will Geld für die Ausbildung ihres Sohnes, weil sie jetzt, so argumentiert sie, ja nicht mehr von Leo unterstützt werde. Für sich selbst fordert sie nichts, sie will auch nicht für ihren Sohn Anspruch auf den Fürstentitel erheben.«

      »So weit kommt’s ja noch«, murmelte Franziska. »Sie hat natürlich keine Beweise für ihre Behauptung.«

      »Sie hat Fotos geschickt, auf denen Leo und sie als Liebespaar abgebildet sind, und sie hat die Kopie eines Briefes geschickt, den er ihr angeblich geschrieben hat.« Die Baronin stockte kurz. »Die Gutachten für die Fotos sind widersprüchlich, die Handschrift jedoch wird von zwei Gutachtern unabhängig voneinander als echt angesehen.«

      »Oh!«, sagte Franziska überrascht.

      Sofia lächelte traurig. »Das ist der neueste Stand, deshalb sind wir im Augenblick auch besonders deprimiert. Dabei gibt es eine durchaus vielversprechende Spur …« Sie unterbrach sich. »Dir ist klar, dass das alles unter uns bleiben muss, Franzi? Was ich dir jetzt erzähle, ist nämlich bis jetzt tatsächlich geheim geblieben.«

      »Ich werde ganz sicher mit niemandem darüber reden«, beteuerte Franziska.

      »Unsere Anwälte haben eine junge Ermittlerin eingesetzt, die zugleich Computerspezialistin ist. Sie hat herausgefunden, dass Frau Roe­der scheinbar in einem Fitness-Studio trainiert, dieses Studio aber nur zur Tarnung benutzt. Sie gibt da ihre Karte ab, gilt dann als anwesend, aber in Wirklichkeit sucht sie einen Mann auf, der seine Werkstatt hinter dem Studio hat, vollkommen versteckt. Er stellt unter anderem perfekte Fotomontagen her, obwohl er angeblich Buchbinder ist.«

      »Aber das ist doch ein Beweis!«, rief Franziska. »Was wollt ihr denn noch?«

      »Es ist kein Beweis, nur eine Spur«, widersprach Sofia.

      »Aber wenn die Polizei die Räume dieses Mannes durchsuchen würde, würde sie vielleicht Beweise finden, Sofia!«

      »Die Polizei haben wir ja noch gar nicht eingeschaltet. Frau Roeder hat uns nicht erpresst, sie hat uns einen höflichen Brief geschrieben. Dass dieser Brief an die Öffentlichkeit gelangt ist, kann man ihr nicht vorwerfen, bisher ist ja nicht klar, wie das passiert ist. Die Sache ist kompliziert, Franzi. Unser erstes Bestreben war, so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen. Da erstattet man nicht gleich Anzeige.«

      »Aufsehen habt ihr aber doch erregt.«

      »Ja, leider«, seufzte die Baronin.

      »Und wie geht das jetzt weiter?«

      »Die Ermittlerin bleibt dran, sie ist im Augenblick unsere einzige Hoffnung. Du hast sie übrigens nur knapp verpasst, sie hat uns hier besucht und sich auch drüben im Ost-Flügel umgesehen. Eine reizende junge Frau, Cosima von Orth heißt sie.«

      »Der Name sagt mir nichts.«

      »Wir kannten sie vorher auch nicht.«

      »Seid ihr denn sicher, dass eure Anwälte die Sache richtig angehen?«

      »Oh ja, außerdem haben sie ein hervorragendes Team, das für sie arbeitet.« Wieder seufzte die Baronin. »Das Problem ist, wenn alles darauf hinauslaufen sollte, dass keine Seite beweisen kann, was sie behauptet, dann wird Leos Ruf irreparabel beschädigt sein. Vielleicht ist er das sogar jetzt schon.«

      Franziska dachte an ihr Gespräch mit Ferdinand von Stade, der an Corinna Roeders Geschichte glaubte. Er hatte seine Meinung gut begründet, dennoch konnte sie nach wie vor nicht an eine jahrelange Affäre des Fürsten glauben. »Es muss doch eine Möglichkeit geben zu beweisen, dass das alles nicht stimmt«, sagte sie hilflos.

      »Welche denn, wenn auch Cosima von Orth nichts findet?«, fragte Sofia mit bitterem Unterton. »Ich habe zuerst auch gedacht, der Spuk geht schnell vorbei, weil doch eigentlich jedem, der Leo kannte, klar sein muss, dass Frau Roeder lügt. Aber die Wirklichkeit sieht so aus,