Patricia Vandenberg

Sophienlust Box 17 – Familienroman


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und schwächlich war, und schließlich an Hella von Walden, die Frau, mit der er in Zukunft in der Gesellschaft glänzen wollte. Sie war seiner Ansicht nach die richtige Partnerin für einen Mann wie ihn. Sie würde die Feste in seinem Haus zu arrangieren wissen und auch Bastian so erziehen, wie es für den Sohn von Kurt Schlüter unerlässlich war. Bastian würde eine Erziehung erhalten, wie sie früher den jungen Adeligen auf den großen Gütern zuteil geworden war – eine Erziehung zu stahlharten Männern! Er durfte sich nicht mit Kleinigkeiten aufhalten, sondern musste stets die große Linie im Auge behalten und konnte sich Zimperlichkeiten nicht leisten.

      Nun, Hella von Walden war sicherlich nicht zimperlich. Kurt Schlüter gab sich keinen Illusionen über dieses schöne blonde Mädchen mit den eisblauen Augen hin. Hella liebte wahrscheinlich nicht ihn, sondern nur sein Geld und seine Stellung in der Gesellschaft. Auch er selbst empfand für das Mädchen keine echte Zuneigung. Hella sah sehr gut aus und entsprach aufs Haar seiner Vorstellung von der Frau, die er an seiner Seite haben wollte, aber Liebe … Ach, Liebe gab es im Leben des Generaldirektors Schlüter schon lange nicht mehr. An die Stelle der Gefühle war das Bankkonto gerückt. Für sein Geld konnte sich Kurt Schlüter aus vollem Herzen begeistern – und immer wieder für sein gesellschaftliches Ansehen für die Rolle, die er in Wirtschaftskreisen spielte.

      Bastians Vater klappte die Arbeitsmappe zu. Er löschte die Lampe auf dem Schreibtisch und begab sich zu Bett. Henry, der zugleich die Rolle des Butlers im Haus wahrzunehmen hatte, gähnte verstohlen und wünschte eine gute Nacht. Es wurde oft sehr spät im Haus des Generaldirektors. Trotzdem musste Henry am Morgen Punkt sechs wieder zum Dienst antreten. Denn Kurt Schlüter war nun einmal auch nicht zimperlich.

      *

      »Also, es geht nicht mehr, Andrea! Kannst du diesen unglücklichen Hund im Tierheim aufnehmen?«

      Denise von Schoenecker saß ihrer hübschen, jung verheirateten Stieftochter gegenüber, die ihr soeben eine Tasse Tee vorgesetzt hatte. Andrea war mit dem Tierarzt Dr. Hans-Joachim von Lehn verheiratet. Neben der Praxis hatten die beiden ein Tierheim eröffnet, das nach ihrem Dackel getauft worden war. Es hieß Waldi & Co., das Heim der glücklichen Tiere! Der Untertitel war eine Parallele zu Nicks Bezeichnung für das Kinderheim in Sophienlust, das er das Haus der glücklichen Kinder nannte.

      »Im Tierheim? Aber du hast mir doch eben erzählt, dass diese Dogge gewohnt ist, in einem Bett zu schlafen, bei Tisch zu essen und so weiter.«

      Denise nickte. »Es ist unerträglich. Die Kinder finden den Hund ganz einfach lächerlich, und Bastian Schlüter, der das Tier mitgebracht hat, spielt sich fürchterlich auf mit seinem Hund. Ich sehe keinen anderen Ausweg, als den Jungen eine Weile von dem Tier zu trennen, sonst wird er sich in Sophienlust nie und nimmer einleben, sondern ständig mit Wiking herumstolzieren und den Hund kommandieren wie ein General. Das muss ja den Charakter eines Kindes auf die Dauer ruinieren. Was der Vater sich bloß dabei gedacht hat, dem Jungen diesen Hund zu schenken?«

      Andrea hob die Schultern. »Wahrscheinlich wollte er seinem Sohn frühzeitig beibringen, wie man Untergebene behandelt«, spottete sie, denn ihre Eltern hatten ihr bereits von Kurt Schlüter erzählt und diesen nicht gerade als sympathischen Zeitgenossen geschildert. »Aber ich kann Wiking natürlich hier aufnehmen. Allerdings garantiere ich nicht dafür, dass er den gelernten Zirkusunsinn beibehält, den man ihm eingedrillt hat. Wahrscheinlich wird er bald mit Severin Freundschaft schließen und mit meiner schwarzen Dogge um die Wette aus dem Napf schmatzen, sobald das Futter nur in Reichweite ist. Dann wird es mit dem manierlichen Essen sehr bald vorbei sein.«

      Andrea besaß eine bildschöne schwarze Dogge, die Severin hieß und von ihr einst gesund gepflegt worden war.

      »Die Manieren des Hundes Wiking sind mir ziemlich gleichgültig. Ich könnte mir allerdings denken, dass Bastians Hund glücklicher wäre, wenn er sich nicht dauernd beherrschen und sozusagen gegen seine normalen Instinkte leben müsste. Man fragt sich manchmal, ob solche Dressuren nicht an Tierquälerei grenzen und verboten werden sollten.«

      »Recht hast du, Mutti. Also, betrachten wir Wiking als einen notleidenden Hund und nehmen wir ihn im Tierheim Waldi & Co. auf. Hoffentlich nimmt es der kleine Junge nicht zu tragisch.«

      Denise schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Er liebt den Hund nicht. Er ist bloß stolz darauf, dass er ein so außergewöhnliches Tier besitzt und alle damit tyrannisieren kann. Wenn wir aus Bastian einen normalen Jungen machen wollen, muss der Hund für eine Weile aus seiner Reichweite entfernt werden. Ich verliere sonst eines Tages noch die Geduld. Frau Rennert ist auch schon ganz nervös geworden.«

      »Also gut, ich bin einverstanden, Mutti. Bringt mir das Wundertier. Ich habe Wiking ja neulich in Sophienlust schon bewundert. Besonders schön finde ich ihn nicht. Aber vielleicht hat er eine schöne Seele. Bei uns kommt es auf ein Tier mehr oder weniger nicht an.«

      Das entsprach genau den Tatsachen. Im Tierheim Waldi & Co. gab es eine Braunbärin mit zwei Jungen, zwei Schimpansen, eine Ringelnatter, den alten Esel Benjamin, mehrere Hunde, vor allem Waldis Familie, und noch einiges mehr. Für die Dogge Wiking würde sich auch ein Platz finden, wenn auch nicht gerade am Esstisch der jungen Tierarztfamilie und auch nicht im Gastbett!

      Mutter und Tochter plauderten jetzt noch eine ganze Weile über den kleinen Neuling in Sophienlust.

      »Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ein eitler, größenwahnsinniger Vater aus einem fünfjährigen Jungen einen so komplizierten kleinen Burschen machen kann«, seufzte Denise. »Wir haben kaum je mit einem Kind derartige Schwierigkeiten gehabt. Aber irgendwie wird es schon werden, denn Bastian kann ja selbst gar nichts dafür. Er ist bestimmt im Grunde ein herzensgutes Kerlchen und fühlt sich in seiner aufgezwungenen Rolle nicht einmal wohl.«

      »Du siehst aber auch in jedem einen guten Kern – gleichgültig, ob es sich um einen Erwachsenen oder um ein Kind handelt, Mutti. Glaubst du nicht, dass es auch böse Kinder gibt?«

      Denise schüttelte den Kopf. »Nein, Andrea, das glaube ich nicht. Es ist immer die Schuld der Erwachsenen, wenn ein Kind böse wird. Ich will Bastian ja auch nicht strafen, indem ich ihm den Hund fortnehme. Ich will ihm nur helfen, zu sich selbst zu finden.«

      Andrea umarmte ihre Mutter. »Du bist eine wunderbare Frau, Mutti. Sicher schaffst du es mit Bastian Schlüter. Wie weit ich allerdings mit dem komischen Hund komme, müssen wir noch abwarten.«

      Denise blickte auf ihre Uhr. »Es wird Zeit für mich, Andrea. Tut mir leid, dass ich Hans-Joachim versäume. Grüße ihn herzlich von mir. Wir erwarten euch am Sonntag in Schoeneich zu Tisch. Sascha will auch kommen übers Wochenende. Dann habe ich meine Familie endlich einmal wieder vollzählig um mich versammelt.«

      »Wir kommen wirklich schrecklich gern, Mutti. Vielen Dank für die Einladung.«

      Andrea begleitete ihre Mutter bis vors Haus, wo der Wagen stand. Denise küsste Andrea und streichelte ihr das dunkle Haar. »Leb wohl, mein Kind. Vielen Dank, dass du den Hund nehmen willst. Ich schicke morgen jemanden herüber. Wahrscheinlich lasse ich Bastian mitfahren, damit er sich das Tierheim ansehen und sich davon überzeugen kann, dass sein Hund gut und sachgemäß untergebracht ist. Sonst macht er uns sicherlich wieder eine Szene. Wie gesagt, unsere Nerven sind durch diesen kleinen Kerl schon fast verbraucht.«

      Andrea lachte. »Aber er hat ein gutes Herz, nicht wahr, Mutti?«

      »Ja, Kind, davon bin ich felsenfest überzeugt.«

      Denise von Schoenecker steckte den Zündschlüssel ins Schloss und ließ ihren Wagen an. Wenig später fuhr sie in Richtung Sophienlust davon.

      »Grüß Vati«, rief Andrea hinter ihr her.

      *

      Bastian war wütend. So wütend, wie man es einem Fünfjährigen kaum zugetraut hätte. Er trampelte mit beiden Füßen und schrie, bis er krebsrot und dann sogar blau wurde. Aber die Entscheidung war gefallen: Wiking sollte nach Bachenau ins Tierheim Waldi & Co.

      »Du darfst selbst mit hinfahren und es dir ansehen«, legte sich Nick etwas unbehaglich ins Mittel, denn solche Szenen waren in Sophienlust durchaus nicht üblich. Wenn die Kinder auch keine Engel