hast aber überhaupt kein Mitgefühl!« Anja lachte leise.
»Es gibt genug Trottel. Ich war allerdings auch einer, und ich könnte es verstehen, wenn du zu mir ›nein danke‹ sagen würdest.«
»Tu ich aber nicht, weil ich deine guten Seiten kenne, André, und die überwiegen. Es wird mir sehr schwerfallen, dich weiterhin nur auf Distanz zu sehen.«
»Immer müßte das nicht sein. Wir werden schon Mittel und Wege zu trautem Beisammensein finden.«
In diesem Augenblick tauchte Tessa auf, und im Handumdrehen waren sie von ihr entdeckt. Aber sie reagierte geistesgegenwärtig.
»Ich habe es mir ja gedacht, daß ich dich hier finde«, sagte Tessa in ihrem arrogantesten Ton, »und natürlich in Gesellschaft. Aber mir willst du Vorschriften machen!«
»Wir hatten noch etwas zu besprechen«, sagte André.
»Und ich wollte mich gerade verabschieden«, schloß sich Anja an.
»Dann bis Montag, Anja«, sagte André lässig.
»Okay, Boß.« Sie nickte Tessa leicht zu und verschwand.
»Setz dich doch, Tessa«, sagte André. »Wir haben auch einiges zu bereden.«
Er spürte, daß sie unruhig wurde und sich umsah. »Oder bist du etwa anderweitig verabredet?« fragte er spöttisch.
»Ich will hier nicht mit dir reden«, erwiderte sie heiser. »Wir können nach Hause fahren.«
»Ich komme nicht nach Hause, ich wohne anderswo.«
»Und wo bitte? Bei Anja?«
»Natürlich nicht. Wie ich schon sagte, habe ich die Scheidung eingereicht. Ich hoffe, wir können uns freundschaftlich trennen.«
»Freundschaftlich!« höhnte sie. »Was verstehst du denn darunter?«
»Was würdest du sagen, wenn ich dir eine Filmrolle besorge?«
Ihre Augenbrauen ruckten empor. »Als Abschiedsgeschenk? Das ist doch nur eine Falle, damit ich keinen Widerspruch erhebe. Filmrolle gegen Benjamin?«
Sie war schlau. In ihren Augen blitzte es tückisch. Er ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er kannte sie in- und auswendig.
»Wir sollten uns wirklich vernünftig unterhalten, Tessa. Es ist doch so, daß du immer lieber tun und lassen wolltest, was dir in den Sinn kam. Der Junge war dir eine Belastung, du konntest ihn ja nicht überall mit hinnehmen.«
»Er hatte ja Kindermädchen, und zuletzt war Frau Schober da. Es wird doch jetzt von dir alles verdreht.
Benny ist eigensinnig, er hat Frau Schober auch vor den Kopf gestoßen. Und als ich wegging, hatte er kein hohes Fieber. Er wollte nur nicht reden, weil sein lieber Daddy nicht da war. Er wollte in Ruhe gelassen werden.«
»Wir wollen doch nicht von dem einen Mal reden, obwohl es diesmal fast Bennys Leben gekostet hätte. Es hat sich so viel angesammelt, daß es für uns kein gemeinsames Leben mehr geben kann.«
»Vielleicht hast du recht«, meinte sie, »aber wie stellst du dir die finanzielle Regelung vor?«
»Das können wir noch aushandeln, doch nicht heute abend. Du kannst mal darüber nachdenken. Und vielleicht bist du interessiert daran, daß nicht zuviel schmutzige Wäsche gewaschen wird. Ein Stück davon kommt gerade und hält anscheinend Ausschau nach dir.«
Sie zuckte zusammen, aber da nahte er schon, blasiert und herausfordernd: Franco Tosso, Geschäftsmann, wie es allgemein hieß. Aber niemand blickte so recht durch, womit er Geschäfte machte.
»Ich störe hoffentlich nicht«, sagte er zynisch. »Ich wußte nicht, daß du deinen Mann mitbringst, Tessa.«
»Wir haben uns zufällig hier getroffen«, erklärte André sarkastisch. »Ich bin schon im Gehen begriffen. Noch viel Vergnügen.«
Tessa war momentan dieser Situation nicht gewachsen. »Mußte das sein?« zischte sie, als sich André entfernt hatte. »Er will sich scheiden lassen!«
»Das wolltest du doch wohl auch, oder hatte ich mich gestern verhört?«
»Aber er sammelt doch alles, was er gegen mich verwenden kann!«
»Man sollte Scheidungen diskret über die Bühne bringen, so kommst du bestimmt noch am besten weg.«
»Er will mir eine Filmrolle besorgen.«
»Ist doch wunderbar! Was willst du eigentlich noch? Dir war dieses Leben sowieso leid. Und ich biete dir einen Job als Repräsentantin meines Clubs in Menton. Oder wie wäre es mit San Remo? Du hättest da bestimmt genügend Abwechslung.«
»Ich überlege es mir. Wenn ich auch noch genug Geld bekomme, kann ich mich dafür erwärmen.«
Er lächelte hintergründig. »Und wohin gehen wir jetzt?«
»Das überlasse ich dir. Ich möchte mich mal wieder richtig amüsieren.«
Das wollte sie immer, aber mehr war sie für ihn auch nicht als ein Amüsement. Franco Rosso schuf sich keine Probleme mit einer festen Bindung. Scheidungen kosteten Geld, und das verbrauchte er lieber für sich selbst und seine recht kostspieligen Hobbys. Deshalb hielt er sich auch immer an Frauen, die selbst Geld hatten, an solche wie Tessa, die gelangweilt und unzufrieden waren und auch die Abwechslung liebten.
Er mochte auch keinen großen Schmus und ließ keine Unklarheiten und falsche Hoffnungen aufkommen. So handelte er sich selten mal Ärger ein. Aber auf eine bestimmte Art Frauen, zu denen auch Tessa gehörte, wirkte er unwiderstehlich.
*
Na also, dachte André, besser konnte es doch gar nicht gehen! Sie kann Anja nichts anhaben, da dieser Playboy aufgekreuzt ist, und irgendwie hatte es André sogar imponiert, wie Franco mit Tessa umgesprungen war.
Franco war ihm nicht unbekannt. Er tauchte überall dort auf, wo man »in« war. Wenn man auch nicht genau wußte, mit welchen Geschäften er Geld verdiente, so zweifelte doch niemand daran, daß er es hatte.
André fühlte sich ungeheuer erleichtert, denn keinesfalls wollte er Anja in die Klemme bringen. Er rief sie sofort an, um es ihr zu sagen.
»Da sie gut untergebracht ist, könntest du ja noch auf ein Stündchen zu mir kommen«, schlug sie vor.
»Wird hocherfreut und dankend angenommen«, erwiderte er. »Der Abschied kam doch ein bißchen zu schnell.«
Er war ein Optimist, und jetzt blickte er schon ganz zuversichtlich in die Zukunft. In eine Zukunft, in der auch Anja ihren Platz haben würde.
Ebenso dachte Cordula, die an diesem Abend noch nicht einschlafen konnte. Sie war geistig voll da, und nachdem Constantin gegangen war, ließ sie ihr Leben wie einen Film vor ihren geistigen Augen abrollen.
Sie konnte es nicht begreifen, daß sie Thomas geheiratet hatte, obgleich sie sich doch mit Constantin stets so gut verstanden hatte. Er war immer für sie dagewesen, sie hatte sich stets auf ihn verlassen können. Und dann hatte er ihr Thomas vorgestellt…
»Ein glühender Verehrer von dir, Cordula«, hatte er gesagt. Eine imponierende Erscheinung war Thomas Bürgner schon gewesen, ganz anders als der stille, intellektuelle Constantin, der im Grunde doch der klügere und liebenswertere Mann war.
Nein, sie wollte nicht behaupten, daß sie unglücklich in dieser kurzen Ehe gewesen wäre, denn abgesehen von Thomas’ Eifersucht hatte es kaum Differenzen gegeben. Allerdings waren sie auch viel getrennt gewesen, da sie selbst voll beschäftigt gewesen war.
Aber wie oft hatte sie in stillen Stunden ihren Mann mit Constantin verglichen! Dann war es doch geschehen, daß die Erkenntnis kam, wem ihr Herz wirklich gehörte. Es war, als würde ein Schleier zerreißen, als Thomas für eine Woche in Amerika war und Constantin ans Herz gelegt hatte, sich um Cordula und Ulrich zu kümmern. Sie waren an den Tegernsee gefahren und hatten ein Haus angeschaut, das Thomas kaufen wollte. Es