Patricia Vandenberg

Dr. Norden Extra Staffel 2 – Arztroman


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ihren Neid auf die Halbschwester, die ihr immer nur Gutes getan hatte.

      Ja, sie hatte gehofft, daß Cordula sterben würde, doch nun war sie selber tot. Und während Jochen das dachte, wurde ihm gar nicht bewußt, wie weit er sich innerlich schon von ihr entfernt hatte.

      Im Krankenhaus sagte er dann, daß er seine Frau so in Erinnerung behalten wolle, wie sie vor dem Unfall war und man den Sarg schließen solle, der dann nach Garmisch überführt werden würde. Damit hatte er ein Bestattungsinstitut beauftragt.

      Als er die Klinik verließ, begriff er es erst richtig, daß Joana tot war. Mittlerweile war es elf Uhr geworden. Er fuhr zu einem Restaurant, um einen Kaffee zu trinken und einen Happen zu essen, denn zu Hause hatte er sich die Zeit dazu nicht genommen. Und er wollte Constantin anrufen. Dort meldete sich aber niemand, und so nahm Jochen an, daß Constantin wohl schon in die Klinik gefahren sei. Die Nummer hatte er sich auch notiert. Aber jetzt wollte er erst etwas trinken. Seine Kehle war ganz trocken und rauh, das merkte er schon, als er seine Bestellung aufgab…

      *

      Bei der Morgenvisite in der Behnisch-Klinik hielt sich Dr. Dieter Behnisch an diesem schönen sonnigen Sonntagmorgen etwas länger bei Cordula auf, da Dr. Werner ihm berichtet hatte, daß sie noch recht lange wach gewesen sei. Sie sagte dem Arzt gleich, daß sie ihm gern einige Fragen stellen würde.

      Aber dann war er doch überrascht, als sie ihn fragte, ob er wußte, an welcher Krankheit ihr Mann Thomas gelitten hätte.

      »Er war nie Patient bei mir, Frau Bürgner«, antwortete Dr. Behnisch.

      »Er hat sich in Amerika untersuchen lassen, das hat er mir gesagt, aber Genaueres nicht. Und ich mache mir jetzt Gedanken, daß es eine unheilbare Krankheit gewesen sein könnte, die ihn zu einer Verzweiflungstat getrieben hat.«

      »Sie meinen die Bruchlandung?« fragte der Chirurg erschrocken. »Aber wenn er so was geplant hätte, wäre es für ihn doch ein Leichtes gewesen, die Maschine abstürzen zu lassen, so daß niemand eine Überlebenschance gehabt hätte.«

      »Daran habe ich nicht gedacht«, gab Cordula zu, »aber Sie haben recht. Es hat doch sicher eine Obduktion stattgefunden.«

      »Ja, das stimmt. Er hatte vorher schon einmal einen Herzinfarkt – oder auch zwei. Man nennt das stille Infarkte, weil man sie als solche nicht zur Kenntnis nimmt. Er litt an einer Verengung der Aorta. Die Bruchlandung war ganz sicher nicht beabsichtigt. Sein Herz hat nicht mehr mitgemacht.«

      »Das erklärt dann auch, daß er mir noch eine Warnung zurief. Das hätte er sonst wohl auch nicht getan. Aber es beruhigt mich, daß mein aufkommender Verdacht absurd war. Thomas hat mir leider nicht gesagt, daß er Herzbeschwerden hatte.«

      »Viele Menschen wollen das nicht wahrhaben, Frau Bürgner. Ach, das vergeht schon wieder von selbst, tröstet man sich, und dann ist es eines Tages doch zu spät. Sie brauchen sich keinen Vorwurf zu machen.«

      »Mir geht so vieles durch den Sinn«, sagte Cordula leise.

      »Sie sollten jetzt nur an ihre Genesung denken. Ihr Kind braucht Sie.«

      Und dann kam Ulrich auch schon, diesmal sogar mit einem Blumenstrauß. Cordula bekam einen feuchten Kuß.

      »Ich war schon mit Schwester Nora auf der Wiese und habe dir die Blumen gepflückt, Mamilein. Schwester Nora ist ganz lieb. Sie kann so schöne Geschichten erzählen. Die muß ich Benny dann auch gleich erzählen. Aber jetzt ist sein Daddy gekommen. Der möchte dich auch mal besuchen, Mami. Darf er?«

      »Ja, er darf.«

      »Aber du läßt dich nicht für einen Film beschwatzen, du mußt dich erst erholen.«

      »Das wird noch lange Zeit brauchen, und ich werde wohl gar nicht mehr filmen, Ulli. Ich möchte lieber soviel wie nur möglich mit dir zusammen sein.«

      Da ging ein strahlendes Lächeln über sein kleines Gesicht. »Das ist wunderschön, Mami, mehr wünsche ich mir gar nicht«, flüsterte er, und er bedeckte ihr Gesicht mit stürmischen Küssen. Da ertönte Constantins Stimme von der Tür her:

      »Hoppla, junger Mann, nicht so stürmisch!«

      »Ich halte es schon aus«, sagte Cordula glücklich. »Schau, ich darf mich schon ein bißchen aufsetzen.«

      »Und bald wirst du mit uns spazierengehen, Mami«, sagte Ulrich. »Ich habe doch jeden Abend gebetet, und der liebe Gott hat es gehört. Weißt du schon, daß Mami nicht mehr filmen will, Constantin?«

      »Bisher nicht, aber mich würde es freuen«, sagte Constantin mit dunkler Stimme. Und dabei sah er Cordula mit einem Blick an, der sie einhüllte in Liebe und Zärtlichkeit.

      Doch schon bald wurde er ans Telefon gerufen. Als er kurze Zeit später zurückkam, war seine Miene ernst.

      »Gehst du mal zu Benny, er hat nach dir gerufen, Ulli«, sagte er. »Er möchte dir etwas zeigen.«

      »Aber ich komme bald wieder. Ich möchte nämlich lieber mit euch zusammen sein«, erklärte der Junge.

      »Was hast du?« fragte Cordula, als das Kind draußen war.

      »Joana ist gestorben. Er sollte es nicht gleich hören.«

      »Sie ist gestorben…«, murmelte Cordula. »Und ich habe den Weg ins Leben zurückgefunden. Wer hat angerufen?«

      »Jochen. Er ist sehr gefaßt. Ich soll dir sagen, wie froh er ist, daß du genesen bist, daß Ulrich seine Mami behalten wird.«

      Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen. Dann sagte Cordula leise: »Es ist schwer vorstellbar, daß sie nicht mehr lebt. Sie hat doch so gern gelebt!«

      »Aber du bist mir erhalten geblieben«, sagte Constantin innig, »und das allein zählt für mich.« Behutsam legte er die Arme um Cordula, und dann küßte er sie voller Zärtlichkeit.

      *

      André machte einen kurzen Besuch bei ihr, aber auf seine Frage, wann sie wieder zusammen ar­beiten würden, winkte Cordula ab.

      »Nie mehr, André, das ist vorbei. Ich bin nicht mal traurig. Wenn einem ein zweites Leben geschenkt wird, soll man es nützen und sich dankbar erweisen. Sag jetzt nur nicht, daß ich nicht zu ersetzen bin. Die Zeit ist so schnellebig, und man ist schnell vergessen.«

      »Ich werde dich nie vergessen, Cordula.«

      »Wir können doch Freunde bleiben, und dir wünsche ich, daß du viel Erfolg, aber auch Glück hast.«

      »Es wird noch ein bißchen dauern mit dem Glück, aber ich erhoffe es auch für Benny und für mich. Und wo dein Glück liegt, ahne ich schon, Cordula.«

      Sein Blick wanderte zu Constantin. »Haltet euch fest«, sagte er leise. »Manchmal muß man einen weiten Umweg machen.«

      »Dann wird er seines wohl bei Anja finden«, meinte Cordula gedankenvoll. »Ich gönne es ihm. Er ist ein feiner Kerl, wie man sie in unserer Branche selten findet.«

      »Und ein sehr liebevoller Vater«, fügte Constantin hinzu.

      »Was ich dich fragen möchte, Constantin: was hat man damals eigentlich nach dem Unglück über uns geschrieben?«

      »Zuerst gab es natürlich Schlagzeilen, und dann wurde über Cordula Bürgner in höchsten Tönen berichtet. Natürlich wurde auch überlegt, wie es zu diesem Unfall kommen konnte, da Thomas als erfahrener Pilot bekannt war.«

      »Er hatte einen Herzinfarkt.«

      »Ja, ich weiß. Es kam da einiges zusammen. Ich konnte ihn auch vor ein paar unüberlegten Abschlüssen bewahren. Aber zwischen uns gab es keinen Krach, Cordula. Er war immer fair zu mir. Und das Thema Cordula war tabu.«

      »Es wird noch eine Weile dauern, bis ich sein Grab besuchen kann«, sagte sie leise.

      »Wir werden es gemeinsam besuchen. Wir brauchen ihn nicht aus unseren Gedanken zu verbannen, wie es bei André in bezug auf Tessa sein wird. Aber in ein paar Wochen wird die Welt für uns ganz anders