um den Tourismus.«
»Dann kommen Sie sicher viel herum. In den Bergen, auf tiefen Seen und wilden Bächen«, fügte er lächelnd hinzu.
»Ja, klar, überall«, sagte sie, obwohl ihr allein der Gedanke an offene Gewässer einen Riesenschrecken einjagte und sie einen möglichst weiten Bogen um sie herum machte. Aber das würde sie ihm sicher nicht erzählen, weil es ohnehin ihr Geheimnis bleiben musste. Eine Tourismusbeauftragte, die sich vor den Gewässern fürchtete, für die sie andere begeistern sollte, würde sich der Lächerlichkeit preisgeben.
»Und was machen Sie so?«, fragte sie, während sie in ihre Kaffeetasse schaute.
»Ich bin Galerist.«
»Welche Art Bilder stellen Sie aus?«
Sofort hatte er ihr Interesse geweckt, sie vergaß ihre Befangenheit und wandte sich ihm wieder zu.
»Ich bevorzuge die Realisten.«
»Ich auch, ich finde es höchst anstrengend, Kreise und Kleckse mit etwas Sinnvollem zu belegen.«
»Manchmal ist es aber auch amüsant, wenn ein Betrachter in bunten Klecksen das gesamte Universum wiedererkennt.«
»Erkennst du mich wieder?«
»Sebastian, mon ami.« Marc sprang auf, als Sebastian Seefeld in die Küche kam. »Ich freue mich, dich zu sehen«, sagte er und umarmte den gut aussehenden jungen Arzt, der eine weiße Hose und ein weißes Hemd trug.
»Gerti sagte mir, dass die Bilder angekommen sind, und ich dachte mir, dass du dann auch hier sein würdest. Willkommen bei uns. Ich freue mich schon darauf, mit dir über alte Zeiten zu plaudern.«
»Ich hoffe, es gibt auch etwas über die Gegenwart zu erzählen.«
»Aber ja, die Bilder packen wir aber erst später aus. Ich möchte, dass Emilia dabei ist.«
»Bilder deiner Frau?«, fragte Ines.
Sebastian nickte, und in seinen hellen grauen Augen zeigte sich plötzlich eine tiefe Traurigkeit.
»Tut mir leid, ich hätte nicht fragen sollen«, entschuldigte sie sich.
»Du musst dich nicht entschuldigen«, entgegnete Sebastian. »Wenn du möchtest, kannst du dir die Bilder gern ansehen. Dass ich sie nach dieser Ausstellung in Montreal erst einmal bei mir haben will, bedeutet nicht, dass ich sie verstecken möchte.«
»Ich würde sie mir sehr gern ansehen, danke, Sebastian.« Ines kannte einige Bilder von Helene Seefeld, hatte sie aber bisher nur im Internet betrachten können, wenn eines von ihnen auf einer Auktion angeboten wurde. Ein Original war etwas ganz anderes.
»Wenn du sie nicht verstecken willst, warum hast du sie dann in einem Abstellraum untergebracht?«, fragte Marc.
»Da werden sie nicht bleiben. Ich werde sie aufhängen, einige im Haus, einige in der Praxis und vielleicht als Leihgabe im Rathaus. Darüber wollte ich demnächst mit dir sprechen, Ines«, sagte Sebastian.
»Gern, aber was hältst du von einer Ausstellung? Wir könnten die Bilder doch erst einmal den Bergmoosbachern zeigen, bevor du sie hier im Haus aufhängst.«
»Das ist eine hervorragende Idee«, stimmte Marc Ines zu.
»Wir sollten darüber reden, komm doch heute Abend zum Essen zu uns«, schlug Sebastian vor. »Jetzt muss ich aber wieder in die Praxis, wir sehen uns zum Mittagessen, Marc«, verabschiedete er sich und eilte davon.
»Ich hoffe, ich habe ihn mit dieser möglichen Ausstellung nicht überfahren«, sagte Ines.
»Nein, ganz bestimmt nicht. Er war immer stolz auf Helenes Arbeit, und er möchte sie anderen Menschen nicht vorenthalten. Helene hätte das auch nicht gewollt. Verzeihung, aber das Gespräch muss ich annehmen«, sagte Marc, als sein Handy läutete und die Nummer einer New Yorker Galerie auf dem Display aufleuchtete.
»Er gefällt dir, stimmt’s?«, fragte Traudel, nachdem Marc zum Telefonieren hinaus auf die Terrasse gegangen war.
»Ich finde ihn interessant.«
»Geh, interessant, das trifft es wohl nicht ganz«, entgegnete Traudel lachend. »Aber jetzt kümmern wir beide uns erst einmal um die Medizin für den Korbinian. Kennst dich ein bissel mit Kräutern aus?«
»Nicht so richtig, bei uns in der Familie war meine Großmutter die Expertin auf diesem Gebiet.«
»Ich weiß, von der Geli habe ich einiges gelernt. Ich bin sicher, sie hätte es auch mit Feldthymian versucht. Ich erkläre dir, was du tun musst, und heute Abend, wenn du wieder herkommst, gebe ich dir die Kräuter.«
»Danke, Traudel.« Ines zog ein Notizheft aus ihrer Handtasche, um aufzuschreiben, wie sie die Thymiankompressen für ihren Großvater vorbereiten sollte.
»Wenn wir ein bissel Glück haben, dann braucht er bald keine Schmerzmittel mehr«, sagte Traudel, als Ines ihr Notizbuch wieder einsteckte.
»Wir probieren es gleich heute aus.«
»Es ist schon bewundernswert, wie du dich um deinen Großvater kümmerst.«
»Die Großeltern haben mich nach dem Tod meiner Eltern aufgenommen, und nach dem Tod der Großmutter bin ich es ihm doch schuldig.«
»Du bist ihm nichts schuldig, darüber habe ich mich mit Korbinian vor drei Jahren nach der Beerdigung seiner Geli recht ausführlich unterhalten. Außerdem gibt es noch die anderen. Sie können sich auch kümmern.«
»Ich weiß nicht, Miriam und ihre Eltern haben viel Arbeit mit dem Sägewerk, und ihr Vater ist auch noch im Gemeinderat.«
»Trotzdem, Ines, du bist nicht allein für Korbinian verantwortlich. Zumal er noch ganz gut in Schuss ist«, fügte Traudel augenzwinkernd hinzu.
»Das versichert er mir auch ständig. Er meint, ich sollte ein bisschen mehr an mich selbst denken.«
»Freilich sagt er das, weil er möchte, dass du glücklich bist.«
»Mir geht es gut, ich muss mich über nichts beklagen. Ich danke dir für deine Kräutertipps, wir sehen uns dann heute Abend«, verabschiedete sich Ines gleich darauf. »Ich gehe durch den Steingarten, wenn ich darf«, sagte sie, als Traudel sie zur Haustür begleiten wollte.
»Freilich darfst du, und schau dich ruhig nach all dem Schönen um, was es dort zu sehen gibt«, erwiderte sie lächelnd, als sie Ines’ Blick folgte.
Er galt ohne Zweifel Marc, der in der Mitte der Treppe, die durch den Steingarten führte, auf einer Stufe saß und telefonierte.
»Er lebt doch sicher nicht allein«, sprach Ines aus, was ihr gerade durch den Kopf ging.
»Im Moment schon, er hat sich vor ein paar Wochen von seiner Freundin getrennt. Die große Liebe war es ohnehin nicht, wie Sebastian erzählt hat.«
»Die ist wohl auch schwer zu finden, viele finden sie leider nie«, seufzte Ines. »Also dann, bis später«, sagte sie und huschte auf die Terrasse hinaus.
»Sie gehen schon?«, fragte Marc, der sein Telefongespräch beendet hatte und sich wieder erhob.
»Ich muss noch in die Apotheke, mein Großvater wartet auf seine Tabletten.«
»Sind Sie zu Fuß unterwegs?«
»Ja, das ist in Bergmoosbach kein Problem, die Entfernung von einem Ortsende zum anderen ist recht überschaubar.«
»Darf ich Sie begleiten?«
»Zur Apotheke?«
»Sie liegt doch sicher irgendwo im Dorfkern.«
»Schon.«
»Gut, dann komme ich mit und besichtige das Dorf. Es sei denn, Sie wollen nicht mit mir gesehen werden.«
»Warum sollte ich das nicht wollen?«
»Vielleicht haben Sie einen eifersüchtigen Freund oder Ehemann.«
»Nein,