südlich etwas Geeignetes finden lassen, dort, wo die Winter nicht zu hart waren. Doch etwas Großes würde ich mit der Anzahl an Kräften nicht mehr bauen können. Auch waren wertvolle Handwerker bei Eriks Beseitigung verloren gegangen. Handwerker, die mit Gold nicht aufzuwiegen waren.
Ich musste mir etwas einfallen lassen, denn ich wusste tief in meinem Innersten, dass die alte Welt mit all ihren Lügen und Sünden kein sicherer Platz mehr war für die Absichten, die ich vorhatte. Doch wie sollte sich das mit meiner Sehnsucht und mit meinem Heimweh vereinbaren lassen, dieses Gefühl, das in mir seinen Schabernack trieb? Wieso widersprachen sich meine Intuitionen ständig und in unverständlicher Weise?
Vielleicht waren es keine Intuitionen, sondern Halluzinationen, die mir vor lauter Nachdenken den Verstand raubten. Wie war das noch mal? Warum war ich hierher gesegelt?
Ja, um Wissen zu erfahren und ebenso um Rohstoffe zu entdecken, die die Welt noch nicht kannte. Doch plötzlich wollte ich all dies nicht mit einer alten, kranken Welt teilen, die nur auf Macht und Gier aus war. Würde ich jetzt so charakterlos werden wie ein Severinus, der sein Wissen und seine Erfahrungen nicht einmal mit seinen Ordensbrüdern teilen wollte? Oder schlimmer noch, wurde ich jetzt etwa selbst gierig und machthungrig und hatte nichts anderes vor als eine Räuberhöhle zu gründen, weit weg von einer kranken Gesellschaft, bestehend aus Heiligen und Scheinheiligen?
Doch wie sollte man eine kranke Welt heilen, wenn man diese Erfahrungen nicht teilte und den Bedauernswerten nicht die Augen öffnete? Ihnen zeigte, dass es ein Paradies auf Erden gab und es nur eines Umdenkens der Menschheit bedurfte, um dieses Paradies zu erhalten und sich daran zu erfreuen? Wäre das nicht eine Aufgabe, die eines Apostels würdig war? Doch ich wusste es besser. Die Menschen waren nicht und würden niemals bereit sein zu solch einem Umdenken, für das diese Unverbesserlichen mehr und mehr Opfer aufbringen müssten. Ich verschwendete meine Gedanken nicht weiter und befahl, weiter zu segeln ohne unnötige Unterbrechung. Pinzon musste gefunden werden und Pinzon würde mir beim Aufbau einer neuen Heimat helfen.
„Schick mir den Medicus, Ralf. Ich friere von innen, doch will ich nicht diese Nacht in der Kammer verbringen.“
„Das werde ich, Admiral!“
Der Medicus bemerkte meine aufgeschwollenen Adern, die am Nacken und an dem Unterarm pulsierten. Ein Zeichen, dass der Körper gegen etwas kämpfte und mir schreckliche Kopfschmerzen bereitete.
„Ich werde einen kleinen Stich vornehmen lassen, Bruder, damit etwas Blut aus den Adern fließen kann. Der Druck, der in den Venen herrscht, verursacht Euch die Kopfschmerzen, doch der Körper reagiert richtig. Er wehrt sich gegen etwas, das Ihr Euch zugezogen habt. Ihr dürft Euch auf keinen Fall weiter unterkühlen …“
„Unterkühlen?“, unterbrach ich ihn. „Ich schwitze wie ein Ross nach einem harten Ritt!“
„Es ist kalter Schweiß, mein Admiral. Wahrscheinlich bekommt Euch dieser Wechsel von kalt auf warm nicht besonders. Bedenkt, wir verbrachten Monate auf Eis, könnte man sagen, und nun befinden wir uns in wärmeren Gewässern. Vielleicht ist Euer Körper durch diesen Umschwung geschwächt und es bedarf einer langsamen Gewöhnungsphase!“
„Schwachsinn … Wollt Ihr etwa behaupten, dass ich zum alten Eisen gehöre und zu nichts mehr verwendbar bin? Ich bin ein Krieger wie all die Männer da draußen …!“
„Ja, aber die Männer, die Euch begleiten, teilen die Sorge und die Verantwortung nicht, die Ihr tragt. Der Körper kommt nicht zur Ruhe. Ihr dürftet eigentlich für drei Tage das Bett nicht verlassen, aber da ich weiß, dass ich ebenso aus einem offenen Fenster schreien kann und das Ergebnis dasselbe bliebe, schneide ich lieber ein kleines Loch in Eure Vene und verringere den Durchfluss des Blutes. So reduziert sich der Druck und Ihr werdet Linderung finden!“, versicherte mir dieser Mann aus Verona fast zornig.
Ich ließ ihn gewähren, und siehe da, es ging mir kurze Zeit später tatsächlich besser.
„Ihr müsst viel heiße Flüssigkeit trinken, um Euch zu entgiften!“
„Das werde ich. Ich muss gestehen, Ihr seid ein Meister Eures Faches, mein Bester. Wo habt Ihr Euer Handwerk gelernt?“
„In sarazenischer Gefangenschaft. Damals beim ersten Kreuzzug. Ich hatte das Glück, dort einen Medicus als Mentor zu finden, der für mich solche Wunder vollbringen konnte wie unser Heiland. Nur war dieser ein Feind und stammte aus Syrien. Ich wurde ihm als Sklave unterstellt, und als er bemerkte, wie geschickt ich mich bei Amputationen und bei anderen Behandlungsmethoden anstellte, unterwies er mich in seinen Geheimnissen. Es machte dabei keinen Unterschied, ob ich ein Hospitaliter war unter der Obhut des Johanniterordens oder ein Feind einer anderen Gattung. Christ oder nicht, er glaubte nur an das Gute im Menschen. Und jetzt versuche ich, seinen Namen in Ehren zu halten und es ihm gleich zu tun!“
„Ich verstehe, was Ihr da sagt. Ich habe ähnliche Erfahrungen sammeln können bei unseren sogenannten Feinden. Aber ich rate Euch, Bruder, behaltet Eure Meinung besser für Euch, sonst könnte einer, der nicht unsere Erfahrungen besitzt, Euch als Ketzer sehen!“
„Ja, das weiß ich, mein Admiral!“
„So. Ich danke Euch. Ich werde Eurem Rat Folge leisten und mich schonen. Doch nun heißt es, weiter der See die Stirn zu bieten!“
DIE MAGDALENA WIRD MORSCH
Nach Tagen und Nächten an Deck dieses Bootes, das geduldiger und gnädiger mit einer Horde verrückter und hoffnungsvoller Männer nicht sein konnte, kam am 28. April 1138 Bruder Waldemar, ein aus Aachen stammender Zimmermann, zu mir und überbrachte die Nachricht, die ich seit Beginn der Fahrt am meisten gefürchtet hatte.
„Die Magdalena wird morsch, Admiral! Wurmbefall und die salzige See holen sich ihren Tribut. Wasser dringt am Bug zwischen den Balken ein, und am Heck ist eine Kalfaterung dringendst nötig, sonst gebe ich dem Kahn noch höchstens vierzehn Tage, bis sich das Holz auflöst!“
„Was schlagt Ihr vor? Können wir die Reparaturen auf See verrichten?“, fragte ich frustriert.
„Auf keinen Fall, mein Bruder. Wir müssen am Bug die Beplankung erneuern, und das wird dauern. Dazu brauchen wir normalerweise gelagertes Holz, was natürlich in unserem Fall nicht vorhanden ist. Jedoch könnten wir nach den Reparaturen zumindest noch circa zwei Monate auf See, ohne den Zerfall des Kahnes befürchten zu müssen. Und wenn wir dort angekommen sind, wo wir sein wollen, müssen wir dann bessere Arbeiten verrichten. Soll heißen, Holzbalken zimmern und für zwei Jahre lagern …
„Nur, dass es dort, wo wir hinsegeln, kein geeignetes Holz gibt für solch Instandsetzung, mein bester Waldemar. Wir müssen versuchen, noch weitere zehn Tage auf See zu bleiben und so weit wie möglich nach Süden segeln …!“
„Das geht nicht, Admiral. Sie sagten es selbst. Weiter südlich, dort, wo wir hinsegeln, finden wir kein geeignetes Holz. Und falls dies doch der Fall sein sollte, werden wir mit der zerschundenen Magdalena kaum wieder nach Norden segeln können, um geeignetes Holz zu finden!“
Waldemar hatte leider recht, das wollte ich nur ungern zugeben. In diesen Breiten war die Küste noch bewaldet. Doch weiter südlich würden wir nur Sumpf und Moor vorfinden.
Kapitulierend nickte ich ihm zu und befahl, die Magdalena in einer sicheren Bucht unterzubringen und ein Lager für die Instandsetzung aufzubauen. Wir waren zwanzig Tage auf See, seit wir das letzte Mal hatten Anker setzen lassen, als wir Schutz vor dem Sturm suchten. So kam uns eine Landpause sehr entgegen, denn nicht nur die Magdalena brauchte eine Instandsetzung, sondern auch mein Körper, der sich der Krankheit nicht entledigen konnte, die ich in mir trug und mir die letzte Kraft nahm, um mich auf den Beinen halten zu können. Ja, ich konnte nicht vollständig genesen und ich brauchte dringend eine trockene Unterbringung, in der ich nicht mehr den Gestank des verschimmelnden Holzes meiner Kabine einatmen musste, der meine Lungen befiel.
Wir fanden eine Bucht. Eine Bucht, die nicht besser hätte sein können und uns Schutz vor Kälte, Stürmen und starken Winden gab. Sie war wie für uns gemacht, und ich hätte diesen Waldemar umarmen