implantatgestützter Deckprothese versus implantatgetragenen Zahnersatz
14.8Schritt 2: Differenzialindikation festsitzender oder abnehmbarer implantatgetragener Zahnersatz
14.9Schritt 3: Differenzialindikation pro und kontra vertikale Augmentation
14.10Extrematrophien
14.11Differenzialindikation zur augmentationsfreien Versorgung und Sofortbelastung auf schrägen Implantaten im Rahmen der „Alles auf vier“-Methoden
14.12Differenzialindikation zur augmentationsfreien Versorgung des Oberkiefers durch Zygomaimplantate
14.13Differenzialindikation zur augmentationsfreien Versorgung des atrophierten Unterkiefers bei Cawood-Klassen V bis VI mit Kurzimplantaten
14.14Differenzialindikation zur augmentationsfreien Versorgung durch Subperiostalimplantate
14.15Empfehlungen zur augmentativen Versorgung von atrophierten zahnlosen Kiefern
14.16Literatur
15Reparaturchirurgie und Komplikationsmanagement
15.1Reparaturchirurgie und Zweitimplantation
15.2Augmentative Behandlung der Periimplantitis
15.3Infektiöse Komplikationen bei Augmentationen
15.4Präoperative Maßnahmen zur Vermeidung von Wunddehiszenzen bei Augmentationen
15.5Intraoperative Maßnahmen zur Vermeidung von Wunddehiszenzen bei Augmentationen
15.6Postoperative Maßnahmen zur Vermeidung von Wunddehiszenzen bei Augmentationen
15.7Komplikationen und deren Vermeidung beim Sinuslift
15.8Allgemeine Komplikationen bei Augmentationsoperationen
15.9Literatur
Allgemeine Grundlagen der Augmentationschirurgie
Information war nie so umfassend verfügbar wie heute. Dies gilt besonders für die zahnärztliche Implantologie, die viele Jahrzehnte nach ihrer Etablierung immer noch stark im Fluss ist. Im dynamischen Wechselspiel von Produktentwicklern und Klinikern kommen fast täglich neue Biomaterialien und Augmentationsverfahren in die Praxis. Zu allem gibt es zahllose Publikationen und verlockende Fortbildungsangebote. Die Kunst der (Zahn-)Ärztin und des (Zahn-)Arztes ist es, die Menge an Innovationen und Informationen zum Wohle der Patienten richtig einzuordnen. Was ist gut für meine/n Patienten/in und was ist schlecht, riskant und was ist vorhersagbar, was ist effektiv und was ist unnötig, was zahlt sich aus und was kostet nur, was ist Mode und was beständig? Die Basis der Urteilsfähigkeit ist Erfahrung und profundes Wissen.
Die Zahnheilkunde ist traditionell stark durch Materialwissenschaften geprägt, denn sie fand bis vor wenigen Jahren überwiegend außerhalb der Ektodermhülle des Körpers statt. Unter anderem durch die Implantologie hat sich das Behandlungsspektrum in das Innere des Körpers unserer Patienten erweitert. Das erfordert eine zusätzliche theoretische Basis für die Zahnheilkunde, die sich aus Biologie und Medizin speist. Die Leistung des Operateurs und der Operateurin bei Augmentationen ist nicht nur die handwerklich korrekte Ausführung, sondern vor allem die richtige therapeutische Empfehlung unter Abwägen zahlreicher Einflussfaktoren. Dieses Buch soll dem/der Praktiker/in dabei helfen, Selbstbewusstsein und kritische Urteilskraft für gute Entscheidungen aufzubauen und ein wenig Freude auslösen, wenn die Biologie hinter den eigenen klinischen Beobachtungen erkennbar wird und sich ein nachhaltiger Erfolg einstellt.
1.1Knochen als Erfolgsfaktor in der Implantologie
Die Chance auf eine funktionell und biologisch vollwertige Geweberegeneration ist ein Privileg der Zahnheilkunde im Vergleich zu anderen Sparten der Medizin. Die Knochenregenerationstechniken erlauben heute Zahnärztinnen und Zahnärzten, fast keine Formabweichung des Kieferknochens als gegeben hinnehmen zu müssen, sei sie erworben durch Unfall, Tumor oder durch Atrophie des Alveolarkamms nach Zahnverlust oder angeboren bei Zahnnichtanlagen. Das bezieht sich auch auf Bisslage- und Bisshöhenkorrekturen der Kiefer. Die Grundlagen zu chirurgischen Korrekturmöglichkeiten des Knochens und der bedeckenden Weichgewebe zur Vorbereitung einer Zahnersatzbehandlung wurden zum großen Teil durch die Fachvertreter der präprothetischen Chirurgie in den siebziger und achtziger Jahren gelegt1. Knochenaugmentationen sind auch ein langfristig sicheres Verfahren. Zu allen wesentlichen Techniken bestehen heute Daten aus 10-Jahres-Studien.
Das Schicksal des Implantats entscheidet sich auf dem obersten Millimeter2 (Abb. 1-1). Ein zirkulär vollständiger Ring von Knochen, der allseits alle aufgerauten Anteile des Implantats bedeckt, kann ein Tiefenwachstum des Saumepithels und damit Taschenbildung verhindern3 und ist eine Voraussetzung für die dauerhafte Implantatgesundheit4. Zirkulärer Knochen von mindestens 1 mm, besser 2 mm Dicke ist eine Voraussetzung für eine gute Langzeitprognose und die Basis für einen abdichtenden Weichgewebeanheftungsapparat. Ausreichend dicker Knochen erzeugt eine vitale Gingivafarbe, indem er ein Durchschimmern des dunklen Titans verhindert (Abb. 1-2). Der Knochen ist generell die Basis der Ästhetik, indem er die Höhe der Gingiva definiert (Abb. 1-3) und die Gesichtsweichteile verankert. Der Alveolarfortsatz muss ausreichend breit sein, um einem stabilen Implantat mit ausreichender Materialstärke Platz zu bieten, das sich unter Mastikation nicht verformt oder gar frakturiert. Außerdem muss der Knochen ausreichend hoch sein, damit keine langen Zahnkronen und interdentale Plaqueretention resultieren. Der Knochen sollte in der prothetischen und damit in der funktionellen Belastungsachse der Restauration stehen. Dadurch kann die Prothese zierlicher ausfallen (Abb. 1-4 bis 1-6).
Abb. 1-1 Das Schicksal des Implantats entscheidet sich auf dem ersten Millimeter. Aufgeraute Implantatanteile dürfen nicht in Kontakt mit den Bakterien des Sulkus kommen. Hier besteht Augmentationsbedarf.
Abb. 1-2 Fotomontage. Ersatz der nicht angelegten Zähne 12 und 22 durch Titanimplantate. Das graue Durchschimmern des Titans sollte durch ausreichend dicken Knochen und Weichgewebe verhindert werden.
Abb. 1-3 Die Weichgewebehöhe (biologische Breite) ergibt sich aus den Elementen Bindegewebeanheftung, Saumepithel und Sulkustiefe bzw. freie Gingiva. Sie ist bei Zahn und Implantat gleich hoch, im Mittelwert etwa 3 mm. Weil die Höhe konstant ist, kann man durch Augmentation der Knochenhöhe die Weichgewebehöhe vorplanen.
Abb. 1-4 Bei der implantatprothetischen Versorgung