Hendrik Terheyden

Augmentationschirurgie


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Bewegung erzeugt nach Newton eine Gegenbewegung (actio = reactio). Viele Patienten und Zahnärzte sind heute nicht mehr nur mit der Osseointegration eines Implantates an beliebiger Stelle zur reinen Fixierung einer Deckprothese zufrieden, sondern das Implantat wird an der funktionellen und ästhetischen Idealposition erwartet. Ein defektprothetischer Ansatz in der Implantologie kann von einem regenerativen Therapieansatz differenziert werden, wodurch zwei Polarisierungen eines Kontinuums der Optionen beschrieben sind (Abb. 1-13).

      Abb. 1-13 Defektprothetik versus Regeneration.

      Beim defektprothetischen Ansatz wird fehlendes Gewebe und fehlende Funktion durch Fremdmaterial, eine Prothese aus Kunststoff, Keramik und Metall ersetzt, ähnlich wie eine Prothese bei fehlenden Gliedmaßen. Das Zahnimplantat ist bei diesem Therapieansatz ein Halteanker gegen das Herausfallen der Prothese. Weil das Implantat durch die Gefahr biologischer Komplikationen auch ein Risikofaktor für die Gesamtprothese ist, werden konsequenterweise so wenig wie möglich Implantate als potenzielle Störstellen geplant, bis hin zu nur einem einzigen. Der Patient kann sich in dieser Logik in seinen Hygienebemühungen auf einige wenige Pfosten konzentrieren und weniger Implantate werfen weniger Kosten auf.

      In der Praxis relativiert sich diese Diskussion zwischen beiden Therapieansätzen meistens schon durch das Alter der Patienten, indem Jüngere und Gesunde sich eher für den regenerativen und Ältere und Kranke eher für den defektprothetischen Ansatz qualifizieren. Das hängt mit der körperlichen Belastbarkeit, der Nutzungsdauer, der Ausgangslage der Defekte, der Hygienefähigkeit und der gewünschten Kaufunktion zusammen.

      Abb. 1-14 Durchschimmern des Titans.

      Abb. 1-15 Die SAC-Klassifikation des International Team for Implantology15 (ITI) für den chirurgischen und prothetischen Teil einer Implantatbehandlung.

       Straightforward: Keine Augmentation. Dies entspricht einer Standardbehandlung ohne erhöhte anatomische Risiken operationstechnische und/oder prothetische Probleme.

       Advanced: Einzeitige Augmentation. Noch genug Restknochen für eine simultane Implantatinsertion.Hier ist eine anspruchsvolle Behandlung mit erhöhtem chirurgischen und/oder prothetischen Risikopotential und entsprechender Ausstattungs- und Ausbildungsanforderung an das Team gemeint.

       Complex: Zweizeitige Augmentation. Nicht genug Knochen für eine gleichzeitige Implantation. Eine komplexe implantologische Behandlung auf Spezialistenniveau mit damit verbundenen Risiken ist erforderlich.

      Wegen der Belastung und der Risiken eines operativen Eingriffs entscheiden sich viele Patienten und Kollegen bei Knochenmangel gegen eine implantologische Behandlung, obwohl vielleicht beide Seiten von einem osseointegrierten Zahnersatz profitieren würden. Durch Zusammenarbeit mit chirurgisch spezialisierten Kollegen mit entsprechender Expertise kann diese Schwelle gesenkt werden. Die mit der Wundheilung verbundenen Unannehmlichkeiten können von einem überweisenden Zahnarzt zeitweise zum Chirurgen ausgegliedert werden. Die anschließende prothetische Behandlung wird wieder in der Heimatpraxis durchgeführt. In so einem Team funktioniert der Hauszahnarzt als Architekt der Gesamtbehandlung, der die einzelnen Gewerke koordiniert und den Patienten danach in seiner Betreuung weiterführt.