Bei Bedarf differenzieren sich diese Zellen in Osteoprogenitorzellen und schließlich nach Adhärenz an eine Matrix in Osteoblasten, die Osteoid aufbauen und sich danach als Osteozyten in die Matrix einmauern. Einige bedecken als Deckzellen (lining cells) die gesamte Knochenoberfläche zur Markhöhle hin lückenlos. Wenn die Deckzellenschicht Lücken bekommt, z. B. durch chirurgisches Trauma, ist das ein Signal zur Osteoklastenentwicklung. Das erklärt ebenfalls die Oberflächenresorption nach Deperiostierung.
Osteoklastenfunktion
Die Osteoklastenfunktion steht unter dem Einfluss von Osteoblasten. Osteoblasten besitzen Rezeptoren für die verschiedensten Hormone und Botenstoffe und können unter Einfluss von Parathormon RANKL (Receptor activator of nuclear factor kappa beta ligand) produzieren. Zusammen mit M-CSF (Macrophage colony stimulating factor) steuern sie so das Konfluieren von monozytischen Vorläuferzellen zu mehrkernigen Osteoklasten. Osteoklasten sind Immunzellen und stammen wie die Makrophagen von Monozyten des Blutstroms ab, die ihrerseits von hämatopoetischen Stammzellen des Knochenmarks abstammen. An Stellen, wo die Lining cells sich abheben, heften sich Osteoklasten an die freien Knochenstellen an. Die Anheftung erfordert das Protein Osteopontin aus der Knochenmatrix, das sich ringförmig mit Integrinen der Osteoklasten verbindet. So entsteht eine Art Saugnapf der Osteoklasten, innerhalb dessen ein sehr stark saures Milieu durch Protonenpumpen erzeugt werden kann, ohne dass die Säure ins übrige Gewebe austritt. Die Säure entkalkt den Knochen, sodass dessen Proteine nun für den Angriff durch saure Enzyme wie Cathepsin freigelegt werden. Die Howship-Lakune entsteht (John Howship 1781–1841, Chirurg und pathologischer Anatom, London). Durch Endozytose wird alles, was im Spalt in Lösung geht, in das Zellinnere transportiert und hier weiter verdaut. Wenn sich unter diesen Molekülen bakterielles Lipopolysaccharid befindet, kann durch Toll-like-Rezeptoren eine schnelle entzündliche Resorption initiiert werden3, die meistens sehr schnell zur Zahn- oder Knochenauflösung führt. Die entzündliche Resorption füllt sich im Gegensatz zur Ersatzresorption beim Knochenumbau nicht knöchern auf; sie ist aufgrund des proinflammatorischen Wundmilieus inkompatibel mit einer Knochenbildung. Sie hinterlässt Defekte und Sequester, sodass der Knochenchirurg vorbeugend um eine bakterienarme Wunde bemüht ist.
Knochengrundsubstanz
Das Hartgewebe des Knochens ist ein Verbundwerkstoff aus Fasern und Füllmasse, wobei die Fasern Zugbelastungen und die Füllmasse die Druckbelastungen aufnimmt. Für solche Verbundwerkstoffe gibt es in der Technik viele Beispiele (z. B. Stahlbeton oder glasfaserverstärkter Kunststoff im Bootsbau). Die Knochenmatrix besteht überwiegend aus Kollagen (Fasern) und Mineral in Form von Hydroxylapatitkristallen (Füllstoff). Dieses Mineral ist bei pH 7,4 in Wasser praktisch unlöslich, was sich bei saurem pH schnell ändert (siehe Kariesentstehung). Das Mineral kann technisch durch Säurebehandlung aus dem Knochenverbund ausgelöst werden, um an die Proteine des Knochens zu gelangen. Das Knochenmineral Hydroxylapatit ist Vorbild für die vielen mineralischen Knochenersatzmaterialien, denn der Körper akzeptiert bestimmte technisch hergestellte Materialien als künstliche Knochenmatrix, bzw. können die Knochenvorläuferzellen diese mangels Proteinstrukturen nicht als fremd erkennen.
Nichtlösliche Hartsubstanzproteine
Die nach Auflösen des Minerals zurückbleibenden Proteine werden in lösliche und unlösliche Knochenproteine eingeteilt. Kollagen Typ I ist mengenmäßig der wichtigste Vertreter der unlöslichen Proteine. Die Stabilität von Knochen wird durch seine innere Struktur bestimmt. Diese innere Struktur ergibt sich aus der Verlaufsrichtung der Kollagenfasern, die wie Drähte den Knochen innerlich zugfest machen. Die innere Verlaufsrichtung der Kollagenfasern kann in polarisiertem Licht dargestellt werden. Der Grundbaustein des ausgereiften kortikalen Knochens ist das Osteon mit dem zentralen Havers-Kanal. Die Kollagenfasern sind im lamellären Knochen parallel schraubenartig in Längsrichtung in gegenläufigen Touren wie kreisrundes Sperrholz um das Osteon gewickelt und erklären so die hohe mechanische Stabilität dieses Knochentyps. Der im Gegensatz dazu unreife Geflechtknochen bildet sich bei der Wundheilung zunächst. Im Geflechtknochen sind die Kollagenfasern nicht parallel, sondern geflechtartig angeordnet und können damit Kräfte gleichmäßig aus allen Richtungen aufnehmen.
Lösliche Hartsubstanzproteine
Die löslichen Knochenproteine können aus der entkalkten Knochenmatrix durch das Lösungsmittel Guanidinhydrochlorid in Lösung gebracht werden. Es bleibt dann die kollagene Knochenmatrix zurück (Abb. 2-3). Die lösliche Proteinfraktion enthält unter anderem Signalmoleküle (Wachstumsfaktoren und Differenzierungsfaktoren) und etwa 40 bekannte knochenspezifische Proteine, wie Osteopontin, Bone Sialoprotein und Osteocalcin. In der löslichen Fraktion befinden sich auch die BMP = Bone Morpogenetic Proteins (etwa 1 mg pro kg Knochen). Allogene Knochentransplantate werden bei der Herstellung manchmal teilweise entkalkt, sodass die natürlichen BMPs besser in der Wunde verfügbar sind. Das Material wird als DFDBA (Demineralized freeze dried bone allograft) bezeichnet.
Abb. 2-3 Knochenbestandteile wie sie durch schrittweise Behandlung mit Säuren und Lösungsmitteln extrahiert werden können. Für sich alleingenommen sind BMP oder Knochengrundsubstanz allein inaktiv. Nur, wenn man die einzelnen Bestandteile wieder zusammenführt, entsteht ein osteoinduktives Knochenersatzmaterial. Beispielsweise kann man rekombinantes BMP mit Knochenersatzmaterial kombinieren, um ein aktives Transplantat zu erhalten.
Die Wundheilung kann gedanklich in vier Phasen eingeteilt werden (Abb. 2-4). Jede Wunde, ob in Knochen oder Weichgewebe, durchläuft diese vier Phasen, die sich zeitlich überlappen.
Abb. 2-4 Die vier zeitlich überlappenden Phasen der Wundheilung im Weichgewebe. Die y-Achse bezeichnet die relative Zellmenge.
Exsudative Phase (Koagulum)
Die erste Phase der Wundheilung ist die exsudative Phase, die einige Minuten bis Stunden dauert. Kennzeichen ist die Blutstillung durch Plättchen und die Polymerisation des Fibrins, das eine provisorische Extrazellulärmatrix bildet. Diese ist notwendig zur Speicherung von Wachstumsfaktoren und als Gerüststruktur für das Einwandern der Zellen der Wundheilung. Wenn der Knochen mechanisch durch eine Implantatbohrung verletzt wird, entsteht ein Defekt. In diesen Defekt blutet es aus dem Knochenmark ein. Das Koagulum verklebt mit den Wundrändern und stabilisiert durch Gerinnungs- und andere Proteine, z. B. Fibronektin, bereits in den ersten Stunden die Wunde mechanisch. Zahnärzte sind mit der Wichtigkeit des Blutkoagulums durch das Krankheitsbild der schmerzhaften fibrinolytischen Alveolitis (trockene Alveole, Dolor post extractionem) vertraut.
Entzündliche Phase (Reinigung)
Diese Phase wird durch die Degranulation der Thrombozyten eingeleitet und dauert Stunden bis Tage. Die freigesetzten Signalstoffe, vasoaktive Substanzen wie Bradykinin wirken auf die Blutgefäße im Wundrand. Die Blutgefäße werden durchlässig und ein Ödem entsteht. Die Blutstromgeschwindigkeit verlangsamt sich, sodass Granulozyten leichter an der Gefäßwand adhärent werden können, um letztlich durch feine Lücken zwischen den Endothelzellen in den perivaskulären Raum auszutreten (Diapedese). Hier beginnen sie mit der Zerstörung und Phagozytose von Bakterien, chemotaktisch angelockt von Bakterienprodukten wie Lipopolysacchariden und von Komplementsignalen (Opsonierung = Markierung von Bakterien durch Komplementproteine). Chemotaxis bedeutet das Anlocken mit gezielter Richtungsangabe für einwandernde Zellen durch ein Konzentrationsgefälle. Das zusätzliche Zellvolumen der Entzündungszellen ist klinisch als Schwellung erkennbar. Granulozyten erzeugen durch freie Sauerstoffradikale ein toxisches Wundmilieu, wenn sie in großer Zahl auftreten, weil sie zum Beispiel fortwährend auf neue bakterielle Antigene stoßen. Durch Zerfall setzen Granulozyten gewebeauflösende Enzyme aus ihren Lysosomen frei, bis das Gewebe flüssig ist und sich Eiter bildet. Eiter ist ein physiologischer Reinigungsmechanismus des Körpers in