Группа авторов

Der Televisionär


Скачать книгу

d. h. zu dem Medium, das die Weltwahrnehmung, das Menschenbild und die Wertvorstellungen der Zeitgenossen dominierte.

      Diesem nachhaltigen Wandel der Rolle, die das Fernsehen innerhalb der zeitgenössischen Kultur spielte, korrelierten ästhetische Experimente innerhalb des Mediums selbst, die seiner Zukunft wie generell der medialen Zukunft die Bahn zu brechen suchen. Dabei formten sich nicht zuletzt neue Erzählweisen, die dem Fernsehen zuvor unbekannt waren. Zu ihnen gehörte die aufkommende TV-Faktion. Ihr selbstreflexives Spiel mit der eigenen Medialität indizierte ein Sich-selbst-problematisch-Werden des Fernsehens und damit den Punkt seiner medialen Maturität. Gleichzeitig aber versteht sich die Häufung faktionaler Werke auch im Kontext gesamtkultureller Tendenzen zur Neudefinition dessen, was als authentisch begriffen wurde.

      Die Zuschauer allerdings, die 1969 die Dubrow-Krise sahen, wie auch die Juroren, die dem Fernsehspiel den Grimme-Preis in Gold verliehen, konnten selbstverständlich nicht ahnen, wie authentisch die Fiktion entworfen war und dass sie daher zwei Jahrzehnte später zu einem nicht geringen Teil von der Geschichte eingeholt werden sollte. Sie dürfte vielmehr der damals höchst ungewöhnliche Kunstgriff fasziniert haben, das Fernsehen im Fernsehen zu simulieren. Denn er erlaubte es im Verein mit dem Rekurs auf vertraute dokumentarische Formate, das Szenario des ›Was geschähe wenn ...‹ jenseits der in Spielfilm wie Fernsehspiel üblichen Spannungsbögen zu erzählen. An ihre Stelle trat jene Struktur journalistischer Recherche und Reportage, die schon Orson Welles’ Citizen Kane-Faktion vorantrieb und zusammenhielt, nun allerdings dem Stand des neuen Leitmediums Fernsehen angepasst: Welles tönende Wochenschau wurde bei Menge zum TV-Magazin. Seine Form lieferte das mediale Gerüst, den eher epischen denn dramatischen Erzählbogen. Mosaikartig konstruiert die Dubrow-Krise aus Einzeldarstellungen ein – freilich nicht Fakten dokumentierendes, sondern Wahrscheinliches und Erfundenes mixendes – Gesamtbild. Dessen inhaltliche Aussagekraft zehrt wesentlich von den Konventionen und der Glaubwürdigkeit des etablierten Formats.

      Am Ende, in den letzten Sekunden des fiktiven Magazins, geht es folgerichtig auch nicht mehr um die thematische Krise selbst, sondern um den politischen Druck, der auf die öffentlich-rechtlichen Sender ausgeübt wird. „Ihr Intendant möchte ich morgen nicht sein“, warnt einer der Studiogäste, Ministerialrat im Gesamtdeutschen Ministerium, den Moderator der Sendung. Auch darin entsprach Menges erste Faktion der historisch neuen Erfahrung fortgeschrittener Medialisierung öffentlicher Kommunikation und politischer Willensbildung, welche die Durchsetzung des Fernsehens bewirkt hatte.

      5 Spiel mit der Faktionalität II: Das Millionenspiel