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Der Televisionär


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Film machen wollen über dieses ungeheure Chaos bei der Schleyer-Entführung und die Kessheit, mit der unsere Politiker [...], mit welcher Unverfrorenheit und Arroganz die sich in alles einmischen, was sie nichts angeht. [...]. Daran geht unser ganzes Land kaputt. Die tun so, als ob ihnen alles gehören würde.« W. Menge: Sylt, 21. Juni 1987.

      III Im Fernsehen der 1960er und 1970er Jahre: Zukünfte

      Ende der sechziger Jahre war Wolfgang Menge Mitte Vierzig und nach einem halben Dutzend Drehbüchern, die er für den Film geschrieben hatte, sowie gut zwei Dutzend Drehbüchern, die im Fernsehen realisiert worden waren, ein angesehener und vielbeschäftigter Autor. Doch er war zunehmend unzufrieden mit dem, was er schrieb. Genauer gesagt: wie er es schrieb.

      Menges frühe Fernsehspiele trafen den Nerv der heraufziehenden sozial­li­beralen Ära, sowohl impolitischen Engagement wie auch in der formalen Nähe zur damals entstehenden Dokumentarliteratur. Als Markenzeichen seiner von den Kritikern primär gelobten Filme – wie auch seiner Arbeiten für Print und Theater – galt die Tatsachentreue, Wirklichkeitsnähe und Genauigkeit von Personen und Orten, kurzum: dass er seine Themen recherchierte und Narration wie Dialoge mit der Realität so weit als möglich übereinstimmten. Diese Authentizität des audiovisuellen Erzählens stützte er ab durch formal innovative Aufarbeitung. Drehbuch für Drehbuch entwi­ckelte sich der journalistische Profi so zu einem Schriftsteller, der in seinen besten Werken nicht Geschichten erfand, sondern Zeitgeschichte erzählte. Diese Qualitäten machten Menge zu einem idealen Autor für das Fernsehen. Schon in seiner Person, seinem Werdegang, verkörperte er dessen besondere Situation: ein zugleich journalistisch-dokumentierendes und künstlerisch-fiktionales Medium zu sein.

      Doch in Menge selbst wuchsen Zweifel; zwar nicht an seiner dokumentarisch geprägten Arbeitsweise, wohl aber an den erzählerischen Formen, in denen er die Ergebnisse seiner Recherchen aufarbeitete. Dieselbe journalistische Schulung und kritische Haltung, die einst seine dokumentarische Wende als Drehbuchautor ausgelöst hatte, führte nun dazu, dass sich sein Interesse forschend auf das Medium Fernsehen selbst zu richten begann. Zum einen analysierte und dekonstruierte er die spezifischen Formen, die sich binnen verhältnismäßig kurzer Zeit in der Television ausgebildet hatten und in denen sie ihre Inhalte vermittelte. Neben dem Fernsehspiel waren das vor allem das Magazin, die Show und die Nachrichtensendung. Zum anderen hinterfragte er die institutionellen Kontexte, in denen das Fernsehen als Leitmedium der Bonner Republik funktionierte oder in naher Zukunft funktionieren könnte.

      Unter den Bedingungen industrieller (Massen-) Medien konzentrierte sich diese Anstrengung der Rezipienten auf jene Qualitäten der medialen Angebote – Texte, Bilder, Fotos, Filme –, die wir unter dem Begriff des Authentischen fassen: auf eine Echtheit also, wie sie die Identität des Medialen mit dem Wirklichen verbürgt (oder zu verbürgen scheint). Bereits die Nutzung von Massenpresse, Radio und Film für Propagandazwecke, die nicht nur die totalitären Regimes der Vorkriegs-, Kriegs- und Kalte-Kriegs-Nachkriegszeit offen praktizierten, hatte diese – seit den 1920er Jahren – traditionelle Ansicht von der Objektivität und damit Authentizität fotografischer beziehungsweise filmischer Artefakte unterminiert.

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