als Knotenpunkt und Synergiecity sowie als moderne Weltgemeinde mit Bahnhof, Kino und Internetanschluß zumal heute von hoher Anziehungskraft und Attraktion zeugt und im Grunde vor ebensolcher komplett zusammenphantasierter Imagepower kaum mehr laufen kann; weshalb, allen »Unkenrufen« zum Trotz, Trier sei im Kern aber doch vergammelt und in toto ein Koben der allerrückständigsten Reaktionärsgesinnungen und Kirchendummheit, gleichwohl das schmucke Regiozentrum zu Recht des Rufes sich erfreut, eine granatenmäßige Nagelhochburg zu sein.
Mag dies allerdings alles sein, wie es sei, und mögen Stadthäupter, Bürgermeister befreundeter Partnerstädte und ortsfremde Ethnologen sowie die großartigen Professoren der örtlichen roten Universität dies alles näher klären und entkräften, fest steht darüber hinaus: daß Trier einerseits zum Hunsrück zu rechnen ist, sich andererseits jedoch auch durch irgendwelche Stadtteilhangbebauungen irgendwann topographisch einen Teil der Eifel unter den Nagel riß und von mir daher unumschränkt meiner Lieblingslandschaft zuzuschlagen ist. Wenngleich es, Trier, Stadt bleibt. Trier bleibt Trier, Stadt bleibt Stadt, Landschaft bleibt Landschaft.
Insofern indes, als Porta Eifel, lädt der ziemlich einzigartige Provinzladen und Megapuff Trier die sensorisch nicht gänzlich Verkümmerten allzeit ein, in die nähere nördliche Ferne zu schweifen – nicht, um am Soldaten- und Biergeschmacksfriedhof Bitburg gleich allzu ungeduldig zu stoppen und hoffnungslos zu stranden, sondern um dem ferneren Seffern oder Waxweiler oder Pronsfeld sich anzunähern.
Irgendwo dort, in dieser Gegend, es war vielleicht auch hinter Schönecken, sah ich das leuchtendste Stück Landschaft, das denkbar, das für mich vorstellbar ist. Es war hinter einer Straßenbiegung, wenige hundert Meter nach Dorfausgang am Ende eines steilen Anstiegs. Unvermutet, wie diese Anblicke uns treffen, öffnete sich oben, auf der Kuppe, rechter Hand eine Lichtung, eine vom Sonnenlicht geflutete Lichtung, zwischen Haselnußhecken, und sie fiel, reines Grün, ganz mählich ab und rollte auf einen Nadelwald zu, einen Nadelwald, wie ihn die Eifel schimmernd und ruhig um Daun herum oder bei Gerolstein so einfach überall hinstellt.
Ich unterhalte ein weithin rational freundliches, ja wärmend klares Verhältnis zur Eifel. Als Kind verbrachte ich ein paar Ausflugstage dort und ein paar Abende auf dem Hochsitz, weil mich ein Bekannter meines Vaters, ein Jäger, mitgenommen hatte. Ich saß auf dem Holzgestell und schaute mir den Himmel an; ich schaute die gelben Wiesen an, die langgezogenen Hecken, die weiten Schwünge der Wipfelreihen. Das hatte nichts zu bedeuten und war schön, schön fast wie die Liebe, die aber schöner ist.
Seither zieht es mich immer wieder in die Eifel, in diese anmutig einfache, vielleicht auch einfach abgeschiedene Welt, in der es irgendwo bei Waxweiler oder Schönecken eine stille Bierwirtschaft gibt, deren Namen ich nicht einmal weiß.
Wüßte ich ihn, ich würde ihn nicht einmal einem Trierer verraten, bei Gott nicht.
Wellness contra Wirtshaus?
Michael Herl ist Theaterautor, Journalist und Gründer des Stalburg-Theaters im Frankfurter Nordend. Auf die Frage nach seiner »Lieblingsbeschäftigung in Frankfurt« antwortete er mal: »Wie überall auf der Welt auch: Apathisch irgendwo sitzen und gucken und denken und rauchen und, sobald es dunkelt, Rotwein trinken.«
Angesichts der Omnipräsenz des Themas Wellness war es überfällig, mit einem derart klugen Mann über diese Angelegenheit zu reden.
Wellness – prima Thema, oder?
Michael Herl: Ich warte seit Jahrzehnten darauf, daß endlich jemand mit mir ein Interview über Wellness führt.
Seit Jahrzehnten? Da warst du der Wellnesswelle weit voraus.
Ich wußte schon von Wellness, da gab’s das noch gar nicht. Anfang der siebziger Jahre ist mir gedämmert, daß man was für sich tun muß.
Und dann bist du das angegangen.
Erst theoretisch. Und sobald ich mit der Pubertät fertig war auch praktisch.
Wie sah die Wellnesspraxis aus?
Mehr Bewegung.
Gezielte Bewegung?
Ja. Ich war sehr viel in Gaststätten. Da sitzt du auf harten Holzstühlen rum. Sehr anstrengende Tätigkeit.
Und die Bewegung?
Man muß ja erst mal hinkommen.
Welche Wellnessmaßnahmen ergreifst du sonst?
Ich putz’ mir die Zähne, etwa vierzehn Mal in der Woche. Hartes Programm, aber ich leg’ halt großen Wert auf Sauberkeit. Auch auf innere. Auf geistige Wellness.
Was darf man sich darunter vorstellen?
Da war ich meiner Zeit auch weit voraus. Bei den meisten Mitmenschen beklage ich einen großen Mangel an geistiger Wellness.
Wie versuchst du Abhilfe zu schaffen?
Ich starte täglich den Versuch, das zum Beispiel durch das Schreiben von Theaterstücken zu bewerkstelligen.
Aufklärung im wörtlichen Sinn?
Ja. Aber es hilft nichts.
Ein Wellnessberater empfiehlt: »Trinken Sie sich glücklich!«
Das praktiziere ich seit dem Abschluß meiner Pubertät tagtäglich. Mit Erfolg. Ich bin extrem well. Je weiter der Tag voranschreitet, desto mehr freu’ ich mich, am Abend wieder was für die Wellness zu tun.
Kannst du als engagierter Kneipengänger mit einem Begriff wie Disstreß was anfangen?
Disstreß?
Die Wellnesskunde unterscheidet zwischen schlechtem Disstreß und gutem Eustreß, zum Beispiel bei einer sinnvollen Arbeit, die einen auf Trab hält.
Arbeit darf nie in Streß ausarten. Von daher kann es überhaupt keinen positiven Streß geben. Streß wird ja durch Hormone ausgelöst, damit wir vor wilden Tieren flüchten. Die sind ja nun weggefallen. Also besteht überhaupt keine Veranlassung, in irgendeiner Form einen Streß zu haben.
Dann gibt es auch keine Veranlassung für Wellnessprogramme?
Eben.
Hast du’s trotzdem mal mit der Silva Mind Control probiert?
Ist das ein Mixgetränk?
In einem Katalog mit fünfzig Wellnessratschlägen heißt es: »Lachen ist Wellness pur. Liebe ist Wellness pur. Und Tanz ist Wellness pur.« Könntest du das unterschreiben?
Lachen? Das ist Schwachsinn. Ich lache nie. Es gibt selten einen Grund dafür. Ich möchte auch nicht unterhalten werden. Wenn ich unterhalten werden möchte, unterhalte ich mich selbst. Tanzen? Das ist extremster Schwachsinn. Es besteht nicht im mindesten eine Notwendigkeit, sich zu Musik zu bewegen. Und die Liebe? Man kann sich selbst und man kann andere lieben.
Altruismus als Wellnessrezept?
Schwierige Angelegenheit. Ich liebe jedenfalls nicht planlos durch die Gegend, damit es mir vielleicht gutgeht. Ich bin der Meister der inneren Wellness.
Ist Weisheit Wellness?
Ja, sich keine Illusionen machen, das könnte sehr wohl eine Form von Wellness sein.
Das Thema Wellness wäre für dich dann auch nicht über die Schiene einer Wellcuisine aufzuziehen?
Auch da gilt: So wenige Menschen es gibt, die man lieben kann, so selten ist ein gutes Lokal anzutreffen.
Das Wellnesspaket von Maggi fordert dazu auf, sich mit einem »Snack« einen »Powerkick« zu geben.
Ich krieg’ in der Tat einen Powerkick, wenn ich einen Snack in der Form eines Schweinebratens mit Rotkraut verzehre.