Feuerplätze, wo die Menschen sich am Abend zusammengedrängt hatten. Alles war Verlassenheit, und durch die Straßen klangen die fernen Töne eines heulenden Wolfes.
Ein paar Wegbiegungen, und wir befanden uns auf dem schmalen Sims eines Canyon. Und jetzt wusste ich, dass der Kutscher die Wahrheit gesagt hatte.
›Hören Sie mal‹, sagte der Dichter, ›wir glauben Ihnen, dass Sie der beste Fahrer der Welt sind, aber Sie müssen die Kurven nicht so scharf nehmen. Sie brauchen uns Ihre Künste nicht zu beweisen. Lassen Sie sich Zeit.‹
›Ich schneide keine Kurven‹, erwiderte der Fahrer. Dahinzugleiten, so nahe am Abgrund, dass die Kufen den Schnee in die Tiefe drückten, war nicht so angenehm. Tief unter uns floss ein Bach. Aber so weit fort, dass man das Geräusch des Wassers nicht mehr hörte. Aus dem schrecklichen Abgrund drang nichts als Stille zu uns herauf.
›Sie haben mir die Wahrheit gesagt‹, bemerkte ich zu dem Kutscher. ›An den gefährlichsten Stellen waren wir vorhin tatsächlich noch nicht vorbei.‹
›Aber Sie haben sich mächtig angestrengt, um mir Lügen aufzutischen.‹
Vielleicht gehört zur stärksten Freude zuvor ein Augenblick der Gefahr, aber wenn dem so ist, würde ich lieber auf solche Freude verzichten. Mir war schon klar, dass ich von diesem Berg herunterkommen würde. Die Frage war nur, wie.«
So stand es am 25. November 1902 in der Times in Denver zu lesen.
Und nun zu dem kleinen roten Gefährt, vor dem ich mir per Kopfhörer die Ratschläge für das Benehmen auf einer Postkutschen-Fahrt angehört hatte. Was weiß man über jene Postkutsche, die sich da jenseits der Absperrung so nett, sauber und elegant darbietet? Sie wurde wahrscheinlich zunächst für den Verkehr zwischen den Bergwerksstädten in Montana benutzt und beförderte, ehe sie ins Museum kam, Touristen im Yellowstone-Nationalpark. Lange nahm man an, es handle sich um eine Concorde-Kutsche. Aber John und Mildred Frizzel, die das Gefährt 1976 restaurierten, waren der Meinung, dass die Kutsche wahrscheinlich von der Firma Eaton & Gilbert in Tryp im Staate New York gebaut wurde. Darauf deutet jedenfalls der Rahmen aus gelbem Pappelholz hin, das man gewöhnlich bei den Gefährten dieser Firma findet.
Ohne dass man den Hersteller eindeutig klären konnte, steht immerhin fest, dass die Kutsche von Wells Fargo & Company zur Beförderung von Passagieren und Post zwischen Bergwerksstädten im Westen benutzt wurde. 1869 kaufte die Firma Gilmer & Munro Salisbury aus Salt Lake City Kutschen des Typs Concorde im Wert von 70.000 Dollar von Wells Fargo. Wahrscheinlich war mein kleiner Liebling auch darunter. Über sieben Jahre betrieb der neue Eigentümer gewinnträchtige und zuverlässige Postkutschenlinien in der Bergbauregion des Nordwestens. Aber nach Fertigstellung der Northern Pacific Railroad in Montana 1883 war die Firma nicht mehr konkurrenzfähig und gab auf. Die Kutsche ging dann in die Hände der Firma Wakefields & Hoffman aus Bozeman, Montana über, die den Fuhrpark von Gilmer & Salisbury erwarb und damit in das Touristengeschäft im Yellowstone einstieg. Seit 1878 hatte man damit begonnen, den an Naturwundern so reichen Park mit Kutschen zu bereisen. Und in den 38 Jahren, in denen der Kutschendienst dort bestand, trug das Gefährt mehrere hunderttausend Besucher zu zwölf Cent pro Fahrt durch den Park. 1921 stiftete der Manager der Yellowstone Park Transportation Company die Kutsche der Parkverwaltung. Von dort gelangte sie 1968 in das Museum in St. Louis. Und da steht sie nun – wirklich eine Schönheit von einer Kutsche und ein Gefährt, das fast durch die halbe Geschichte der USA gerollt ist.
13. »Get Your Kicks on Route 66«
Der Mann, der das Lied schrieb, das zum Titelsong der Route 66 wurde, hieß Bobby Troup. Er nennt sich selbst einen »mittelmäßigen Pianisten, aber verheiratet mit Julie London«. Julie London, Moment mal! Ich erinnere mich: Das war doch eine von mir in den 50er Jahren heißgeliebte Sängerin. Ja, aber im Februar 1946 hieß Bobbys Ehefrau noch Cynthia, und die beiden saßen in einem Restaurant an der Pennsylvania Turnpike, mit einer Straßenkarte der USA vor sich und mit einem 41er-Buick auf dem Parkplatz. Bobby hatte gerade fünf Jahre Dienst im Marine Corps hinter sich. Nun war er entlassen. Seine Eltern besaßen gutgehende Musikgeschäfte in Lancaster und Harrisburg, die er hätte übernehmen können. Aber noch im College hatte er einen großen Treffer als Schlagerkomponist mit »Daddy« gelandet, mit dem Nr.-1-Song auf den Hitlisten des Jahres 1941.
In dem Text bittet ein hübsches kleines Mädchen, a young doll, wie es im Amerikanischen unübersetzbar heißt, ihren Sugar-Daddy, was verwöhnender Vater, älterer reicher Liebhaber, aber auch Zuhälter heißen kann, ihr doch ein neues Auto, Champagner und Kaviar zu kaufen, da er doch immer nur das Beste für sie wolle! Das Lied war vor allem durch Tommy Dorsey bekannt gemacht geworden, und Bobby Troup war, ehe man ihn einberief, zum Songwriter des bekannten Bandleaders avanciert.
Aus der Armee entlassen, versuchte er seinen Lebensunterhalt als Songplugger, als Schlagerkomponist, zu verdienen. Mancher Leser wird vielleicht über das Wort »Songplugger« stolpern. Man hat sich das so vorzustellen: Die großen Musik- und Schallplattenfirmen hatten in ihren Büros ein Zimmer, in das wurden die Komponisten eingesperrt, und was sie dort komponierten, führte man prominenten Schlagersängern oder Bandleadern in der Piano-Fassung vor. Was deren Zustimmung fand, wurde produziert, den Rest konnte der serienmäßig schreibende Plugger vergessen. Es war dies durchaus ein ehrenwerter Beruf. Beispielsweise hat George Gershwin seine Karriere als Songplugger in New York begonnen. Um die Zeit, da die Armee Bobby ins Privatleben heimschickte, gab es eigentlich für eine solche Karriere nur zwei Orte: New York oder Los Angeles. Und so hatte das junge Paar den Buick vollgepackt und war unterwegs in den Westen.
American Memories
»Erst nachdem die ganze Weite des nordamerikanischen Teilkontinentes erschlossen war, entstanden Lieder und Balladen, die sich als eigenständige amerikanische Volkslieder bezeichnen lassen.
Es handelt sich dabei um einen Typ des Volksliedes, der zwischen Ballade und Moritat steht und wohl ursprünglich nicht selten bei der Verbreitung von Sensationsmeldungen wie Mordfallen, Bankeinbrüchen und Eisenbahnräubereien eine Rolle spielte. Diese Moritaten-Lieder wurden oft mit groben Holzschnitten oder Kupferstichen, welche den dramatischen Höhepunkt eines solchen ›Kriminalfalls‹ darstellten, auf Handzettel gedruckt und kamen als eine Art von ›musikalischer Zeitung‹ in den Handel. Sie erfreuten sich vor allem an abgelegenen Orten großer Beliebtheit. Andererseits drang auch auf dem Umweg über solche Lieder nicht selten Kunde von melodramatischen Ereignissen zu den Bewohnern der Staaten an der Ostküste, die schon zu guten Bürgern geworden waren und quasi im Lehnstuhl zurückgelehnt mit wohligem Gruseln die wilden Umstände eines Lebens im Westen zur Kenntnis nahmen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, mit Einsetzen der Industrialisierung und Vollendung eines dichteren Straßen- und Eisenbahnnetzes, tauchte dann eine ganz andere Art des Volksliedes auf. Die einzelnen Berufe wählten sich heroisierte Vorbilder, die sogenannten ›Patrons‹, deren Leben und Taten in Wort und Lied dargestellt wurden.«
Frederik Hetman, Amerika singt
Cynthia war die Tochter wohlhabender Eltern aus Philadelphia, und der Vorschlag kam von ihr: »Warum schreibst du nicht ein Lied über die Route 66? Das ist die Straße, auf der wir fahren!«
Bobby sah auf die Straßenkarte und sagte: »Sei nicht kindisch, Cynthia, auf die 66 kommen wir erst kurz vor Chicago und bleiben dann drauf bis L. A.«
Für eine Weile unterließ es Cynthia, ihm Vorschläge für neue Lieder zu machen, aber irgendwo in Illinois flüsterte sie ihm dann ins Ohr: »Get your kicks on Route 66!«
Das Lied, das dann entstand, hat wahrscheinlich mehr zur Popularität der Route beigetragen als die Promotion-Firma, die der Vater der Route 66 gegründet hatte, um sie bekannt zu machen. Robert William Troup schrieb noch unterwegs die Melodie und etwa die Hälfte des Textes:
»If you ever plan to motor west
Travel my way, take the highway
That’s