Frank Winter

Bittere Orangen im Glas


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verraten, sagen Sie?«

      »Nein. Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen.« Mit etwas Distanz wäre alles lustig. Doch stand zu befürchten, dass Mrs Howatson ihm für immer und ewig beim Marmeladenkochen Gesellschaft leistete. Als sie versuchte, einen Blick auf den Dutt zu erhaschen, musste er beinahe lachen.

      »Duftet es hier nach Schinken, Mister MacDonald?«

      Sollte er die Aussage verweigern? Es wäre der Albernheit Gipfel gewesen. »Bereiten Sie eine Fleischpastetenfüllung zu?«, fragte sie herausfordernd.

      »So ähnlich.«

      »Was blubbert im Topf so schön? Schinken ist es kaum. Sauerkirschen! Für Marmelade, stimmt’s?«

      »Jawohl.«

      »Nach eigenem Rezept?«

      »Natürlich, nur so!«

      »Apo entwickelt ebenfalls eine Marmelade, die …«

      »Ich versichere Ihnen, noch niemals Rezepte gestohlen zu haben, Mrs Howatson! Darf ich fragen, woher Sie meine Adresse kennen?«

      »Telefonbuch.«

      »In dem stehe ich nicht.«

      Sie patschte eine Hand auf die andere. »Rona, Dummerchen, du! Internet.«

      »Ebenfalls unmöglich.«

      »Apo dann.«

      Immer diese Verstümmelung von Namen! Wieviel Zeit nahm es in Anspruch, die letzten beiden Silben noch auszusprechen? Lo-nia. Ein Wickelkind schaffte das!

      »Apo hat Ihre Adresse von diesem italienischen Gentleman bekommen, Mister …«

      »Ja?« Er würde ihr nicht den Gefallen tun, auf den uralten Trick reinzufallen und den Namen auszusprechen.

      »Vitiello. Alberto mit Vornamen. Jawohl.«

      »Miss Apolonia arbeitet also an einem Marmeladenbuch?«

      »Schön wäre es! Die Kleine ist nicht sehr konzentriert momentan.«

      »Nach zwei schweren Anschlägen verständlich, oder?«

      »Ach, sie politisiert mir zu viel!«

      »Die Broschüren …?«

      »Meines Erachtens vergeudet sie ihre Zeit. Politik sollte man Profis überlassen.«

      »Williams Rede!«

      »Ihr Herr Bruder?«

      »Sie kennen ihn?«

      »Nur aus Zeitungsartikeln. Entschiedener Vertreter schottischer Unabhängigkeit.«

      »Wie alle Abgeordneten der Scottish National Party, ja. Immerhin leben wir in einer englischen Kolonie.«

      »Spielen Sie auch mit dem Gedanken zu politisieren?«

      »Gott bewahre, nein!«

      »Sie wissen, wo Ihre Stärken liegen, Mister MacDonald. Das lobe ich mir.« Mrs Howatson schaute ihn treuherzig an. »Könnten Sie mir bitte einen Gefallen tun?«

      »Worum handelt es sich?«

      »Mit Apo reden, wegen ihres Abgabetermins für das Buch …«

      MacDonald zuckte zusammen.

      »Verzeihen Sie außerordentlich. Ich hätte das nicht fragen sollen.«

      »Nein, ist schon gut. Doch warum sollte sie ausgerechnet auf mich alten Knochen hören?«

      »Stichwort Hoffnungsschimmer. Alle, die ihr nahestehen, blieben erfolglos.«

      »Lieber würde ich mich auf die Ermittlung der Täter konzentrieren.«

      »Große, große Gegner.«

      »Warum sagen Sie das?«

      »All diese Faltblätter und Broschüren, die Missstände beweinen … der erste Täter sagte es auch: Schreib endlich mal etwas Kluges, Mädchen!«

      »Davon hat uns Miss Apolonia gar nichts erzählt.«

      »Sie erwähnten doch selbst, dass Sie Apo nicht gut kennen. Völlig andere Frage, Mister MacDonald. Sind Sie mit Ihrem Verleger zufrieden?«

      »Durchaus, ja. Weshalb?«

      Mrs Howatson patschte auf den Dutt und die Stricknadel vibrierte. »Ich bin vom Fach. Sie erinnern sich? Werden Sie mit Apolonia kommunizieren?«

      »Gewiss, Mrs Howatson.«

      »Mehr darf ich nicht erwarten, oder?« Sie zwinkerte ihm zu und legte eine Visitenkarte auf den Tisch. »Kreative Autoren sind uns stets willkommen.«

      Gütiger Gärbottich!2 Was sollte das bedeuten? Am besten gar nicht darauf eingehen. »So machen wir es, Mrs Howatson.« War sie nun mütterliche Verlegerin oder der harte, abgebrühte Typ, immer nur ans Geschäft denkend? MacDonald bezweifelte, dass Alberto seinen Wohnsitz ausposaunt hatte. Auf Mrs Howatsons Visitenkarte standen nur Name und Website. Der Verlag war ihm kein Begriff …

       »Wenn ich früher vormittags einen Freund besuchte, wurde ich gefragt, ob ich schon einen Whisky hatte. Heutzutage werde ich gefragt, ob ich Tee möchte.«

      William Macintosh of Borlum (1662–1743):

      »Essay on Ways and Means of Enclosing«

      2 MacDonald spielt auf einen wichtigen Schritt in der Whisky-Produktion an: Wenn das Gerstenmalz mit Hefe und heißem Wasser gemischt wird, fängt es gewaltig zu gären an.

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