Reiner Hänsch

100.000 Tacken


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man es also nicht nur ausgezeichnet, Uhren, Handtaschen, DVDs, Schuhe und Klamotten der westlichen Konsumwelt zu fälschen, sondern auch unser gutes Geld. Auch die Italiener sollen an diesem Geschäft nicht ganz unbeteiligt sein. Vielleicht spreche ich auch noch mal mit Gaetano, unserem Lieblingsitaliener im Ort.

      Mit Briefträger Fauseweh habe ich schon gesprochen. Der hat den Fünfziger an der Aral-Tankstelle in Sundern bekommen, nachdem er mit einem schwerverdienten Hunderter bezahlt hat. Tja, und der Tankwart weiß natürlich nicht mehr, woher der Fünfziger gekommen ist. Kann man verstehen. Und auch die Auswertung des Überwachungsvideos hat wohl nichts gebracht, wie mir der Tankwart noch sagen konnte. Die Polizei tappt jedenfalls im Dunkeln.

      Natürlich steht die ganze Sache schon heute in der WAZ. „Vorsicht: Falsche Fünfziger!“ hat der Kollege getextet.

      Naja, nicht besonders originell, aber egal. Ja, sie sind natürlich immer schneller, die werten Kollegen, aber da kann man nichts machen. So ist das eben bei einer Tageszeitung.

      Aber vielleicht sind sie nicht ganz so genau wie wir. Unser wöchentlicher Sauerlandbeobachter hat bisher immer damit gepunktet, Hintergründe zu zeigen, viel informativer zu berichten und vielleicht sogar auch aufzudecken. Jawohl, so wie im letzten Jahr die Korruptionsgeschichte mit unserem ehemaligen Bürgermeister und der Sache mit diesem geplanten schrecklichen Wellnesskasten auf dem Selbecker Kopp, den keiner da haben wollte. Ein Monstrum. Ein ganzes Naturschutzgebiet sollte dafür geopfert werden. Nicht mit uns!

      Da haben wir als kleines Anzeigenblättchen quasi alles aufgedeckt und in letzter Minute verhindern können. Ulli, der Don und ich. Und so könnte es vielleicht diesmal auch wieder laufen. Ich werde also alles daran setzen, Licht in diese Falschgeldsache zu bringen.

      Vielleicht sollte ich doch die Headline ändern. Wie wär’s mit „Blüten vor Weihnachten! Falschgeld im Sauerland“?

      Ja, schon viel besser.

      ***

      Herr Beckebanz von der örtlichen Sparkasse bietet uns freundlich die beiden Stühle vor seinem geometrisch, fast autistisch aufgeräumten Schreibtisch in seinem Büro in der Darlehensabteilung an und schaut dann sehr freundlich, aber erwartungsvoll. Einmal noch sieht er kurz auf seine Armbanduhr und ordnet mit strenger Miene ein paar Papiere.

      „Allso, wat kannich für Sie tun, lliebes Ehepaah Knippschilld?“, eröffnet er steif und nasal wie mit einem schweren Schnupfen das spannende Match, aber seinen Sauerlanddialekt kann er trotzdem nicht verbergen. Besonders die Ls wälzt er breit und feucht in seinem weichen Maul herum. Er erinnert mich mit seinen dicken Lippen an diesen Fürsten aus den bunten Blättern. Wie heißt der noch gleich? Schaumburg-Irgendwas.

      „Tjaa …“, sage ich erst mal, um etwas Anlauf zu nehmen und mich warm zu machen, versuche, ganz locker zu wirken und es mir in dem sehr sachlichen ledernen Bürostuhl irgendwie bequem zu machen.

      Es gelingt mir aber nicht so recht. Vielleicht sind diese Stühle ja absichtlich so gebaut, dass man es sich nicht allzu bequem machen soll. Ich glaube, sie sind auch ein paar Zentimeter niedriger als die Stühle der Damen und Herren Sparkassengeier, oder ich schaffe es eben einfach nicht, mich in dieser Atmosphäre gut und bequem zu fühlen. Ich weiß es nicht. Banken haben für mich schon immer etwas Beklemmendes gehabt, seit ich in ganz jungen Jahren immer wieder vor dem Bankschalter zittern musste, weil es nie sicher war, ob ich tatsächlich auch Geld bekam. Gut, damit ist es nun eigentlich vorbei, aber so ein Gefühl bleibt.

      Und jetzt brauchen wir also wieder Geld, weil Onkel Günter es ja nun leider nicht geschafft hat, genügend Kohle für seine lieben Erben auf die Seite zu schaffen, damit die sich ein schönes Haus kaufen können, um damit für alle Zeiten abgesichert zu sein. Naja, wir wollen mal nicht undankbar sein.

      Aber: Wir brauchen mehr Geld. Ganz einfach.

      Ich erkläre Herrn Beckebanz unser Vorhaben und er scheint interessiert. Sehr interessiert sogar, wenn man seine Ohren beobachtet. Die bewegen sich in etwa so, wie die von Herkules in der Redaktionssitzung, wenn er erhöhte Aufmerksamkeit zeigt und durchaus bereit ist, einem gleich freudig durchs Gesicht zu lecken. Das ist jetzt bei Herrn Beckebanz sicher nicht zu erwarten. Aber er freut sich auch.

      „Dat höat sich ja allles sähr gut an, wolll“, näselt Herr Beckebanz dann so vor sich hin und ich spüre jetzt schon, dass er uns das Geld geben wird. Ja, er macht es. Er zögert es nur taktisch klug noch ein wenig heraus, um seine billige kleine Machtposition ein wenig auszukosten, eine kleine Show abzuziehen. Soll er.

      „Un de Substanss?“, fragt er dann als Erstes. Aber mit dieser Frage kann er mir ja nun gar nichts. Darauf bin ich vorbereitet.

      „Sehr gut!“, antworte ich ohne nennenswerten zeitlichen Versatz.

      „Volll vermietet?“, fragt er dann. Ts, ts, ts, er meint doch tatsächlich, dass er es mit Anfängern zu tun hat.

      „Voll vermietet! Natürlich“, schieße ich umgehend zurück. „Alles nette Leute!“

      Ich weiß auch, dass er als Nächstes „Gute Lage?“ fragen wird, und genau das macht er.

      „Sehr gut sogar“, sage ich und lehne mich in meinem unbequemen Sitzmöbel zurück.

      „Ich fraach dat ja nur, weill wir normaallerwaise ein‘ Gutachter rausschicken, um dat Haus zu bewärten, wolll. Lleider is‘ unser Gutachter zur Zait in Urllaub …“

      „Brauchen wir nicht“, sage ich und schüttele energisch den Kopf und blicke kurz zu Steffi hinüber. Sie sitzt auch nicht besonders bequem auf diesen Stühlen. „Sie können sich drauf verlassen. Das Haus ist super!“

      Dann nickt er nachdenklich und schreibt etwas auf einen Zettel. Er scheint also etwas auszurechnen. Das macht die ganze Sache noch ein wenig spannender. Steffi sieht mich an und auch sie spürt, dass es jetzt wohl drauf ankommt. Hit oder Niete? Geld oder Liebe?

      „Allsooo“, sagt Beckebanz dann schwer gedehnt, „ich denke … da llässt sich wat mach’n, wolll, besonders, wo Se ja sellbs über fast de Hällfte vonne Summe sogar an Aigenkapitaall verfüg’n.“

      „Mehr als die Hälfte!“, protestiere ich. Kann dieser Autist nicht rechnen?

      „Naja, Se müss’n natürllich de Erbschaftsstoier bedenk’n, die wird mit gut fünfzehn, sechzehntausend zu Buche schllagen, un außerdem komm’n ja noch de Kaufneb’nkost’n auf Sie zu. Die müss’n Se natürllich auch bedenk’n, wolll.“

      „Jaja, natürlich.“

      Er merkt sofort, dass ich keine Ahnung habe, wovon er redet, und sagt dann „Notahkost’n, Grunderwärbssteuer, Grundbuchaintragung, Makller muss ja getz der Verkäufer … insgesamt so umme zehn Prozent, wolll.“

      „Jaja, klar“, sage ich, „Makler ist aber umsonst.“

      „Ja, egal.“ Herr Beckebanz wundert sich trotzdem, und ich nicke ansonsten eifrig, als ob das schon längst alles eingeplant sei.

      „Tja,“ sagt Beckebanz da seufzend, „dann solllt’n we beim Kaufprais von Einhundertachtzichtausend vellleicht eher über Einhundertzwanzichtausend alls Kredit nachdenk’n, wolll. Plus dat Gellld von Ihrem Onkel Günter haut dat dann doch hin.“

      Das sind natürlich Beträge, über die ich bisher eigentlich eher seltener nachgedacht habe. Kredit ist auch kein schönes Wort und mir ist etwas schwindelig, aber das geht ja auch wieder vorbei.

      Gut, also Erbschaftssteuer, Nebenkosten. Mist. Dann eben Einhundertzwanzigtausend. Phh. Mir doch egal. Herr Beckebanz will sie uns ja geben. Na dann, her damit! Ich kneife Steffi ein Auge, so dass Herr Beckebanz es nicht sieht. Der rückt die Kohle raus.

      Aber dann geht es erst los.

      „Wir könnt’n Ihn‘ Follgendes anbiet’n, wolll“, sagt Beckebanz und holt ganz tief Luft:

      „EinhundertzwanzichtausendEurozuEinsKommafünfProzentEinsKommafünfsechsProzentäffäktivbeieineLlaufzeitvonzehnJahreundeineBelleihungvonsächzichProzentunzwaiProzentTillgungmiteinemonatllicheRatevondraihundertsechsunvierzichEurodreiundreißich.“