Funny van Dannen

An der Grenze zur Realität


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bist klein, wendet die Kiwi ein.

      Wir waren viele, entgegnet die Wimper. Dann fiel ich aus, jetzt bin ich frei.

      Frei!, ruft die Kiwi. Was du für Wörter kennst!

      Was heißt denn das schon wieder? Ich bin nicht mehr am Menschen dran, erklärt die Wimper, und du nicht an der Pflanze. Wir sind frei, wir können gehen, wohin wir wollen.

      Ich kann nur rollen, sagt die Kiwi. Aber nur wo’s schräg ist oder wenn mich jemand schubst. Kannst du dich selbst bewegen?

      So gut wie, meint die Wimper. Ich arbeite eng mit der Luft zusammen.

      Es wird hell, bemerkt die Kiwi. Ich liebe das.

      Das nennt man Tag, sagt die Wimper, das kommt vom Sonnenlicht.

      Ich liebe Tags!, ruft die Kiwi.

      Das heißt Tage!, schreit die Wimper. Tage!!! Lern endlich Deutsch, du dummes Obst!

      Tu ich doch die ganze Zeit, sagt die Kiwi leise. Wie heißt der Himmel jetzt? Die Wimper schweigt.

      Ach bitte!, ruft die Kiwi. Nur dieses eine Wort noch!

      Morgenrot!, schreit die Wimper. Morgenrot!!!

       Menage à trois

      Zwei Steinbeißer hatten sich gleichzeitig in eine alte mor­sche Schiffsplanke verliebt und kämpften um sie. Das Holz hasste Gewalt und bot an, sich mit beiden gleichzeitig zu paaren.

      Und dann bekommst du von uns beiden Kinder?, fragten die Fische gleichzeitig.

      Vielleicht, sagte das Holz, vielleicht auch nicht.

      Da paarten sich die Steinbeißer am einen und am anderen Ende mit dem Holz. Es genoss die Paarung sehr, war aber unfruchtbar.

      Immer wieder kamen die Steinbeißer angeschwommen und paarten sich mit dem Holz, bis es ihnen dämmerte, dass es keine Nachkommen geben würde, da waren sie schon alt und schwach.

      Warum hast du uns angelogen?, fragten sie das Holz.

      Liebt ihr mich oder nicht?, fragte das Holz zurück.

      Ja schon, brummten die Steinbeißer. Aber wir hätten uns fortpflanzen sollen!

      Nein, sagte das Holz. Eure Instinkte sind im Eimer. Wer sich in morsches Holz verliebt, pflanzt sich nicht fort, das ist nur folgerichtig.

      Ach so, sagten die Steinbeißer, und schwammen mit geschlossenen Augen fort.

       Schule für Große

      Folge 287

      In Kunst sollten wir Jesus malen.

      Ihr seid doch alle Christen, oder?, fragte Frau Christiansen.

      Keiner sagte nein.

      Darf ich Wachsmalkreiden nehmen?, fragte Sonja.

      Was ihr wollt, sagte Frau Christiansen. Hauptsache, es wird ein gutes Bild.

      Alle gaben sich große Mühe. Obwohl viele von der Kirche nicht viel halten, spürte man den Willen, Jesus gerecht zu werden. Ich glaube, alle mögen ihn. In den letzten Stunden vor den Ferien wurde dann über die fertigen Werke gesprochen.

      Eugen, fragte Frau Christiansen, warum hast du Jesus am Kreuz gemalt?

      Weil das für ihn am typischsten ist, sagte Eugen.

      Und warum splitternackt und grellgeschminkt? Bist du homosexuell?

      Nein, sagte Eugen. Ich mag Glamour, das ist alles.

      Gut, sagte Frau Christiansen, gefällt mir gut! Auch der Hund unten am Kreuz. Ist das Jesus’ Hund?

      Nein, meiner, sagte Eugen. Er soll Treue über den Tod hinaus symbolisieren.

      Aha, sagte Frau Christiansen. Auch gut. Und du, Sonja, warum hat dein Jesus Brüste und einen Stringtanga?

      Weil er eine Frau ist, sagte Sonja.

      Wie finden die anderen das, fragte Frau Christiansen. Darf man Jesus als Frau malen?

      Von mir aus, sagte Peter. Aber der Papst würde bestimmt abkotzen.

      Peter, bitte!, ermahnte ihn Frau Christiansen. Drück dich gewählter aus. Hillary?

      Der Jesus war ein Mann, das ist verbürgt. Den darf man nicht als Frau darstellen, das ist historisch falsch.

      Richtig, sagte Frau Christiansen und sah mein Bild sehr lange an.

      Ich hatte es mit Deckfarben angelegt und fand es sehr gelungen. Um nicht zu sagen: extremistisch ausdrucksstark.

      Ja, sagte Frau Christiansen, nicht schlecht, ich meine, es hat eine gewisse Wucht. Auch durch die dicke schwarze Brillenfassung. Kann man machen, aber historisch natürlich genauso falsch wie Sonjas Bild. Solche Brillen gab es damals mit Sicherheit nicht. Und dann, ich muss schon sagen, mich erinnert dieses Portrait doch arg an diesen französischen Philosophen, diesen kleinen, hässlichen Kerl, wie hieß er doch?

      Meinen Sie Sartre, fragte Udo, den Vater von Jacqueline Bouvier?

      Ja, sagte Frau Christiansen. Aber das war nicht der Vater von Jacqueline Bouvier, der späteren Jackie Kennedy und noch späteren Onassis. Du meinst den Lebensgefährten von Simone de Beauvoir, nicht zu verwechseln mit Simon de Bolivar.

      Sie lachte.

      Manchmal seid ihr aber auch zu doof! Na, wie auch immer. Glaubt ihr, Jesus hätte so großen Erfolg gehabt, wenn er so hässlich wie Jean-Paul Sartre gewesen wäre?

      Nein, sagte Dunja, sicher nicht. Zum Erfolg gehört immer eine gewisse Ansehnlichkeit. Ich glaube nicht, dass wir in einem eher hässlichen Mann den Sohn Gottes sehen würden.

      Seh ich auch so, meinte Frau Christiansen. Einen hässlichen Erlöser will keiner, der muss schon schön sein.

      Ich war schockiert und sackte im Stuhl zusammen.

      Sie sah mich an. Ja, ist so!, rief sie. Kann ich auch nicht ändern, und würde ich auch gar nicht wollen. Dein Bild ist gut. Authentisch, nachhaltig, alles. Aber der Mensch will Schönheit, Schönheit und Wahrhaftigkeit und Heiligkeit und Mut und Klugheit, alles, alles, aber ohne Schönheit kannst du nichts verkaufen.

      Ich sackte immer tiefer, ich rutschte vom Stuhl unter den Tisch und leckte vor Abscheu über die Worte der Lehrerin den Boden ab.

      Nun schaut euch den Gestörten an!, sagte Frau Christiansen. Nur weil er die Realität nicht erträgt, leckt er den Boden ab!

      Sie ging zum Pult und schrieb einen Tadel ins Klassenbuch. Dann schickte sie mich hinaus, um meine Zunge abzuwaschen. Als ich wiederkam, sprachen sie über Udos Bild. Er hatte Jesus als sympathischen Fisch in der Mitte des Ozeans dargestellt, die anderen Fische freundlich und interessiert lauschend drumherum, manche hatten sogar Ohren. Lauschende Fische! Ich lag schon wieder fast am Boden. Sogar die Haie guckten nett, mit nach oben gezogenen Mundwinkeln.

      Sehr poetisch, sagte Frau Christiansen. In dir scheint ein kleiner Franz von Assisi zu stecken, was?

      Udo von Assisi, flüsterte ich Dunja ins Ohr.

      Sag es uns allen, sagte Frau Christiansen, los!

      Oh, sagte ich, nichts Besonderes!

      Bitte, sagte sie, es interessiert uns.

      Na gut, ich sagte: Der heilige Franziskus und Dschingis Khan waren Zeitgenossen. Stellen Sie sich vor, es hätte damals schon das Fernsehen gegeben, und die beiden zusammen in einer Talkshow!

      Unsinn, sagte Frau Christiansen, du redest nur Unsinn! Ich müsste dich schon wieder tadeln.

      Der Papst und sagen wir mal Präsident Obama würden heutzutage auch nicht zusammen in einer Talkshow auftreten. Die müssen ihre Bücher dort gar nicht bewerben. Und Dschingis Khan konnte nicht mal schreiben.

      Frau Christiansen, sagte ich. Sie machen auch Fehler.