Reiner Hänsch

Rotzverdammi!


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nä. Is’ die Tochter von meine Frau, die Rita. Bin getz nämmich verheiratet, musse wissen. Un Lenas Vatter is’ Uli Flasche. Müsstesse noch kenn’. War früher mit die Rita zusamm’.“

      Uli Flasche kenne ich nicht.

      „Lena is ’n Flaschenkind, woll! Hahaha.“

      Dann ist es eine Weile still, die kleine Lena sieht mich interessiert an und popelt in der Nase und Klaus sagt dann: „Tja, chehs’ wohl auch nach Pollmanns hin getz, woll?“

      „Ja“, antworte ich. „Da wollte ich jetzt hin.“

      „Ja los, dann cheh’n we zusamm’n, woll?“

      Und dann stiefeln wir gemeinsam los und so langsam kommt eine längst fällige Unterhaltung in Gang. Wir erzählen uns in einem Affenzahn, was in den letzten fünfundzwanzig Jahren so alles passiert ist. Schade, dass es bis zu Pollmanns nicht so weit ist.

      „Sag mal, Klaus, hast du eigentlich mal wieder was von Henni gehört?”

      6

      Zosch und ab!

      Ja, ja, da war einmal vor langer, langer Zeit eine Band „zugange“. Und mit Gitarren, Bass, Schlagzeug und einer schweren, braunen Orgel machte diese Band sehr schöne und sehr laute Musik. Und das war meine Band. Wir waren vier junge Männer, möglichst lässig und unerschrocken, und einer, der nicht ganz so lässig war. Aber der durfte trotzdem mitmachen, obwohl er außerdem noch eine dicke Brille hatte, leider nur kurze Haare, dafür aber einen sehr uncoolen Schnäuzer, einen Strickpullover, hellbraune Cordhosen und einen gelben Opel Manta. Aber: Er hatte eine große, tolle, braune Orgel, und darum war er dabei. Also waren wir fünf.

      Ich, Gesang, Gitarre, Klaus Klüter, Bass, Günter „Günni“ Niggeloh, Solo-Gitarre, Harald Lüsebrink, Schlagzeug, und eben Horst „Holger“ Asbeck. Das war der mit der Brille, der Orgel, dem Schnäuzer und dem Manta. Und er hieß bei uns Holger, weil … naja, weil es einfach besser passte als Horst – zu ihm, zur Orgel und auch zum Manta, fanden wir.

      Ich hatte damals einfach mal so für mich angefangen, Lieder zusammenzubasteln. Komponieren hätte ich das nicht genannt. Und texten war auch nicht so schwer, fand ich. Ich habe immer ziemlich gerne gereimt und es kam auch meistens was rundum Lustiges dabei heraus. Dann ein paar Akkorde dazu, ein paarmal kräftig schütteln, und schon kommt unten eine schöne Melodie heraus … und dann ist wieder ein Song fertig. Das hat Spaß gemacht hat. Und was sollte ich auch sonst tun? Das Studium der Sozialwissenschaften war einfach zu viel verlangt. Nie bekam ich diese staubigen Bücher zu Ende gelesen, die man uns zur Anfertigung wissenschaftlicher Arbeiten dringend empfahl. Ich konnte das einfach nicht. Ich war schließlich außerdem vielbeschäftigter Mitarbeiter eines musikalischen Unterhaltungs-Trios, das Oehme-Trio hieß, nach dem Gründer und Organisten Hans-Günther Oehme. Wissen Sie, bei dieser Art von Bands war der Tastenmann immer der Chef, also Hans-Günther. Ganz anders als im Rockbusiness, wo Keyboarder im Allgemeinen eher naserümpfend geduldet sind. Diesem sagenhaften Oehme-Trio gehörte ich lange Zeit fest an, um hin und wieder die Rechnungen eines ganz normalen Lebens zu bezahlen.

      Dass dieses Trio seine unvergleichlichen Künste allerdings auf Polterabenden, Schützen-, Betriebsfesten und ähnlichen Besäufnisfeierlichkeiten zeigen musste, war außerordentlich erniedrigend. Ein schmutziges Geschäft, wenn man bedenkt, dass zum festen Repertoire immerhin „Schöne Maid“, „La Bostella“ und „Rucki Zucki“ gehörten.

      Aber die Zugehörigkeit zu dieser musikalischen Vereinigung war sehr einträglich und daher erst mal doch gar nicht so übel, wenn man immer das gute Gefühl eines knisternden Hundertmarkscheines in der Gesäßtasche haben wollte. Außerdem war ich auch noch aktives, singendes Mitglied einer Blueskapelle, deren übrige Mitglieder von mir aber auf jeden Fall original englisch-amerikanische Texte abverlangten, die ich mittels eines Oxford Dictionnarys mühevoll zusammensetzte und mit einem lange eingeübten Slang vortrug. Das mühevolle Zusammensetzen machte aber keinen Spaß, der Slang war auch bescheuert und da fing es bei mir mit den deutschen Texten an.

      Und ich hab’ mich dann auch, im Gegensatz zu vielen anderen, getraut, deutsch zu singen. Da war ich in den siebziger Jahren noch auf ziemlich gefährlichem Terrain unterwegs. Man lief immer Gefahr, dass die Leute mit dem Finger auf einen zeigten und böse Worte wie „Peter Kraus“ oder sogar „Karel Gott“ sagten.

      Aber irgendwie schienen wir mit der ganzen Sache etwas getroffen zu haben. Etwas, das ja noch bis heute anzudauern scheint. Vielleicht waren die Texte doch mehr als nur nett und die Kompositionen mehr als nur ganz gut. „Misthaufen“ war sozusagen unser glatter Durchbruch. Von einigen als albern und blöd belächelt, aber von noch viel mehr anderen kräftig abgefeiert.

      ZOSCH hieß unsere polterige Band nach „Zosche“, was man zu einem Bier sagen konnte, wenn man wollte. Ein Wort, das uns mal einer von den Berliner Bundeswehrflüchtigen in unsere Hühnerkackegegend mitgebracht hatte. Und da damals Bier immer in Reichweite war und wir es bedenkenlos und kubikmeterweise in uns hineingeschüttet haben – was sollte man sonst machen mitten im sauerländischen Busch –, haben wir einfach das Erstbeste genommen, was uns eingefallen ist. Und für eine mittelmäßige Sauerlandkarriere schien es uns voll ausreichend.

      Zosche – ZOSCH. Damit waren wir in unserem Sauerländer Universum erst mal ganz weit vorne.

      Unsere Songs hatten dank meiner unendlichen Kompositionskunst immer schöne runde Melodien und Zeilen, die sich wunderbar mitgrölen ließen, und nachdem dann die ersten zwanzig Menschen vor den Kartoffelkistenbühnen eifrig mitgegrölt hatten, wurden wir mutiger, haben die Songs mit zwei geliehenen Mikrofonen und dem Grundig TK 25, das meinem Vater Herbert gehörte, aufgenommen und an alle verschickt, die irgendwas mit Musik zu tun hatten. Sogar an die ganz großen, unerreichbaren und allmächtigen Plattenfirmen in Hamburg, München und Berlin. Viele haben unsere Kassetten natürlich nur mit zwei Fingern angewidert angefasst und sofort in hohem Bogen weit weg geschmissen, aber einige scheinen sie doch tatsächlich gehört zu haben.

      Zwei echte Interessenten hatten wir am Ende. Der eine hieß Rolf Schmiedel und hatte Bata Illic und Roberto Blanco in seinem Sortiment. Der andere hieß Siggi Lucht und in seiner Hamburger Plattenfirma waren unter anderem Phil Collins und Eric Clapton. Wir entschieden uns für Siggi Lucht, obwohl Rolf Schmiedel ein paarmal höchstpersönlich bei uns angerufen hatte. Der große Rolf Schmiedel. Aber es hat ihm nichts genutzt.

      Und diese tollen Hamburger Plattenleute waren sogar mit dem eigentümlichen Namen einverstanden – „ZOSCH, dascha wie bei ’ne Rakete. Zünden, ZOSCH UND AB“, sagten sie und lachten laut dabei. Und dann ging es auch ganz gut raketenmäßig los. Wir haben ein paar wichtige Musik-Wettbewerbe gewonnen und sogar wertvolle Preise eingesammelt. Ja, ja, ganz vorne mit dabei. Aber das ist noch nicht die ganze Geschichte.

      „Henni? Die wohnt getz wieder hier“, sagt Klaus fast schon so nebenbei und er bemerkt gar nicht, dass ich augenblicklich hochelektrisch geworden bin.

      „Die wohnt wieder hier?“

      „Ja, ihre Mutter hat vor einiger Zeit auch de Biege chemacht, also, den Löffel abchecheb’n, un getz wohnt se inne alte, chelbe Hütte am …“

      „… Hermann-Löns-Weg“, ergänze ich automatisch.

      „Ja, du musset ja wissen.“

      Ja, sicher. Das muss ich.

      „Alleine?“, frage ich möglichst beiläufig und ich hoffe, dass Klaus nicht merkt, dass ich nicht beiläufig genug frage.

      „Jaa, da chibbt et wohl so ’n Interessenten“, sagt Klaus mit viel Betonung auf dem letzten Wort. „Der taucht ab und zu mal hier auf, abba … ach, ich weiset nich genau. Man redet ja viel, woll.“

      Mmh. Einen „Interessenten“ gibt’s also.

      „Ja, un der Harald“, fährt er dann ungerührt fort, „der bringt dich um, wenn er dich sieht. Eiskalt.“ Dabei sieht Klaus einigermaßen ernst aus und ich muss einen Moment überlegen, ob er es auch wirklich so meint.

      „Dat is’ klar. Der is’ wie ’n Elefant, weiße ja. Der verchisst nix. Un dat du