Reiner Hänsch

Sauerland Live


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um ein kohlebetriebenes Handtelefon der ersten Generation handeln würde. „Samsung Galaxy, wenn Sie wollen.“

      Frau Pütter hat jetzt die Sammeldose für das Kinderhilfswerk auf der grauen Theke entdeckt und liest interessiert den Text darauf.

      „Die armen Kinder“, sagt sie dann und wartet darauf, dass Herr Mobilfon auch etwas dazu sagt.

      „Bitte?“

      „Naja, hier“, sagt sie und zeigt auf die Dose. „Die armen Kinder. Ich tu da mal wat rein.“

      Der Smartphone-Gelehrte verdreht die Augen, scheint nicht sonderlich erfreut über die Unterbrechung der bisher so gut gelaufenen Eröffnung seines Beratungsgespräches, wartet aber geduldig bis die spendenwillige Frau Pütter ihr Portemonnaie aus der Handtasche gepult hat und der Börse ein Zwei-Eurostück entnimmt, um es sicher in der Dose zu versenken. So, da ham die Kinder getz auch wat!

      „Vielen Dank, Frau Pütter, das ist sehr nett von Ihnen“, fühlt der Verkaufspsychologe Schimmeroth, so hieß der Mann doch, wenn ich mich recht erinnere, sich bemüßigt zu sagen und erwartet etwas ungeduldig die Fortsetzung seines Beratungsgespräches.

      „Frau Pütter!“, setzt er dann wieder mutig an, weil er ja noch so viel Neues zu verkünden hat. „Sehen Sie mal, so ein Samsung Galaxy, …“

      „Galaxie?“, fragt Frau Pütter und scheint Lichtjahre weit entfernt zu sein.

      „Ja, … Galaxie, … das hat einen 64er Speicher. 64 Gigabyte, können Sie sich das vorstellen, Frau Pütter?“

      Nein, natürlich nicht.

      „Gesichts- und Iriserkennung!“

      „Iris?“, fragt die alte Dame und denkt vielleicht an eine ebenfalls schon verstorbene gute Bekannte oder Freundin.

      „Damit sind Sie nicht nur optisch, sondern auch technisch in der ersten Liga, Frau Pütter!

      Sie weiß aber offensichtlich nicht so recht, ob sie überhaupt da hin will in diese erste Liga, und wird so langsam auch etwas unruhig auf ihrem Barhocker. Vielleicht ist der doch nicht so bequem, wie er von unten aussah.

      „Zwölf Megapixel Kamera!“, haut Herr Mobilfon schnell noch raus, um Frau Pütter von den Vorteilen dieses ganz besonderen Gerätes vollends zu überzeugen. Sie scheint ja interessiert und nahe dran, ein solches Wunderwerk erstehen zu wollen.

      „Bluetooth!“

      „Ja, ja.“

      „Ultra-High-Quality-Upscaler!”

      Frau Pütter entdeckt sich selbst im Glas der spiegelnden Wandschränke hinter Herrn Mobilfon und richtet ihre Dauerwelle ein wenig.

      „Dual Band W-Lan!“

      Da ist Frau Pütter wieder im Boot.

      „Hattat Weh-Lahn?“, fragt sie atemlos.

      „Ja, natürlich!“, jubelt der routinierte Spitzenverkäufer geschmeidig. „Hat es!“

      „Dann nehm ich dat“, sagt Frau Pütter voller Überzeugung und holt noch mal ihr Portemonnaie heraus, um es dann auch gleich zu bezahlen. „Heißt dat Weh-Lahn da drin auch ’Rastamann‘?“, fragt sie dann aber doch noch, um auch völlig sicher zu gehen, auch das richtige Weh-Lahn zu bekommen.

      Das wirft Herrn Schimmeroth etwas aus der Bahn, aber er fängt sich schnell und antwortet federnd: „Noch nicht, aber sie können es so nennen, wenn Sie wollen.“

      „Ja, dann is‘ gut“, sagt Frau Pütter, scheint sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung und fragt dann: „Wat kost‘ dat denn?“

      Da holt der Herr Schimmeroth erst mal tief Luft und ein fast nicht sichtbares Lächeln legt sich auf seine schmalen Lippen. Es ist also fast geschafft. Jetzt nur noch ein paar Details und das schöne schnelle Geschäft ist perfekt.

      Das ist doch ein perfider Hund, dieser Schimmeroth, denke ich so, und auch Max scheint mit mir ausnahmsweise mal einer Meinung zu sein. Der Kerl will ihr da ein sündhaft teures Handy andrehen, mit dem diese Frau doch überhaupt nichts anzufangen weiß und das sie doch technisch und wahrscheinlich auch finanziell total überfordert. Das ist ja wohl …

      Das Portemonnaie der armen Frau Pütter liegt jetzt auf der grauen Theke und sie wartet auf eine Antwort.

      „Liebe Frau Pütter, Sie werden es vielleicht nicht für möglich halten, aber dieses Gerät bekommen Sie für EINEN Euro!“

      Sie fingert wenig beeindruckt einen Euro aus dem ledernen Geldspeicher und reicht ihn an Herrn Mobilfon weiter, um ihm dann direkt ihr neu erworbenes Handy aus der Hand zu reißen und es sehr zufrieden anzusehen.

      Der Herr der Handy-Welten ist einen kurzen Augenblick zu verdattert, um schnell zu reagieren und es direkt wieder in seinen Besitz zu bekommen, denn so geht das Geschäft ja nicht. Außerdem versucht Frau Pütter jetzt auch schon, den Abstieg vom Barhocker zu beginnen.

      „Moment!“, sagt Herr Mobilfon da erst mal und kommt eilig hinter seiner Theke hervorgesprintet, so einfach wäre das alles ja nicht. Doch Frau Pütter hat gar keine Zeit und Aufmerksamkeits-Kapazitäten frei, um dem jetzt etwas nervösen Mann zuzuhören, weil ihre Füße sich in den Chromspangen des modernen Stuhls verfangen haben und sie erst mal untenrum alles sortieren muss. Beide Handys dabei fest umklammert. Sie bringt sich damit in die Gefahr, einfach vom Stuhl zu kippen.

      „Sie müssten dann natürlich für weitere zwei Jahre der Firma Handyfone ihr Vertrauen schenken und hier unterschreiben“, sagt dieser Haderlump mit sabberndem Maul und hat das entsprechende Verfügungspapier schon in den zitternden Händen. Die Frau ist noch immer im Chromstuhl gefangen …

      … und da raste ich aus. Zugriff!

      Ich sehe Max nur kurz an und er mich und dann hat er begriffen: Der Alte dreht durch!

      Oh, nein! Wie peinlich ist das denn jetzt wieder? Mitten im Handyladen! Er dreht er sich augenrollend weg, weil er für solche Situationen leider noch zu wenig Verständnis hat. Das muss er erst noch lernen, in solchen Sachlagen auch angemessen zu reagieren, Ungerechtigkeiten sofort zu registrieren und wirksam zu bekämpfen. Den Unterdrückten muss geholfen werden. Sofort!

      Na gut, um die Erziehung meines Sohnes in diesen zwischenmenschlichen Angelegenheiten muss ich mich dann eben später kümmern. Jetzt geht es erst mal um das Leben dieser armen Frau.

      Ich schreite also umgehend zur Tat. Wie einer der sieben Aufrechten aus dem so ähnlich genannten Kinofilm nähere ich mich dem Geschehen, helfe zunächst der alten Frau, ihre Füße zu entwirren, um nicht abzustürzen. Es gelingt und Frau Pütter hat wieder festen Boden unter den noch etwas wackeligen Füßen. Und dann schalte ich mich diplomatisch in das quasi noch laufende Verkaufsgespräch ein, während Max das Loch zum Verschwinden sucht.

      „Sie Halsabschneider!“, beginne ich erst mal recht formlos in Richtung des gnadenlosen Kopfgeldjägers Schimmeroth. „Sie wollen hier einer armen alten Frau ein scheiß Handy aufschwatzen, das sie überhaupt nicht braucht, sie für zwei Jahre in einen Vertrag zwingen, den sie überhaupt nicht versteht und den sie auch nicht braucht. Sie sind ein Betrüger!“

      Mir gehört augenblicklich die Aufmerksamkeit des gesamten Ladens einschließlich von Frau Handyfone-Heggemann, die das Ganze mit gewisser Genugtuung zu beobachten scheint, ohne einschreiten zu wollen. Soll ihr blöder Chef doch zusehen, wo er bleibt, wenn dieser Amokläufer, also ich, ihm gleich an die Gurgel geht. Sie würde sein erbärmliches Leben sicher nicht retten.

      Auch Frau Pütter verfolgt mein Eingreifen interessiert aber noch etwas unschlüssig, wem ihre Sympathien gehören, weil sie wohl noch nicht abzuschätzen vermag, auf welcher Seite dieser neue Mann in ihrem Leben, also ich, jetzt gerade kämpft.

      „Sie brauchen das nicht, Frau Pütter!“, sage ich, meinen scharfen Ton von eben extrem heruntergepegelt und in eine säuselnde Hypnosestimme verwandelt, nehme ihr das intergalaktische Han­dy, das sie soeben erworben hat, wieder ab und knalle es auf die Theke des Hauses Handyfone, dass Schimmeroth, der gemeine