Harald Kiwull

Knall 2


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die Waffe vermittelt wurde.“

      „Stimmt“, antwortete ich ihm. „Und Sie haben mir dann mitgeteilt, sie sei sauber.“

      Haken zögerte einen Augenblick. „Ja schon, das stimmt.“ Er machte eine Handbewegung zu Nielsen, der sich einmischen wollte.

      „Ich habe die Waffe damals zum Landeskriminalamt gegeben. Dort ist ein Schuss aus der Waffe abgegeben und die Patrone und auch die Hülse überprüft worden. Die Schartenlinien der Projektile sind wie ein Fingerabdruck, also vollkommen eindeutig. Vergleichsabdrücke waren nicht vorhanden. Also konnte ich Sie beruhigen.“

      Er zögerte einen Augenblick. „Das Ergebnis des Beschusses wurde, wie bei allen Waffen, die überprüft werden, im Computer des Landeskriminalamtes gespeichert.“

      Er hielt wieder inne, sah mir dann fest in die Augen und wählte sorgfältig seine Worte. „Nach einer vorläufigen Überprüfung ist Ihre Waffe bei dem Raubüberfall auf die Sparkasse in Stade am letzten Freitag gegen Mittag verwendet worden.“

      Nach einem kurzen Moment sprach er weiter: „Und damit ist auch auf Felix Tobaben geschossen worden.“

      Ich merkte, wie sich mein Inneres zusammenkrampfte. Entsetzt starrte ich Haken an, fasste mir unwillkürlich an die Herzgegend, atmete ruckartig ein und klammerte mich an meinen Stuhl.

      „Die Sachverständigen für Gerichtsballistik sind allerdings im Augenblick total überlastet“, setzte Haken fort. „Das endgültige Ergebnis wird noch etwas auf sich warten lassen.“

      Ich vermochte kein Wort hervorzubringen, saß wie erstarrt.

      Alle drei sahen mich schweigend an. Schließlich neigte sich Nielsen fast freundlich zu mir. „Und deswegen bin ich hier.“ Kupfer kam zu mir herüber und legte mir die Hand auf die Schulter. „Wir müssen das aufklären. Schließlich bin ich als Präsident ja auch in die Sache verwickelt. Ich bin doch für alles im Landgericht irgendwie verantwortlich.“

      Dieser, wie ich fand, höchst unpassende Satz brachte mich wieder in die Wirklichkeit zurück.

      Ich stand auf. „Meine Walther PPK befindet sich bei mir in der Wohnung im Safe. Ich habe sie vor ein paar Wochen noch dort gesehen, als ich meine Kreditkarte herausgenommen habe. Das lässt sich schnell überprüfen.“

      „Und, wo bewahren Sie den Schlüssel für den Safe auf?“, fragte mich Nielsen mit energischer Stimme.

      „Einen Schlüssel habe ich im Gericht, in meinem Büro. Zusammen mit einem Hausschlüssel. Zu meiner Sicherheit. Für alle Fälle“, wandte ich mich an Kupfer. „Den zweiten Schlüssel für den Safe habe ich zu Hause in einem Versteck.“

      „Dann sollten wir schleunigst klären, dass alle Verdächtigungen Unsinn sind“, brach es aus Haken hervor, der aufsprang. „Zuerst ins Büro“, er nahm mich am Arm und zog mich zur Tür.

      Kupfer und Nielsen erhoben sich ebenfalls energisch, und wir marschierten an der uns mit großen Augen nachblickenden Sekretärin vorbei auf den Flur.

      Offenbar hatte sich in Windeseile herumgesprochen, dass die Verhandlung von Knall geplatzt war, die Polizei mit im Spiel sei und unerklärliche und aufregende Dinge im Büro des Präsidenten vor sich gingen. Auf dem Gang vor seinem Büro, der sonst um diese Zeit mehr oder weniger menschenleer ist, drückten sich diverse Gerichtsangehörige aus unterschiedlichen Hierarchieebenen in unauffälligen Gesprächen herum. Im Seitenflur stemmte Frau von Hühnlein im Gespräch mit drei Kollegen, wie es ihrer etwas eigenwilligen Angewohnheit entsprach, das rechte Bein wieder einmal angewinkelt nach hinten an die Korridorwand. Aber trotz ihres unrichterlich kurzen Rockes war die tuschelnde Aufmerksamkeit ihrer Gesprächspartner beim Erscheinen der Gruppe dieses Mal sofort auf uns gerichtet.

      In meinem Büro stellten sich meine drei Begleiter schweigend nebeneinander an die Wand rechts neben der Tür. Ich setzte mich auf meinen Schreibtischstuhl und wedelte mit der Hand zu drei um einen kleinen Tisch verteilten Stühle auf der Gegenseite hinüber, was aber von meiner Eskorte missachtet wurde.

      Ich zog die oberste rechte Schublade auf und wühlte darin herum. „Ich habe sie in einem kleinen Pappkästchen. Waren mal Visitenkarten drin“, richtete ich mich an die drei. „Ich habe die Schlüssel natürlich ewig nicht benutzt, weil ich den für die Wohnung ständig bei mir habe. Und einen Schlüssel für den Safe habe ich ja zu Hause.“ Die Mannschaft blickte mich nur schweigend an.

      Ich setzte die Suche nach dem Karton in den Schubladen darunter fort und dann in denen auf der anderen Seite. Schließlich ganz unten links unter einem Stapel von Papieren zog ich triumphierend den kleinen geschlossenen Behälter hervor, hob ihn hoch und legte ihn vor mich auf die Schreibtischplatte. „Natürlich, wie immer, im letzten Fach!“, murmelte ich und hob den Deckel der Schachtel hoch, während Kupfer und seine beiden Begleiter gespannt nähertraten.

      Es traf mich wie ein Schlag. Das Kästchen war leer!

      Ungläubig starrte ich hinein. Drehte es hin und her. Es blieb dabei. Es war leer. Die Schlüssel waren nicht da.

      3

      Mit erhöhter Geschwindigkeit steuerte Kommissar Haken seinen dunkelgrauen Dienst-Mercedes über die Herrenalber Straße in Richtung Ettlingen. Der Präsident saß neben ihm, hinten Nielsen und ich. Wir schwiegen alle vier vor uns hin.

      Im Gericht war ich noch einen Augenblick in der Geschäftsstelle gewesen, gefolgt vom ziemlich finster blickenden Nielsen, der mich nicht aus den Augen ließ. Ich hatte Kuch angewiesen, bei der Staatsanwaltschaft und den Rechtsanwälten anzurufen und mitzuteilen, dass die Verhandlung erst am Donnerstag fortgesetzt wird. Außerdem müsste sie um halb zwölf hinunter zum Sitzungssaal gehen, die Zuhörer informieren und einen entsprechenden Aushang an der Tagesordnung vor der Tür anbringen.

      Sie hatte mich ziemlich bockig angeschaut und unwillig gefragt, was sie denn zur Begründung sagen solle. Da mir dazu nichts einfiel, hatte ich ihr geantwortet: „Teilen Sie mit, gerichtsinterne Gründe erfordern die Verlegung.“

      Kopfschüttelnd hatte sie sich wieder an ihre Arbeit gemacht. Allerdings war ich sicher, dass sie wenig später recht munter im ganzen Haus herumtelefonieren würde, um die Sensation zu verbreiten:

      Knall in Begleitung der Polizei, vielleicht sogar unter Bewachung, unterwegs zu unbekanntem Ziel! Das Ganze so wichtig, dass sogar die über Wochen vorbereitete Verhandlung mit der extra aus Polen angereisten Nebenklägerin abgesagt werden muss, na ja, verschoben wird! Was mag wohl dahinter stecken? Dem Knall traue ich alles zu!

      Ausführlich würden die Möglichkeiten hin und her erörtert werden. Alle voll Dankbarkeit, dass im eintönigen Gerichtsalltag endlich mal was los war.

      Als Erstes hatte sie natürlich ihren Liebling, die Kollegin Hühnlein, informiert, bei der das allerdings aus Furcht vor drohenden Vertretungsarbeiten auf wenig freudiges Interesse gestoßen sein dürfte.

      Beim Vorbeimarsch an meinem Büro war ich noch kurz hi-

       neingesprungen und hatte es geschafft, dem verblüfften Nielsen die Tür vor der Nase zuzuschlagen.

      Ich rief meinen Freund Jan an. Erstaunlicherweise hatte ich ihn sofort am Telefon. Er ist nämlich häufig aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht erreichbar.

      Jan ist Privatdetektiv und verhinderter Jurist, zweimal durchs Examen gerasselt. Bis heute ist mir unklar, wieso das passiert ist, denn er ist für mein Gefühl ungewöhnlich intelligent. Vielleicht braucht man für die Juristerei eine spezielle Variante der Klugheit. Er selbst erklärte es mir aber damit, dass ihn immer eine fast unüberwindliche Müdigkeit überfallen hätte, sobald er die Gesetzessammlung „Schönfelder“ aufschlug. Er sei sozusagen ein „pawlowscher Hund“ des Jurastudiums.

      Mit seiner schnellen Auffassungsgabe und Vitalität hat er einige überraschende Erfolge in dem Metier erzielt. Er war mir auch bei der Trüffel-Geschichte eine Hilfe gewesen, und ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann. So jemanden schien ich jetzt zu brauchen.

      „Na, was gibt es Maximilian? Ich denke, du bist im juristischen Gleisbau beschäftigt und die ganze