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Religiöse Erwachsenenbildung


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brauchen».8 Dazu gehörten Bildungsprozesse im Rahmen von partizipativen Diskursen, wie sie Bildungshäuser vorsehen, dazu gehöre auch Persönlichkeitsarbeit, wie sie in vielen kirchlichen erwachsenbildnerischen Veranstaltungen anvisiert werde. Für die Erörterung grösserer Zusammenhänge und grundlegender Orientierung aber bleibe der Bildung heute kaum noch Zeit.

      Ein zweiter im Papier genannter Aspekt ist die Verzweckung von Bildung.9 Mit der knapper werdenden Ressource «Zeit» werde Bildung zunehmend unter dem Aspekt des Nutzens betrachtet und primär in den Dienst der beruflichen Karriere gestellt: Es zähle lediglich, was beruflich oder persönlich weiterbringe. «Reflexive, kritische, interdisziplinäre und gesellschaftspolitische Fragestellungen, die keinen persönlichen Bezug haben, verlieren an Interesse.»10 Indem die Nützlichkeit zum zentralen Kriterium avanciere, büsse Bildung ihren Selbstzweck ein. Gerade im Bereich der religiösen Bildung aber werden Themen bearbeitet, die sich der Logik einer unmittelbaren Verwendbarkeit bisweilen entziehen und nicht nur den Ziel-, sondern auch den Prozesscharakter von Bildung betonen. Allerdings gerate religiöse Erwachsenenbildung mit dieser Grundausrichtung zunehmend ins Abseits. |18|

      Als Folge u. a. dieser beiden Aspekte muss das Ende der «erfolgreiche[n] Ära kirchlicher Bildungsstätten im Grünen» genannt werden.11 Über Jahrzehnte standen in der Schweiz Namen wie Gwatt, Sornetan, Magliaso, Rügel usw. für hochwertige kirchliche Erwachsenenbildung. Die Bedürfnisse der Gesellschaft haben sich geändert. Mit der Zeitverdichtung besser vereinbar scheinen Abend- oder Wochenendveranstaltungen in Stadtnähe oder in der Stadt zu sein. Herbert Pachmann, der die schweizerische Situation untersucht hat, spricht von einer geradezu «tektonische[n] Verschiebung» in der Bildungslandschaft: Gefragt seien heute insbesondere urbane Lernorte, wo «schlanke, inhaltlich relevante Angebote ohne lange Anreise, Gastronomie und Hotellerie» gemacht werden.12

      2. Wohin des Weges?

      In dieser Umbruchsituation werden von verschiedener Seite Forderungen an die religiöse Erwachsenenbildung laut. In der neueren Literatur zur religiösen Erwachsenenbildung werden u. a. die folgenden drei wiederholt geäussert:

      2.1 Forderung nach inhaltlicher Klärung

      Vor allem im Zusammenhang mit dem grossen Bedeutungszuwachs von Veranstaltungen, die der Rubrik «Spiritualität» zuzuteilen sind, wird dringlich eine inhaltliche Klärung der Bildungsangebote gefordert. Kurse mit spirituellem und meditativem Charakter scheinen Menschen gegenwärtig für besonders relevant zu halten, wohl auch, um in der Beschleunigung bestehen zu können. In den letzten Jahren ist die Kirche als Anbieterin von spirituellen Veranstaltungen wie Pilgern, Exerzitien im Alltag, Kontemplation, spirituelles Körperlernen usw. aktiv geworden. Erfahrungsräume werden gezielt inszeniert, um Menschen eigene Erfahrungen zu ermöglichen, die dann im Gruppengespräch oder im geistlichen Begleitgespräch erkundet und in Bezug auf die eigene Lebensgeschichte reflektiert werden. Das grosse Potenzial dieser Angebote wird vielfach betont; Unbehagen bereitet offensichtlich aber vielen die Tatsache, dass in manchen Angeboten zentrale christliche Inhalte preisgegeben werden und religiöse Erwachsenenbildung zu einem flachen «Wellnessprogramm für die Seele»13 verkomme. |19|

      Am prägnantesten ist die Kritik von Rudolf Englert, der seit Jahrzehnten das Praxisfeld «religiöse Erwachsenenbildung» kritisch reflektiert.14 Er ortet die Verschiebung weg von klassischen Katecheseangeboten hin zu spirituellen Angeboten in der veränderten Gestalt von Religiosität in der Postmoderne. Die Diagnose muss hier nicht wiederholt werden, Stichworte genügen: Individualisierung, Privatisierung von Religion, Traditionsabbruch, Wunsch nach eigener religiöser Authentizität usw. Mit der veränderten Nachfrage werde gegenwärtig, so Englert, der Marktlogik entsprechend, das Angebot umakzentuiert. In der Folge dessen scheine es, «als würde die prophetisch-kritische Dimension christlichen Glaubens hinter der weisheitlich-affirmativen Dimension religiöser und spiritueller Traditionen mehr und mehr zurücktreten» und Erwachsenenbildung zur «Serviceagentur zur psychischen Hygiene» umfunktioniert werden.15 Dieser Entwicklung könne nur gewehrt werden, wenn die neuen Sehnsüchte, die hinter dem religiösen Gestaltwandel stehen, in einer Weise thematisiert und bearbeitet werden, die mit den beiden zentralen Aspekten religiöser Erwachsenenbildung – der «Auffassung von der inhaltlichen Eigenwertigkeit und dem Anspruchscharakter religiöser Traditionen» und dem «Verständnis von Bildung als eigenständiger, aktiver Auseinandersetzung mit kulturellen Konzepten und Mustern» – vereinbar sei.16 Englert, der hier stellvertretend für zahlreiche AutorInnen genannt wird, fordert in Anbetracht der gegenwärtigen Verschiebungen dringlich eine Klärung der inhaltlichen Ausrichtung religiöser Erwachsenenbildung.

      2.2 Forderung nach Überwindung der Milieuverengung

      In religionssoziologischer bzw. religionswissenschaftlicher Perspektive wiederholt geäussert wird die Forderung, dass gegenwärtige kirchliche Erwachsenenbildung ihre Milieuverengung zu überwinden habe. In der Tat lassen Statistiken von TeilnehmerInnenprofilen aufhorchen. Die BildungsforscherInnen Aiga von Hippel und Rudolf Tippelt haben 2004 empirische Ergebnisse zum TeilnehmerInnenprofil kirchlicher Anbieter präsentiert.17 Die Statistiken zeigen: Kirchliche Erwachsenenbildung wird überdurchschnittlich oft von Menschen in Anspruch genommen, die dem konservativen bzw. traditionsverwurzelten Milieu zuzuteilen sind.18 Den Kirchen fällt es offensichtlich schwer, andere Milieus zu erreichen. Um einen Ausweg aus der Sackgasse aufzuzeigen, paaren sich in der gegenwärtigen Literatur |20| zu den nüchtern konstatierten Feststellungen bisweilen konkrete Vorschläge, wie die Milieuverengung zu überwinden sei. Die Religionswissenschaftlerin Eva Baumann-Neuhaus beispielsweise fordert, dass sich religiöse Erwachsenenbildung gezielter «auf einen dialogischen, offenen und partizipativen Kommunikationsprozess» einlasse.19 Religiöse Kommunikation muss gemäss Baumann-Neuhaus bei folgenden Lebensfeldern heutiger Menschen anknüpfen: 1) bei der «Selbstthematisierung» – dort also, wo es um Fragen der «Identitätsfindung und -performance» geht; 2) bei «Erlebnis und Erfahrung» und damit der Suche nach «Ganzheitlichkeit»; 3) bei der Sinnfrage, um «Orientierung und Nachhaltigkeit» zu bieten; 4) bei der Ethik, indem sie «Kriterien für eine ‹gute› Lebensführung» zu formulieren hilft, und schliesslich 5) bei der «Gemeinschaft» – dort also, wo «Kommunikation und Bezogenheit» Selbstverortung ermöglichen.20

      Insbesondere mit den ersten drei Aspekten gelangt die Autorin allerdings unweigerlich auf heikles Terrain, werden hier doch Themenfelder benannt, in denen Kritiker besonders viel Baumaterial für flache Wellnessprogramme vermuten. Darum sind Kriterien gefragt – Kriterien, die bei der Konzeption und Durchführung von Erwachsenenbildungsangeboten dienlich sind. Kriterien sind gefragt, in denen gegenwärtig herausfordernde Spannungsfelder – zum Beispiel das Verhältnis zwischen eigener Erfahrung und religiöser Tradition – grundlegend reflektiert sind.

      2.3 Forderung nach akademischer Reflexion

      Genau auf der Reflexionsebene aber klaffen zurzeit Lücken. Im Unterschied zu andern Handlungsfeldern der Kirche gibt es für die religiöse Erwachsenenbildung nur wenige aktuelle theoretische Konzepte, welche die gegenwärtige Praxis analytisch durchdringen und handlungsorientierende Leitlinien formulieren.21 Zwar |21| wird rundum betont, wie wichtig religionspädagogische Forschung im Bereich der Erwachsenenbildung wäre. So schreibt beispielsweise Friedrich Schweitzer in seinem 2006 publizierten Lehrbuch zur Religionspädagogik: «Die Vernachlässigung von (religiöser) Bildung im Erwachsenenalter ist zu überwinden zugunsten einer systematischen Wahrnehmung dieses Bereichs als eines genuinen Bestandteils von Religionspädagogik und kirchlicher Bildungsarbeit. Deshalb muss die herkömmliche religionspädagogische Perspektive, die sich auf Kinder und Jugendliche beschränkt, […] ausgeweitet werden».22 Schweitzer selber beschränkt sich dann allerdings auf eher knappe Ausführungen. Ein Defizit ist sowohl im Bereich grundlagentheoretischer Forschung, also Forschung historischer und bildungstheoretischer Natur, als auch im Bereich der anwendungsorientierten Forschung, z. B. erwachsenenpädagogischer Lehr-Lernforschung auszumachen.

      3. Best practice

      Analysen vom schlafenden Riesen (vgl. 1.) und Behandlungsmöglichkeiten, wie sein Schlaf zu kurieren sei (vgl. 2.), werden nun für einen Moment zugunsten