zu werden, das von einer nicht rechenschaftspflichtigen Elite regiert wird, und das wesentlich weniger frei ist. Donald Trump hat Millionen von Anhängern unter der Wählerschaft gewonnen, weil er das Problem der Bürokratisierung der Staatsmacht erkennt und anpacken will. Eines seiner wichtigsten Themen ist die Wiederbehauptung von politischer Kontrolle über die rechenschaftsmangelnden Einrichtungen des Staates und das Abschaffen von niederdrückender Überregulierung. Hillary Clinton hat übrigens nie auch nur angedeutet, dass sie in irgendeiner Form über den Verwaltungsstaat besorgt sei.
Herrschaft durch Juristen
Aber leider begrenzt sich das Phänomen der Herrschaft durch ungewählte Menschen, die sich den Wählern gegenüber nicht verantworten müssen, nicht auf die Ministerien und Einrichtungen der Exekutive.
Eine ebenso besorgniserregende Entwicklung, die die Demokratie in den USA bedroht, ist die wachsende Herrschaft durch Rechtsanwälte und Richter. Ein Schlagwort dafür ist die „lebendige Verfassung“, ein Begriff, der unter Juraprofessoren, Juristen sowie politisch Progressiven große Zustimmung findet. Das Konzept der lebendigen Verfassung wird von uslegal.com auf eine gängige Art definiert: „Die lebendige Verfassung ist ein Terminus, der sich in der Idee gründet, dass die Verfassung der USA relevante Bedeutung außerhalb des ursprünglichen Textes in sich birgt, dass sie ein sich entwickelndes Dokument ist, das sich mit der Zeit verändert, um die Bedürfnisse jeder neuen Generation zu decken. Also muss man die Perspektiven der heutigen Gesellschaft in Betracht ziehen, wenn man wichtige Wendungen und Formulieren in der Verfassung deutet.“ Der Begriff der lebendigen Verfassung, also einer Verfassung, die an und für sich keine Bedeutung hat, die aber ständig neu interpretiert werden muss, um festzustellen, was sie in jedem neuen Zeitabschnitt bedeutet, unterhöhlt im Endeffekt das amerikanische politische System, und zwar völlig. Es verwandelt den amerikanischen Staat in eine inhärent tyrannische Willkürherrschaft der Richter, die die Verfassung nach ihrem eigenen Geschmack uminterpretieren und sich damit faktisch die legislative Gewalt widerrechtlich anmaßen.
Die Richter, die das letzte Wort über die Deutung der Verfassung sprechen, sind die neun Richter des Supreme Courts (Bundesverfassungsgericht). Der Präsident ernennt sie. Mit dem Tod Antonin Scalias im Februar 2016, eines Bundesverfassungsrichters, der die fundamentale Rolle der Verfassung wie sie geschrieben ist als das amerikanische Grundgesetz verstanden hat, wurde auf unerwartete Weise die Wichtigkeit der Wahl im November 2016 verdeutlicht. Donald Trump hat im September 2016 eine Liste von 21 Personen veröffentlicht, die er möglicherweise zu Richtern des Supreme Courts ernennen würde. Sie waren alle Menschen, die den willkürlichen Begriff der lebendigen Verfassung ablehnen. Mit der Ernennung von Neil Gorsuch zum Bundesverfassungsrichter hat Trump dann nach seiner Amtsübernahme sein Versprechen eingelöst. Gorsuch ist ein ehrenwerter und renommierter Richter, der die Verfassung sowie die richtige Funktion der rechtsprechenden Gewalt versteht. Hillary Clinton hat auf der anderen Seite zahllose Male klargemacht, dass sie in Übereinstimmung mit fast allen ihren progressiven Mitstreitern eine überzeugte Verfechterin der lebendigen Verfassung ist.
Kurz noch eine Schlussbemerkung zu diesem Thema: Obwohl die Verfechter der „lebendigen Verfassung“ fast alle auf der linken Seite des politischen Spektrums stehen, sollte dies eigentlich keine Links-gegen-Rechts Frage sein. Warum würde man schließlich den neun Bundesverfassungsrichtern die Macht geben wollen, unsere Verfassung nach Belieben zu manipulieren, also das Dokument, auf dem unser ganzes Staatssystem beruht, ohne jedwede effektive Rechenschaftspflicht gegenüber dem amerikanischen Volk? Die Antwort findet sich in der Unterschiedlichkeit der Weltbilder. Im Grunde stellt die Debatte über die lebendige Verfassung einen weltanschaulichen Konflikt dar – es ist ein Konflikt über das Wesen der Wahrheit. Gibt es eine Wahrheit, die objektiv und allgemeingültig ist, oder hat jeder das Recht, für sich selber zu entscheiden, was „seine“ oder „ihre“ Wahrheit ist? Hat ein Text, wie der der Verfassung, eine bestimmte, fixierte Bedeutung, oder bringt unumgänglich jeder Leser eines Textes seine eigene Bedeutung zu einem Text hervor?
Identity Politics, politische Korrektheit und die Beraubung der Freiheit
Ich möchte zu einem Phänomen übergehen, das (ebenso wie die Herrschaft der Juristen) seine ursprüngliche Wurzel in der Verleugnung einer allgemeingültigen Wahrheit findet: Die Beraubung der Freiheit durch Identity Politics und politische Korrektheit. Die Maul- und Gedankenkörbe der Identity Politics und der politischen Korrektheit machten das zugrundeliegende Problem aus, auf das die Amerikaner mit der Wahl Donald Trumps eine Antwort lieferten. In der Wahl Donald Trumps ging es nämlich um Freiheit. Freiheit ist die prinzipielle Botschaft, die von Amerikas Gründung ausging. Sie ist die primäre Basis unserer Wohlfahrt. Aber Freiheit ist nur möglich, wenn sie in der Wahrheit verankert ist. Die Volkssouveränität in Amerika liegt in der Annahme begründet, dass bestimmte Dinge unveränderlich wahr sind, und dass die Obrigkeit deshalb diese Wahrheiten respektieren muss, um gerecht zu sein. Um die amerikanische Unabhängigkeitserklärung zu zitieren: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen worden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freyheit und das Bestreben nach Glückseligkeit. Daß zur Versicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten...“
Aber was hat die traditionelle Ehrfurcht vor der Wahrheit mit der Wahl von Donald Trump zu tun?
Bei der Spaltung in Amerika, die den Hintergrund von dieser Wahl ausmachte, geht es nicht nur um eine Entfremdung zwischen einer kleinen Elite und der Mittel- und Arbeiterklasse, die sich ausgeschlossen fühlt. Es geht nicht nur um den Verwaltungsstaat oder um die Herrschaft durch Juristen. Es geht auch um eine sich ausbreitende Weltanschauungskluft zwischen Traditionalisten und Progressiven. In den Vereinigten Staaten leben wir nicht mehr in einem Land, in dem unsere politischen Unterschiede innerhalb eines gemeinsamen amerikanischen Weltbilds verankert sind. Vielmehr gibt es diametral entgegengesetzte Vorannahmen darüber, was für ein Land Amerika ist und sein sollte. Das zeigt sich sogar bei manchen der allergrundsätzlichsten Fragen des Lebens, wie z.B. was gut ist, was wahr ist, und was der Sinn des Lebens ist.
Die Mehrheit der Amerikaner teilt noch das Weltbild, das in dem Abschnitt aus der Unabhängigkeitserklärung ausgedrückt wird, den ich gerade zitiert habe: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht (...).“ Um noch besser zu begreifen, wie die Freiheit im amerikanischen System in der Wahrheit verankert ist, müssten Sie nur mal auf die Federalist Papers schauen. Diese brillante Serie von 85 Aufsätzen, die die amerikanische Verfassung erläutert und verteidigt, wurde im Laufe der Jahre 1787 und 1788 veröffentlicht, während der Debatte über die Ratifizierung der Verfassung. Es ist auffallend, wie sehr die Federalist Papers der grundsätzlichen Annahme einer unveränderlichen Wahrheit über den Menschen verpflichtet sind: dass der Mensch, während er einerseits imstande ist, Großes und Gutes zu leisten, auch gleichzeitig fehlerhaft ist, und der Tendenz unterworfen ist, die Macht zu missbrauchen. Das ganze amerikanische System gründet sich auf dieser äußerst nüchternen Auffassung über die Begrenztheit des Menschen und die deshalb begrenzten Möglichkeiten der Politik. Diese Auffassung über den Menschen liefert den Grund, warum das amerikanische Grundgesetz die Gewaltenteilung mit ihren Checks and Balances vorschreibt: Weil der Mensch unveränderlich dazu neigt, korrupt zu werden und die Macht zu missbrauchen, müssen die Zuständigkeiten des Staates begrenzt und unter mehreren Instanzen verteilt werden, um den fehlerhaften Menschen, die die Regierungsmacht ausüben, die Möglichkeit vorzuenthalten, ihren Mitbürgern eine Tyrannei aufzuzwingen. Meine Überzeugung ist es, dass diese Auffassungen über den Menschen sowie über die Wahrheit, die die Federalist Papers sowie die amerikanische Verfassung durchdringen, immer noch die herrschenden, intuitiven Meinungen der meisten Amerikaner widerspiegeln.
Postmodernismus: Leugnung der Wahrheit, Aushöhlung der Freiheit
Woher also diese implizite Leugnung einer allgemeingültigen Wahrheit? Während die meisten Amerikaner (vielleicht ist es für alle Menschen im Endeffekt unumgänglich) instinktiv an „Wahrheit“ glauben, sind viele gleichzeitig unterbewusst Opfer des relativistischen