Being a Good Follower,« Harvard Business Review, August 6, 2018, https://hbr.org/2018/08/research-to-be-a-good-leader-start-by-being-a-good-follower.
4 Besänftigen Sie das Ego und führen Sie mit Demut
Bei großartiger Führerschaft geht es nicht immer darum, »recht« zu haben. Eigentlich sogar nur ganz selten. Die Aufgabe der Führungsperson besteht darin, das Beste in den Mitarbeitern hervorzubringen und sie zu motivieren, zusammenzuarbeiten, um das zu tun, was für das Unternehmen das Beste ist. Das ist unmöglich, wenn eine Führungskraft zu sehr an ihren eigenen Ideen klebt oder davon überzeugt ist, dass sie die intelligenteste Person im Raum ist. Daher ist Demut eine der wichtigsten Eigenschaften einer Führungskraft.
Beginnen wir damit, den Gedanken hinter uns zu lassen, dass es bei Demut darum geht, duldsam oder unterwürfig zu sein, oder zu denken, dass man nicht gut genug ist. Demut ist nichts davon. Wir können auf unsere Arbeit stolz sein und Vertrauen in unsere Fähigkeiten haben und gleichzeitig demütig sein. Bei Demut geht es darum, sich selbst so zu sehen, wie man wirklich ist. Wir kennen unsere Stärken und Schwächen. Wenn wir in etwas gut sind und ein Kompliment bekommen, lehnen wir es nicht ab. Wenn wir unsere Fähigkeiten herunterspielen, kann es dazu führen, dass sich andere schlecht fühlen. Vielmehr sind wir dankbar, dass wir in einer Position sind, anderen zu helfen, diese Stärke zu entwickeln.
Führen mit Demut bedeutet, sich selbst aus dem Mittelpunkt der Gleichung zu nehmen und das Spotlicht auf andere zu richten. Es bedeutet, das Ego zu besänftigen, damit wir offen fürs Lernen sind und uns auf kontinuierliche Verbesserung und Wachstum konzentrieren können.
Demütige Führungskräfte gehen nicht davon aus, dass sie alle Antworten haben. Sie wissen, dass ein aufgeblasenes Ego dazu führen kann, dass sie schlechte Entscheidungen treffen und das Team in die falsche Richtung führen. Außerdem kann es Mitarbeiter eher verprellen als mitnehmen, Abhängigkeit anstelle von Verantwortungsbereitschaft schaffen und Individualismus anstelle von Teamwork fördern. Weiterhin kann es das falsche Signal im Hinblick auf Lernen senden – was in Zeiten besonders gefährlich ist, in denen Lernen der Schlüssel zum Überleben ist.
In einer globalen Wirtschaft, in der sich alles schnell ändert – Handelsplätze, Wettbewerber, Verbraucherverhalten, Technologien etc. –, müssen Organisationen in der Lage sein, schnell mit Veränderungen zu reagieren. Sie müssen großartig in den Bereichen Innovation, Problemlösung sowie der Ausübung aller anderen »Soft Skills« sein, die so wichtig sind und geschätzt werden. Aufgeschlossenheit gegenüber Lernen (genauer gesagt: die Liebe zum Lernen) ist der Kern all dessen – und Demut ist der Kern davon.
In diesem Bereich, wie auch in anderen, müssen Führungskräfte allen anderen mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn sie stetig Fragen stellen und nach neuen Blickwinkeln, neuem Wissen und besseren Wegen, Dinge zu tun, streben, werden andere ihrer Führung folgen. Zusammenarbeit, Teamwork und Innovation fließen von da aus. Durch dieses Engagement für kontinuierliches Lernen wird Ihr Unternehmen immer besser.
Wie sieht also Demut in Aktion aus? Zunächst sind demütige Führungskräfte diejenigen, die ihren Fokus nach außen richten. So erhalten sie ein Situationsbewusstsein, das dem Unternehmen dienlich ist. Wenn wir unseren Fokus gezielt auf andere Menschen richten, bemerken wir Dinge, die uns sonst möglicherweise nicht aufgefallen wären. Wir nehmen Körpersprache und Botschaften zwischen den Zeilen wahr. Dies ermöglicht uns, Dinge zu sehen, die anderen entgehen, und hilft uns, stärkere Beziehungen aufzubauen.
Mit Demut zu führen bedeutet, dass es uns nichts ausmacht, andere um ihre Beiträge und Anregungen zu bitten, bevor wir Entscheidungen treffen. So können wir uns die Intelligenz des gesamten Teams zunutze machen. In einer unglaublich komplexen Welt kann eine einzige Person unmöglich alles wissen.
Das bedeutet, dass wir unser Eigeninteresse nie über das der Gruppe stellen. Wenn wir schwere Entscheidungen treffen, haben wir die Bedürfnisse aller im Hinterkopf und nicht nur unsere eigenen. Wir wissen, dass eine steigende Flut alle Boote hebt.
Führen mit Demut bedeutet auch, dass es uns nichts ausmacht, um Hilfe zu bitten. Und weil demütige Führungskräfte beliebt und geschätzt sind, werden wir sie auch bekommen. Menschen werden eher denjenigen helfen, die nicht als Besserwisser oder Angeber rüberkommen.
Zuerst die Diagnose: Haben Sie ein Demut‐Problem?
Der erste Schritt zur Besserung besteht immer darin, sich bewusst zu machen, dass man ein Problem hat. Halten Sie sich einen Spiegel vor und stellen Sie sich einige Fragen:
Erinnern Sie die Menschen in Ihrem Umfeld ständig daran, wie großartig oder talentiert Sie sind? Ihre Fähigkeit sollte in Ihrer Arbeit sichtbar werden. Die Menschen werden sie erkennen und so werden Sie ganz natürlich glaubwürdig.
Befassen Sie sich damit, was Sie »verdienen«? Meinen Sie, Sie müssten aufgrund Ihrer Position oder Fähigkeiten eine Sonderbehandlung erfahren?
Stellen Sie fest, dass Sie Namedropping betreiben oder darüber sprechen, wen Sie kennen, um sich wichtig zu fühlen?
Brauchen Sie viel positive Verstärkung? Weisen Sie beispielsweise auf Ihre eigenen Unzulänglichkeiten hin, um so nach Komplimenten zu fischen? Oder lehnen Sie Komplimente ab, die Sie bekommen? Wenn Sie Ihren eigenen Wert kennen, brauchen Sie das nicht zu tun.
Sind Sie Perfektionist? Überreagieren Sie bei Fehlern anderer? Das kann ein Zeichen für einen Mangel an Demut sein, weil es impliziert, dass Sie glauben, dass Sie sich mehr Mühe geben (und besser sind) als alle anderen.
Sind Sie selbstgerecht? Stellen Sie fest, dass Sie (häufig öffentlich) über andere urteilen und darüber sprechen, dass Sie die Dinge, die sie tun, selbst nie tun würden?
Heimsen Sie Lorbeeren für Dinge ein, die tatsächlich eine Gemeinschaftsleistung waren?
Sind Sie der Meinung, dass niedere Tätigkeiten unter Ihrer Würde sind?
Sind Sie unflexibel und stellen eine »Entweder du tust, was ich sage, oder du kannst gehen«‐Mentalität zur Schau?
Was sind Ihre Motive? Gehen Sie über die bloße Pflichterfüllung hinaus, weil Sie den Erfolg des Unternehmens schätzen oder um Bestätigung zu bekommen?
Diese Fragen können Ihnen helfen, sich eventueller Warnsignale bewusst zu werden, die möglicherweise ein Zeichen für mangelnde Demut sind. Hoffentlich treffen nur wenige auf Sie zu, dennoch haben die meisten von uns von Zeit zu Zeit Demutspannen. Der Schlüssel liegt darin, sich ihrer bewusst zu sein und das Ego zu zügeln, wenn es beginnt, außer Kontrolle zu geraten.
Wenn wir uns bewusst und proaktiv auf das Führen mit Demut einlassen, werden wir ganz natürlich eine gesundere Geisteshaltung einnehmen. Das Ego wird sich immer weniger behaupten. Hier folgen einige Tipps:
Seien Sie immer Vorbild für das, was Sie in anderen sehen möchten. Verlangen Sie nie etwas von Ihrem Team, das Sie nicht zu tun bereit sind, beziehungsweise erwarten Sie nie Standards, die Sie selbst nicht einhalten können oder wollen. Demut bedeutet, zu wissen, dass alle auf einer Ebene stehen. Führungskräfte versuchen nicht, sich als »besonders« oder »anders« darzustellen. (Siehe Kapitel 3.)
Fördern und entwickeln Sie andere im Team. Wenn Sie feststellen, dass Sie Dinge für sich behalten, um sie selbst zu erledigen und so Ihren Wert unter Beweis zu stellen, kommen Sie wahrscheinlich nicht aus einem Ort der Demut. Eine demütige Führungskraft wird sich letztlich in ihrer aktuellen Rolle selbst obsolet machen und dann weiter aufsteigen! Übertragen Sie Verantwortung, erhöhen Sie Ihr Team.
Zollen Sie anderen Anerkennung. Geben Sie Komplimente an das Team weiter. Halten Sie aktiv Ausschau nach Stellen, wo