Martin Linne

Smart Tourism – Share Economy im Tourismus


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25: Alternative Unterkunftsangebote in München

      Abb. 26: Preisspannen vom Rohstoff zum Szenebier

      Abb. 27: Distributionskanäle im Tourismus

      2013 – ein neues Thema fasziniert das Land. Share Economy wird, durch die Cebit initiiert1, von der Presse begeistert aufgegriffen. Der neue Trend, die Zukunft des Konsums, weg vom Kapitalismus des Überflusses, das sind einige Thesen, mit denen das Thema des gemeinschaftlichen Konsums aufgegriffen wird. Der Stern titelt in seiner 10. Ausgabe: „meins – deins – unsers – Teilen ist das neue Haben“.2

      Der Deutsche Evangelische Kirchentag 2013 in Hamburg widmete sich der Fragestellung, wie verantwortungsbewusstes Wirtschaften heute unter den gegebenen Herausforderungen zu gestalten sei. Das Motto, die so genannte Losung des Kirchentages, lautete: „Soviel du brauchst“.3 Dahinter verbirgt sich auch die Frage, wie viel Besitz (genauer: Eigentum) ein Mensch heute benötigt, um zufrieden und glücklich zu sein oder wie sich der Umgang mit bzw. der Stellenwert des Eigentums verändert: wollen wir lieber besitzen oder teilen?

      Auch im Rahmen des Deutschen Tourismustages 2013 in Lübeck wurde das Thema aufgegriffen. In die Fachtagung wurde ein Vortrag zum Thema Share Economy eingebunden: „Share economy. Neue Herausforderungen für den Tourismus“.4

      Teilen scheint zumindest im Jahr 2013 ein derart zentrales Thema zu sein, dass es in vielen Bereichen „auftaucht“. Ein Bummel durch das weihnachtliche Hamburg im Dezember 2013 zeigte, wie sehr das Teilen zurzeit im Marketing eingesetzt wird. Offenbar erhoffen sich die Verantwortlichen, mit diesem Thema größeres Kauf-Interesse bei den Konsumenten wecken zu können.

      Quelle: Foto Linne, Geschenkgutschein: H&M.

      Der Spendenaufruf zum Weihnachtsfest von Brot für die Welt wird indirekt kommuniziert mit „Hoffnung teilen“. Auch der Bekleidungshändler H&M nutzt das Teilen im Rahmen einer Benefizaktion. Für jede Aufladung einer Geschenkkarte wird die H&M-Stiftung „H&M Conscious Foundation“5 gemeinnützige Projekte unterstützen. Das ist Absatzförderung zur Weihnachtszeit mit Social-Marketing- und Sharing-Ansätzen.

      Ist das Teilen eine Chance für den Tourismus? Lassen sich touristische Produkte überhaupt teilen? Und wenn ja, wie? Oder ist Teilen gar nichts Neues, sondern etwas Selbstverständliches im Tourismus? Könnte das Teilen ein Ansatz sein, mit der Unzufriedenheit über schlechte Leistungen fertig zu werden. Der Kunde stört bei der Arbeit, will stets beraten werden und verlangt nach Extrawürsten. Wir leben manchmal immer noch in einer Servicewüste - da ist Ärger über schlechte Dienstleistungen inklusive. Am Ende ist manchmal geteiltes Leid vielleicht sogar halbes Leid. Lässt sich manche Situation auf Reisen so besser ertragen? – Nein, das war zu zynisch. So schlimm ist es schließlich nicht (mehr!).

      Mit diesem Beitrag soll eine theoretische und praxisbezogene Analyse vorgenommen werden, ob es sinnvolle Möglichkeiten gibt, die Ansätze der Share Economy auf eine professionalisierte Produktentwicklung im Tourismus zu übertragen. So treibt der Grundgedanke einer besseren Auslastung starrer Kapazitäten die Branche um; hier ist Yield Management ist ein Ansatz.6 Lassen sich mit gemeinschaftlichem Konsum weitere Kapazitäten auslasten? – Diese Frage wird abschließend nur mit primärstatistischen Verfahren zu beantworten sein. In diesem Buch geht es um eine erste, grobe Einschätzung der Möglichkeiten und um eine deduktive Entwicklung von möglichen Ansätzen,7 um der weiteren Forschung einen möglichen Rahmen aufzuzeigen. Auch und gerade deshalb werden immer wieder Fragen aufgeworfen, die zu einem kritischen Dialog anregen sollen.

      Nach diesem Vorwort folgt ein Überblick über die bisherige Entwicklung und eine Einordnung der Share Economy (Kap. 1). In Kapitel zwei werden der „neue“ Konsument und das sich verändernde Konsumverhalten betrachtet. Das dritte Kapitel zeigt, welche Ansätze es derzeit im Tourismus gibt. Wie Smart Tourism definiert werden könnte, zeigt Kapitel vier. Im fünften Kapitel werden theoretisch mögliche Ansätze einer Produktentwicklung im Tourismus für die Bereiche Flug, Hotel, Kreuzfahrt, Gastronomie und Event-Tourismus beschrieben. In Teil sieben werden mögliche Folgen für die Tourismuswirtschaft dargestellt.

      Das vorliegende Buch baut auf einem ersten Fachbeitrag auf, der vom Herausgeber und Mit-Autor im April 2013 veröffentlicht wurde. Es war eine Reaktion auf die scheinbar spontane mediale Erkenntnis, dass das Thema Share Economy wichtig ist, weil es von der Cebit zum Motto erklärt wurde.

      Dieser erste Aufsatz wurde nun für die vorliegende Analyse als Basis genommen und an vielen Punkten ergänzt und vertieft. Insbesondere rechtliche Fragen, die im ursprünglichen Aufsatz gestellt wurden, werden nun von Hans-Gert Vogel beantwortet. Axel Dreyer und Philipp Röder zeigen Entwicklungen im Bereich des Teilens und verschiedenartigste Erscheinungsformen touristischer Tausch- und Teil-Produkte auf. Sehr wichtig für das Verständnis der bevorstehenden Veränderungen ist es, die Kundenseite zu verstehen. Nora S. Stampfl zeigt sehr eindrucksvoll, worauf sich die Tourismusbranche künftig einstellen muss.

      Den Mit-Autoren, deren Beiträge namentlich gekennzeichnet sind, gilt mein herzlicher Dank für die spontane Bereitschaft, sich dieses Themas ebenfalls anzunehmen, mit ihrer Expertise zu bereichern und für die anregende und konstruktive Kritik!

       Martin Linne

       Elmshorn, im Dezember 2013

      Ist Share Economy etwas gänzlich Neues? Gemeinschaftliche Nutzungen sind es nicht. Wir kennen zahlreiche Beispiele aus dem Wohnungsbau – Wohnungsbaugenossenschaften – aus der Landwirtschaft – Maschinenringe – aus dem Sport – z. B. der Tennisverein. Vereine, Genossenschaften, BGB-Gesellschaften sind altbekannte Formen, Güter und Besitz zu teilen und gemeinschaftlich zu nutzen. Das ist nichts Neues. Doch damit ist der neue Trend einer Share Economy auch nicht richtig beschrieben.

      Waschsalons, Leihbüchereien oder Secondhandläden1 treffen den Ansatz schon etwas besser. Hier liegt eine Geschäftsidee zugrunde, Kapazitäten, z. B. von Waschmaschinen, besser auszulasten und anderen Nutzern eine wirtschaftlich sinnvolle, weil günstigere, Alternative zum Privatbesitz oder zum Neukauf zu geben. Solche Angebote können privat (Mitfahrzentrale), privatwirtschaftlich (Waschsalon), öffentlich (Leihbücherei) oder über Non-Profit-Organisationen (Soziallkaufhaus) angeboten und finanziert werden. Auch das ist nicht neu; aber auch das ist noch nicht Share Economy, wie es derzeit verstanden wird.

      Der Ausgangspunkt der „neuen“ Share Economy ist das Internet.2 1984 hat bereits Martin L. Weitzmann die neuen Möglichkeiten des Teilens und Tauschens via Internet erörtert.3 In der Tat bietet das Internet stets Möglichkeiten an, Informationen zu „teilen“. Die Buttons, Zeitungsartikel, Bilder oder Produkte von bestimmten Internetseiten aus weiter zu empfehlen, werden z. B. mit „share“ also „teilen“ bezeichnet. Doch erst mit der Entwicklung der Smartphones und der Tablet PC’s erlebt das „Sharing“ einen neuen, äußerst dynamischen4 Entwicklungsschub. Diese technischen Innovationen haben dazu geführt, dass der Konsument ständig online ist und das Internet stets „bei sich hat“. Ein mühsames Einschalten und Hochfahren der Rechner entfällt, Barrieren sind gewichen, Dämme gebrochen.

      Das Netz ist immer und nahezu überall zugänglich geworden. Erst so können Informationen schnell übermittelt und abgerufen werden. Erst so ist es technisch möglich, einen PKW individuell zu teilen. Der Wagen kann abgestellt werden, wo es einem Nutzer passt und ein anderer Nutzer kann ihn genau dort abholen. Ein umständlicher Transfer des Wagens zu einer zentralen Ausleihstation kann dank des Informationsmanagements entfallen. Kosten können