hatte, prägen sollte. Als er 1993 in einer Folge der Arsenio Hall Show auftrat, stellte ihn der Moderator seinem Publikum als den „Paten des Gangster-Rap“ vor.
Aber damals im Jahr 1985, bevor er als Eazy-E bekannt wurde, war er einfach Eric Wright, ein 21 Jahre alter Drogendealer. Während seine Kumpels aus dem Südosten von Compton ihren Kater ausschliefen, war Eric schon oft sehr früh am Start. Er las die Los Angeles Times und streifte sich dann ein weißes T-Shirt und weiße Schlauchsocken über. Die Socken zog er sich weit über seine blauen Leinensneakers. Ein Pager und eine blickdichte Sonnenbrille, sogenannte „Locs“, komplettierten seinen Look. Die Tage auf der South Muriel Avenue, jener baumlosen Straße in Compton, in der er lebte, waren in der Regel von grellem Tageslicht und sengender Hitze geprägt. Er stammte im Gegensatz zu vielen anderen Kids aus der Umgebung aus stabilen Familienverhältnissen. Sein Vater arbeitete im Postamt und seine Mutter an einer Montessori-Schule. Eric war hingegen nicht so rechtschaffen unterwegs.
Bevor er das Haus verließ, dehnte er die elastischen Bänder an seinen Socken und stopfte aufgerollte Geldscheine hinein. „Ständig lief er mit 2.000 Dollar in seinen Socken herum“, erzählt Arnold „Bigg A“ White, ein Freund aus Kindertagen. „Eric hatte überall Geheimverstecke für seine Kohle.“ Er stopfte sich etwas davon in der elterlichen Garage auf und steckte sich sogar ein paar Dollar in die Taschen seiner Levi’s 501. Aber in seinen Socken versteckte er den Großteil seines Bargelds. Wenn ein Obdachloser oder Straßenräuber Geld von ihm wollte, stülpte er einfach seine Taschen nach außen und zuckte mit den Schultern.
In den paar Jahren zuvor war Rap in der Gegend explosionsartig populär geworden und Eric machte sich gelegentlich Gedanken darüber, es mal mit Hip-Hop zu versuchen. Allerdings behielt er das zumeist für sich. Stattdessen konzentrierte er sich auf sein Geschäft. Eric war zwar nicht der größte Drogendealer der Gegend, aber er kam gut über die Runden. Freebase-Kokain war in Los Angeles gerade groß im Kommen. Jeder hatte plötzlich Bedarf: drogenabhängige Mütter, alte Typen mit glasigen Augen, die durch die Straßen irrten, einfach jeder. Die Leute nahmen sogar lange Anreisen nach Compton auf sich, um sich zu versorgen.
Crack sollte schon bald schweren Schaden in der Community anrichten, aber noch ahnte niemand, wohin die Reise gehen sollte. Nicht einmal die Polizei wusste, was sie von diesem scheinbar harmlosen, geruchlosen Zeug halten sollte. „Sie erwischten dich mit Crack und ließen dich mit einer kleinen Strafe davonkommen“, erzählte Mark „Big Man“ Rucker, Eazys Partner beim Dealen.
Das Geld, das das Crack ins Viertel spülte, war überall sichtbar. So mancher protzte mit seinen Goldketten und kurvte im Nissan-Truck durch die Gegend, mit Niederquerschnittreifen als Lowrider getarnt. Doch als sich der Drogenhandel zunehmend als Goldgrube herausstellte, entflammten auch Kämpfe um die territoriale Vorherrschaft. „Als nächstes versuchten alle zu expandieren“, sagt Vince Edwards, ein Rapper aus Compton, auch bekannt als CPO Boss Hogg. „Ein oder zwei Häuserblöcke reichten nicht mehr aus, wir brauchten noch eine zusätzliche Nachbarschaft.“
Eric selbst nahm keine Drogen. Er trank nicht einmal. Seinen Freunden erklärte er, dass er den Geschmack von billigem Starkbier nicht mochte. Er wusste aber auch, dass ihm seine nüchterne Lebensweise einen kognitiven Vorteil verschaffte. Da er nur knapp über einen Meter sechzig groß war, war es wichtig für ihn, dass ihn die Leute ernst nahmen. Er verfügte über Geld und besaß all die feinen Dinge, die man damit kaufen konnte. „Er hatte coole Schlitten, Klamotten und all das“, erzählt etwa sein Nachbar Lorenzo Patterson, später bekannt als N.W.A-Mitglied MC Ren. Doch er achtete darauf, seinen Wohlstand nicht zu offensichtlich zur Schau zu stellen. Er hielt den Ball flach und trug nicht zu dick auf. Er war auch keiner, der zu viele Worte verlor. Der Mann mit der Jheri-Curl-Matte und dem dünnen Schnauzbärtchen, der sich gerne hinter seinen Locs verbarg, war zurückhaltend und scheu. Schließlich verlangte seine Branche von ihm ein Höchstmaß an Diskretion.
Doch was die Frauen betraf, war Eric ein quicklebendiger Verführer. Er war bereits Vater eines kleinen nach ihm benannten Jungen mit seiner Freundin Darnettra, die darüber hinaus schon wieder schwanger war. Außerdem erwartete gleichzeitig noch eine weitere Frau namens Linda ein Kind von ihm. I’m Eazy-E I got women galore / You might have a lot of women but I got much more, sollte er später mal rappen.
Binnen kurzem sollte Eric sich mit einer neuen festen Freundin namens Joyce zusammentun, die ihm seinen vierten Sohn schenken sollte, als er gerade einmal 23 war. Sie war aber nur mäßig erfolgreich darin, Eric bei der Stange zu halten. Schließlich fing sie an, ihn als „Nachbarschaftsstecher“ zu bezeichnen, da sie ihn immer wieder mit anderen Frauen erwischte. Einmal wurde Joyce so wütend auf ihn, dass sie Eric eine Lunchbox an den Schädel knallte. Tracy Jernagin war später auch eine von Erics Gespielinnen. Doch als er sie und schon wieder eine weitere Frau zur gleichen Zeit schwängerte, war Jernagin außer sich vor Wut: „Jeder sagte, dass er, obwohl er mein Freund war, dieses andere Mädchen ebenfalls geschwängert hätte!“ Eric und Rucker, sein Co-Dealer, standen in einem langjährigen Wettbewerb miteinander, wer die meisten Frauen schwängere. Dieses sogenannte „Baby-Race“ gewann schließlich Eric, der insgesamt zehn Kinder haben sollte.
Immerhin kaufte Eric Jernagin teure Geschenke wie Gucci-Uhren und einen neuen 1989er Acura Legend. Doch als sie eines Abends vor Erics Haus aufkreuzte und er sich nicht blicken ließ, war sie sich sicher, dass sie ihn wieder einmal beim Betrügen ertappt hatte. Sie setzte daraufhin mit ihrem Acura einen halben Block zurück, um Schwung zu holen, und nahm Erics neuen BMW 750 iL, der auf der Straße parkte, ins Visier. Damit wollten sie ihn bewegen, auf die Straße zu kommen und „sich mir zu stellen“, wie sich Tracy Jernagin erinnert. Doch ihr Vorhaben verlief nicht nach Plan. „Irgendwie hob mein Auto vorne ab, als würde es nur auf zwei Reifen fahren“, erzählt sie. Als es wieder landete, war es schrottreif. Dann eskalierte die Situation: Erics andere Frau kam auf die Straße und wollte sich mit Jernagin prügeln. Doch schließlich rief diese Erics Schwester an, um sich von ihr abholen zu lassen.
Gangs
Eric Wright verwöhnte seine Kinder und fuhr mit ihnen regelmäßig nach Disneyland oder zu Chuck E. Cheese. „Wenn wir einen Ausflug machten oder ein gemeinsames Wochenende verbrachten, waren wir alle mit von der Partie“, erinnerte sich Eric Wright Jr. „Für uns war er der allergrößte, abgefahrenste Typ unter der Sonne.“
Er konnte aber auch ein sadistisch veranlagter Spaßvogel sein. So lockte er etwa Erdhörnchen aus ihren Löchern in seinem Garten, indem er Feuerzeugbenzin hineinsprühte. Sobald es dann an der Erdoberfläche erschien, steckte er es in Brand und sah zu, wie es panisch herumlief. Oder er hielt ein paar Crackheads einen Mordsbrocken Crack unter die Nase und verhöhnte sie. „Warum tut man sich das nur an?“, stichelte er, bevor er auf seine eigentümliche Weise zu lachen begann, ohne seinen Mund dabei weit zu öffnen. Er konnte gleichzeitig witzig und bedrohlich sein. „Ich fand seine Stimme echt irre“, sagt etwa MC Ren. „Er rief meinen Bruder an und sagte mit seiner Stimme ‚Heeeyyy Charlie‘.“
Bevor er sich dem Dealen verschrieb, hatte Eric ein paar perspektivlose Jobs. Er zog auch in Betracht, in die Fußstapfen seines alten Herrn bei der Post zu treten und unterzog sich sogar einem Eignungstest für den öffentlichen Dienst. Aber dieses Leben war nichts für ihn. „Ich hasse es, für andere Leute zu arbeiten“, sagte er. Eric und seine Familie hatten zwar nicht viel Geld, aber es mangelte auch an nichts. Seine Eltern erzogen ihn dazu, selbst Initiative zu ergreifen – obwohl sie damit vermutlich nicht meinten, dass er Drogendealer werden sollte.
Er wollte unbedingt Erfolg haben, also ließ er in Bezug auf seine Drogengeschäfte nichts anbrennen. Er arbeitete nur mit Leuten zusammen, denen er vertraute. An einem für ihn typischen Arbeitstag präparierte er in der Garage erst einmal sein Kokain, bevor er es in seinen bootslangen 1973er Chevy Caprice verfrachtete. Sein Schlitten war kastanienbraun, hatte ein weißes Vinyldach und wurde wegen der verspiegelten Seitenverkleidung „Glashaus“ genannt. Es war nicht das einzige heiße Gefährt, das Eric besaß. In den Achtzigerjahren fuhr er einen Nissan-Truck, einen Suzuki-Jeep in Metallic-Pink und ein paar VW-Käfer, darunter einer aus den Sechzigerjahren, dessen Heckscheibe als Hommage an den gleichnamigen Hit der Brooklyner Rap-Gruppe Whodini mit dem Slogan „The Freaks Come Out at Night“ verziert war.
Eric fuhr den Caprice weniger