die Musiker auf ihre Knie zwang und sie aufforderte, ihre Ausweise vorzuzeigen. Eine ähnliche Szene zeigt auch der Film Straight Outta Compton, woraufhin Cube einen Entwurf zu „Fuck tha Police“ schreibt. Alonzo Williams vermutet einen anderen Vorfall als Inspiration für den Song. Er erinnert sich an eine Spritztour von Eazy, Dre und anderen, bei der sie auf dem Harbor Freeway mit Paintball-Knarren auf andere Autos schossen. Als sie angehalten wurden, drückte man ihnen zunächst Pistolen an die Schläfen und legte ihnen Handschellen an, bevor die Cops sie wieder gehen ließen. „Sie kamen zu mir nachhause, zitterten wie Espenlaub an einem windigen Tag und waren den Tränen nahe“, schrieb Lonzo in seinen Memoiren. „Mann! ‚Fuck tha Police!‘“ Vielleicht meinte Eazy ja diesen Vorfall, als er sich gegenüber einem TV-Interviewer auf polizeiliche Schikanen bezog: „Ich wurde aus meinem Wagen gezerrt, mir wurde eine Waffe an den Schädel gehalten und ich wurde auf dem Freeway zu Boden gedrückt.“ Dre konkretisierte die Struktur des Songs und ahmte eine Aussage eines angeklagten Cops nach. In der Rolle des Richters verkündet Dre das Urteil: „Guilty of being a redneck, white bread, chickenshit motherfucker!“ D.O.C. verkörperte den verurteilten Polizisten mit besonders „weißer“ Stimme: „Fuck you, you black motherfucker!“
Reality-Rap
Die Mitglieder von N.W.A waren eigentlich eher schüchterne Zeitgenossen. Dr. Dre gibt selbst zu, an einer Sozialphobie zu leiden, und Eazy sagte während Meetings oft kein einziges Wort. Auch MC Ren war recht schweigsam. Arabian Prince war nicht allzu lange mit von der Partie. Und DJ Yella „konnte sich im Raum aufhalten, ohne das man ihn bemerkte“, schrieb Alonzo Williams. Cube war der einzige, den man nicht als introvertiert bezeichnen konnte. Aber zusammen war ihre Musik sogar noch aggressiver als die von Schoolly D oder Ice-T. „Die Mentalität dieser Typen hatte sich so stark verändert, dass ich sie gar nicht mehr richtig kannte“, ergänzte Lonzo. Überzeugt davon, dass ihr neuer Style die Aufmerksamkeit der Leute auf sich ziehen würde, blies die Gruppe mit Straight Outta Compton Gangsta-Rap zu einem ganzen Hip-Hop-Subgenre auf. Allerdings nannte es niemand Gangsta-Rap, vielmehr bevorzugten sie den Begriff „Reality-Rap“. „Wir erzählen die wahre Geschichte darüber, wie es ist, an Orten wie Compton zu leben. Wir vermitteln die Realität. Wir sind wie Reporter. Wir erzählen den Leuten die Wahrheit. Die Leute bei uns zu Hause hören so viele Lügen, dass sich die Wahrheit stark davon abhebt“, sagte Eazy. Das war nicht das retuschierte, optimistische schwarze Amerika, das die Bill Cosby Show oder DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince repräsentierten. „Was Jazzy Jeff und andere Rapper wie er aussagen, ist doch verlogen“, sagte MC Ren. „Sie berichten von Dingen, mit denen sich die weiße Welt und die weißen Kids identifizieren können. Wenn du ein schwarzer Jugendlicher von der Straße bist und jemand darüber rappt, dass dich deine Eltern nicht verstehen, dann kannst du nur lachen. Vielleicht hast du gar keine Eltern, oder sie sind auf Crack oder Prostituierte.“ Eazy behauptete weiterhin, dass es ihm nur ums Geld ging. Es war das Musikgeschäft, dem zuliebe Eazy mit dem Dealen aufgehört hatte – keine politischen Aspekte oder weil er so musikalisch begabt war wie Cube und Dre. Was Eazy an Rap-Talent fehlte, machte er mit seinem Weitblick und Marketing-Grips wett. Er bemerkte, dass im Radio nur saftlose Waschlappen gespielt wurden, und wollte diese Lücke schließen. Er machte keinen Hehl daraus, schockieren und einschüchtern zu wollen.
1993 äußerte sich Dr. Dre mehr als abfällig über Straight Outta Compton: „Ich kann das Album bis heute nicht ausstehen. Ich habe es in sechs Wochen zusammengekleistert, damit wir etwas hatten, um es aus dem Kofferraum heraus zu verkaufen.“ In einem aktuelleren Interview ergänzte er: „Damals dachte ich, dass die Refrains nur aus meinem Scratching bestehen sollten.“
Harsche Selbstkritik aus dem Mund eines Perfektionisten. Vielleicht hätte er besser sagen sollen: „Ich habe das Ding in einem obskuren Studio für weniger als 10.000 Dollar zusammengestellt und es wurde eines der besten Hip-Hop-Alben überhaupt.“ N.W.A schrieben und nahmen das Album tatsächlich in den abgelegenen Audio Achievement-Studios in Torrance auf. Dre und Yella übernahmen die Produktion, wobei ihnen Arabian Prince und der Studiobesitzer Donovan Smith assistierten. Sie orientierten sich an Public Enemys akustischem Flickwerk und deren Bombast. Das Debüt der Gruppe aus Long Island aus dem Jahr 1987, Yo! Bum Rush the Show, und dessen Nachfolger, It Takes a Nation of Millions, verließen sich auf die schwindelerregende, von abgehackten Samples geprägte Produktion der Bomb Squad, einem Public Enemy nahestehenden Produzenten-Team, das die Hip-Hop-Produktion in puncto Komplexität auf ein neues Level hievte. Allerdings setzte Dre auch auf Live-Instrumente wie Gitarren und Flöten, um Parts von anderen Platten nachzuahmen und es wie ein Sample klingen zu lassen. Auf diese Weise konnte er die jeweilige Lautstärke der Instrumente kontrollieren. „Bei einem Sample kannst du nicht die Bassgitarre oder die Gitarre hochfahren, ohne das gesamte Sample lauter zu drehen“, erklärte der Session-Gitarrist und Bassist Stan „The Guitar Man“ Jones. Dre gelang es mithilfe seines perfekten Gehörs, seiner Engelsgeduld und seines Einfühlungsvermögens unzählige Ideen miteinander zu verschmelzen. Eazy stellte zwar die Schecks für die Sessions aus, doch jeder wusste, dass Dre bei den Aufnahmen zum Album der Boss war. „Dre war so etwas wie das Über-Ohr“, sagte MC Ren. „Er gab dir Anweisungen, wie du etwas tun solltest, und sagte dann entweder ‚cool‘ oder ‚beschissen‘.“
Manche Tracks sind origineller als andere. Der Beat zu „Express Yourself“ ist nahezu identisch mit jenem des gleichnamigen Hits von Charles Wright & The Watts 103rd Rhythm Band von 1970, was Wright massiv verärgerte. (Priority Records stellte daraufhin Kontakt zwischen ihm und Ice Cube her. Cube „entschuldigte sich aufrichtig und ich erhielt meine Tantiemen“, sagte Wright.) Der Song war ein frühes wie rares Beispiel für einen schnellen Rap von Dr. Dre, der sich als geschickter Texter erweist, obwohl ihm die Anti-Drogen-Message später peinlich war: I don’t smoke weed or sess/ Cause it’s know to give a brother brain damage. Jones erzählte, dass er und Laylaw im Studio Weed rauchten und Dre einluden, sich ihnen anzuschließen. Er lachte sie jedoch aus und meinte nur, dass er „diesen Scheiß“ nicht nötig hätte.
Straight Outta Compton ist ein direktes Produkt von Eazy-Es Vision. MC Ren war für die Rauheit zuständig, während Cube für die ätzend-politische Komponente sorgte. Natürlich wäre all das umsonst gewesen, wenn Dre dem Album keine so gelungene Struktur verpasst hätte.
Und Yellas Beitrag? Obwohl er keinen der Songs schrieb, wurde er zusammen mit Dre als Produzent aufgeführt. „Ich stand am Mischpult und er bediente den Drumcomputer“, erklärte er selbst. „Ich ging dann rüber und programmierte den ganzen Kram. Wir waren wie ein Team. Keiner musste dem anderen sagen, was er zu tun hatte. Es war wie bei Batman und Robin.“
„Yella war gut, was die technischen Dinge betraf“, sagte Dre.
Laut Ren war Yella mehr ein „Assistent“ von Dre – ein Wort das auch andere gebrauchten. „Er dachte sich nicht wirklich irgendwelche Konzepte aus, aber er kümmerte sich um die nervtötenden Dinge. Das erlaubte Dre, sich darauf zu konzentrieren, den anderen zu helfen“, erörtert D.O.C.
„Yella kümmerte sich um Schneidearbeiten und heftete unterschiedliche Parts von Songs, sobald sie aufgenommen waren, aneinander“, erzählte der Studiomusiker Stan Jones, dem zufolge alle Beats von Dre stammten.
Straight Outta Compton klingt immer noch frisch – mit der Ausnahme seines letzten Tracks, „Something 2 Dance 2“, einem Rückfall in die L.A.-Techno-Zeit. Mir gefällt die Nummer zwar und sie war damals auch ein Dancefloor-Hit, doch gilt sie heute als eine Art Abgesang auf den Electro-Sound, wenn man bedenkt, dass es N.W.A waren, die ihn praktisch von der Bildfläche verschwinden ließen. Der Song bedient sich bei Sly & The Family Stone und bietet flotte Disco-Grooves, hibbelige Synthies und Ansagen wie „feel the groove, bust a move!“ Obwohl Dre und Yella als Produzenten und Eazy und Dre als Autoren des Songs angegeben werden, lassen die Electro-Texturen auf die Mitarbeit von Arabian Prince schließen, der behauptete, auch für andere Nummern keinen ordentlichen Credit erhalten zu haben, was zu seiner Entscheidung beigetragen habe, die Gruppe zu verlassen.
Es wurde darüber spekuliert, dass Arabian Prince den Schritt von Electro zu Hardcore-Rap nicht mitmachen wollte oder konnte. Mir gegenüber begründete er seien Ausstieg jedoch mit Jerry Hellers Umgang mit den Finanzen. „Wir verkauften viele Platten und bekamen nicht das Geld, das uns zustand“, sagte er. Außerdem habe er im Gegensatz zu den