war, antisemitische Dinge über ihn gesagt. Doch es gab eine Zeit, in der sein Background – zumindest in den Augen vieler Acts, die er umwarb – als Qualität wahrgenommen wurde, es Geld regnen zu lassen. „Er war ein weißer, jüdischer Typ, der Leute kannte. Er wurde bei Plattenfirmen vorgelassen, zu denen wir nicht durchdringen konnten“, erzählt Arabian Prince. „Es war ja schon schwer genug für uns, Geld von unseren eigenen Konten abzuheben.“
Eines bestreitet aber niemand: Mit Hellers Hilfe mauserte sich Ruthless Records von einem regional erfolgreichen zu einem landesweit hochangesehenen und zugkräftigen Unternehmen.
Hellers Vater betrieb ein Geschäft für Altmetall. Er liebte es, Sportwetten abzuschließen, und bewegte sich in den Kreisen der jüdischen Mafia. Irgendwann ließ er sich dann mit seiner Familie in einem wohlhabenden Vorort von Cleveland namens Shaker Heights nieder. Als einer der wenigen ortsansässigen Juden fühlte sich Heller, wie er in Ruthless beschrieb, jedoch als Außenseiter. Nachdem er an der University of Southern California einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaft gemacht hatte, schwang er sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren in der Musikbranche in schwindelerregende Höhen auf. Er arbeitete als Agent für Marvin Gaye und CCR, lotste Elton John und Pink Floyd zu ihren ersten Amerika-Touren über den großen Teich und diente dem Musikmanager Irving Azoff als Mentor. Außerdem steckte er 1975 hinter der ersten US-Tour der deutschen Electronik-Pioniere Kraftwerk. Abgesehen davon machte er nicht weniger Party als die Rockstars, die er betreute.
Doch während der New-Wave-Ära verlor Heller den roten Faden. 1985 musste er nach seiner Scheidung auf dem Sofa seiner Eltern in Encino schlafen, als ihn sein Freund Morey Alexander, ein weiterer Musikmanager, anrief und ihn darüber informierte, was sich gerade so bei Macola abspielte. Heller traf sich daraufhin mit Don Macmillan und Rudy Pardee, einer Hälfte des L.A. Dream Teams, um sich von ihnen die brandheiße Electro-Hip-Hop-Single „The Dream Team Is In the House!“ vorspielen zu lassen. Heller willigte ein, die Band in puncto Management zu unterstützen, und war außerdem sehr angetan von J.J. Fad, die auf demselben Label wie Dream Team waren.
Nachdem Heller infolge eines Auffahrunfalls auf dem Freeway eine Abfindung erhalten hatte, zog er in eine Eigentumswohnung im Simi Valley um und machte ernst in Bezug auf die urbane Musikszene von L.A. Er verhökerte Platten auf dem Roadium Swap Meet und stimmte zu, Acts wie die World Class Wreckin’ Cru und C.I.A. zu managen.
Mitte der Achtzigerjahre verbrachte Heller viel Zeit im Macola-Foyer und versuchte, „Acts aufzugabeln“, wie es Don Macmillan formulierte. Heller machte sich an Rapper und DJs heran, von denen er glaubte, dass ihr Talent nicht adäquat zur Geltung gebracht würde. „Ich kann mich an mehrere Situationen erinnern, in denen Produzenten mir gegenüber von Aufnahmeequipment schwärmten, das sie für 200 Dollar bei Toys ’R’ Us erstanden hatten“, schrieb er.
Sein Ruf war der eines Machers aus einer vergangenen Zeit. Vor allem Eazy konnte es nicht erwarten, ihn zu treffen. Er bezahlte Alonzo Williams sogar dafür, sie einander vorzustellen. Am Morgen des 3. März 1987 fuhr Eazy-E, begleitet von MC Ren, in seinem burgunderfarbenen Suzuki Samauri vor. Eazy hatte sich extra dafür herausgeputzt: Er trug Locs, brandneue niedrige Converse All-Stars, ein strahlend weißes T-Shirt und eine Golduhr, „der man ansah, dass sie echt war“, wie sich der Promoter Doug Young erinnerte. Young wohnte dem Treffen ebenfalls bei. Er hatte Eazy noch nie zuvor getroffen, doch eilte diesem sein Ruf voraus.
„Woher weißt du, dass sie das sind?“, erkundigte sich Heller bei Young, als Eazy und Ren auf der Bildfläche erschienen.
„Weil sie wie zwei Gang-Mitglieder aussehen.“
Nachdem Alonzo alle einander vorgestellt hatte, zog Eazy seine Kohle aus der Socke und bezahlte ihn. Dann begaben sie sich in Don Macmillans Büro, wo die Unterhaltung zunächst ein wenig ungelenk ablief. Heller fragte Eazy, ob er der „Dope Man“ aus dem gleichnamigen Song sei. Eazy verstummte, aber Heller ließ nicht locker.
„Ich habe einen Geldbaum im Garten stehen“, sagte Eazy schließlich.
Das lockerte die Stimmung merklich auf und Eazy erklärte, dass er für seine neue Gruppe N.W.A einen rauen Sound und ein taffes Image anstrebte. „Sie wird Hip-Hop sein, sie wird richtiges Straßen-Feeling haben“, fuhr er fort. „Aber sie wird die Art repräsentieren, wie wir hier in L.A. sprechen, wie wir uns verhalten. Sie wird die L.A.-Fahne hochhalten.“
Heller konnte sich rasch für die Musik der Gruppe erwärmen – vor allem für „The Boyz-N-The-Hood“. Er und Eazy einigten sich darauf, gemeinsame Sache zu machen und verabredeten sich bald darauf bei Martoni’s, einem Restaurant am Cahuenga Boulevard. Ebenfalls anwesend waren Hellers Partner Morey Alexander und weitere Macola-Acts, mit denen sie zusammenarbeiteten: Rodney O & Joe Cooley, Rudy Pardee, Russ Parr, Unknown DJ, Alonzo Williams, Arabian Prince und Egyptian Lover.
Manche seiner Klienten nahmen Hellers zunehmend enge Verbindung zu Eazy mit gemischten Gefühlen auf, da sie nichts mit seinem vulgären Stil anfangen konnten. Laut Eazy verkündete Heller, dass er sich Eazys neuem Label verpflichtet hätte und jeder, der sich ihm nicht anschließen wolle, sich nach einer neuen Vertretung umsehen müsste. Alonzo behauptete hingegen, dass Acts wie Pardee und Unknown DJ ihm ein Ultimatum gestellt hätten: „Entweder wir oder Eazy.“ Wie auch immer es gewesen sein mag, Heller und viele seiner Klienten gingen von nun an getrennte Wege.
Seine Entscheidung, auf Eazy zu setzen, war hastig gefallen. Laut Heller bot Eazy ihm eine fünfzigprozentige Beteiligung an Ruthless an, doch er bestand darauf, nur 20 Prozent nehmen zu wollen. „Für jeden Dollar, den Ruthless einnimmt, bekomme ich 20 Cent“, will er Eazy gesagt haben. „Dir gehört die Firma, ich arbeite für dich.“ Heller sollte neben N.W.A noch weitere Ruthless-Acts als Manager betreuen, doch die wichtigen Entscheidungen traf Eazy.
Arabian Prince beschloss, sich der Ruthless-Crew anzuschließen, stand dem von Heller vorgeschlagenen Arrangement jedoch schon bald skeptisch gegenüber. Schließlich will niemand, dass sein Manager und der Manager des Labels ein und dieselbe Person sind. Immerhin wünscht man sich bei Verhandlungen, dass sich jemand um die eigenen Interessen – und nicht gleichzeitig um die eines anderen – kümmert.
Solche Arrangements sind im Hip-Hop zwar nicht ganz unüblich, aber wirklich ethisch sind sie nicht, sagt etwa David Kronemyer, ein Beobachter der Branche und ehemaliger Senior-Vizepräsident bei Atlantic Records. „Der Künstler wünscht sich etwa finanzielle Unterstützung für eine Tour oder ein Video oder um sich auf gewisse Märkte, wo er gut ankommt, konzentrieren zu können. Die Plattenfirma vertritt in Bezug auf all das aber manchmal eine andere Sichtweise.“
Heller hält dem entgegen, dass er nicht alle Ruthless-Acts gemanagt habe, er aber, wenn er dies doch tat, „immer auf der Seite des Künstlers“ gestanden habe – somit wäre er der einzige gewesen, der sich mit einem Interessenskonflikt hätte auseinandersetzen müssen. Er fügte noch hinzu, dass er in solchen Fällen auch nur eine Provision absahnte und sich nie doppelt entlohnte.
Heller und Eazys Geschäftsbeziehung repräsentierte das Rückgrat von Ruthless Records. Das war eine komplizierte Sache, die viele bis heute nicht verstehen, und viele versuchten, sich zwischen die beiden zu drängen. „Die Leute rufen mich an und fragen mich, warum ich einen weißen Mann als Manager habe“, sagte Eazy. „Als ich mich nach einem Manager umsah, schloss ich meine verdammten Augen und sagte zu mir, dass ich den besten haben will – und Jerry war nun mal der beste.“
Ihre Beziehung umfasste auch Privates. Heller half Eazy dabei, seinen Führerschein zu machen und sein erstes Bankkonto zu eröffnen. Eazy verhalf Heller wiederum zu einer neuen Aufgabe.
„Eazy liebte seinen Vater, aber sie unterhielten sich nicht oft“, sagt Charis Henry, die später Eazys persönliche Assistentin wurde. Während Eazys Vater Richard sich eher introvertiert gab, übernahm Jerry eine aktivere Vaterrolle für ihn. „Er sagte, dass Jerry für ihn wie ein Vater war.“
Der, ganz auf die Musik konzentriert, überließ die Logistik, die dahinter steckte, Ruthless als Firma zu etablieren, lieber anderen. Aber auch er war anfangs angetan von Heller, was daran lag, dass der Manager der World Class Wreckin’ Cru dabei geholfen hatte, ausstehendes Geld bei ihrer Plattenfirma einzutreiben.
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