Jr. zeigte. Es war während einer Sause beim Laughlin River Run in Nevada geschossen worden, einem der landesweit größten Treffen von Bikern. Rudy ließ sich eindeutig als Opportunist und Überlebenskünstler beschreiben. Er wickelte die Deals mit einer unübertrefflichen Selbstsicherheit und einem unschlagbaren Charme ab. Trotz der steigenden Anerkennung musste er aber immer noch Leibesvisitationen wegen möglicher Wanzen über sich ergehen lassen. Auch sein ihm von der Regierung zur Verfügung gestellter Ford Falcon wurde auf der Suche nach Aufnahmegeräten regelmäßig gefilzt.
Diese Infos bestärkten Beef darin, dass es zu riskant war, elektronische Überwachungsgeräte einzusetzen oder die Telefongespräche, Meetings und Transaktionen abzuhören. Durch diese Schwierigkeit war er gezwungen, innovative Technologie zu nutzen. Gleichzeitig stieg das Risiko des Informanten.
Beef warf einen Blick über das Waffenarsenal, welches Rudy erst kürzlich durch einen Deal mit Hank erworben hatte. Die Bandbreite reichte von halbautomatischen SKS Sturmgewehren mit Mündungsfeuerdämpfern und Bajonettaufsätzen bis zu speziell hergestellten .12 Jagdgewehren mit ausgefeilten Seriennummern und zusätzlichen Schulterkolben. „Hank meinte, dass er mir vollautomatische Mac-10, Mac-11, HK 91 und Uzis besorgen kann sowie vollautomatische Maschinenpistolen, Zündschnüre, Quecksilber und Zeitzünder“, war es aus Rudy während einer kürzlich stattgefundenen Einsatzbesprechung herausgesprudelt.
Beef bezweifelte das nicht, doch er wollte mehr von dem Informanten als einige Päckchen „Glass“ (Methamphetamin) und illegale Knarren. Er wollte mehr, als gegen kleinere Outlaw-Clubs zu ermitteln und Hintergrundinformationen über die Hells Angels und die Supporter der Biker zu sammeln. Beef wollte bis zum Kern der unbarmherzigsten und brutalsten kriminellen Organisation vorstoßen. Er wollte ihnen direkt unter die Haut fahren, sie vorführen wie niemand jemals zuvor, ihr Vertrauen und ihre Loyalität gewinnen und zu einem Hells Angel werden, um sie schließlich zu zerstören.
Im Grunde genommen war Rudy eine Marionette in seinem Spiel. Der Informant wusste sehr wohl, dass er sich keinen Ausrutscher leisten durfte, denn sonst standen einige Jahre im Gefängnis an – wenn nicht sogar ein gewaltsamer Tod durch die Hände der Engel. Die Strafverfolgungsbehörden hatten die illegalen Aktivitäten der Biker momentan eingedämmt. Das verleitete Mesa Bob, den Präsidenten des Hells Angels Mesa Clubs, dazu, Rudy die Deals mit den Supportern der Red Devils durchziehen zu lassen. Falls diese schiefliefen, würde die Polizei die Devils ins Visier nehmen und niemals eine Beteiligung der Hells Angels vermuten.
Beef quälte die Ungeduld. Er wollte nicht länger warten, nicht so lange, bis die Aktivitäten der Angels kaum mehr nachzuweisen waren.
Der Hass zwischen den Mongols und den Hells Angels war mehr als offensichtlich. Er wurzelte in einer Reihe von Geschehnissen, die im Jahr 2001 begannen. Mitglieder beider Clubs hatten sich in einer American Legion Hall in San Diego mit Messern und Schusswaffen bekämpft. Die brutalen Auseinandersetzungen loderten einige Monate danach in Reno, Nevada, wieder auf. Member der Angels stellten den Präsidenten des Carson City Chapters der Mongols zur Rede, denn er hatte es gewagt, ohne Erlaubnis einen Patch zu tragen (einen angestickten Aufnäher), der ihn als Mitglied der Nevada Angels identifizierte.
Es folgte ein weiterer Zusammenstoß in Orange County. Auf einem lokalen Flohmarkt bekämpften sich die rivalisierenden Biker mit Benzintanks, Stoßdämpfern und Lenkern. Die Gewalt eskalierte, nachdem der Präsident der San Jose Mongols bei einem Open Air von Hells Angels angefallen und niedergestochen wurde. Daraufhin jagten die Mongols die Angels, trieben sie vor den Absperrungen in die Enge und feuerten wahllos auf die verhassten Opponenten. 2002 fand der Vizepräsident der Mongols zwei Stangen Dynamit unter seinem Auto, das in der Nähe seines Hauses parkte. Die Zündschnur war angesteckt worden, brannte jedoch zu früh ab. Im April des Jahres – in Laughlin, Nevada, während des jährlichen River-Run-Treffens – führte ein Kampf zwischen den Bikern im Harrah’s Casino (in der Nähe von Las Vegas) zu drei Todesopfern und elf Verletzten. Die Polizei konfiszierte verschiedene Patches der Angels, und die Biker gaben offiziell den Krieg gegen die Mongols bekannt.
Patches (auch „Rockers“ oder „Colors“ genannt) repräsentieren nicht nur die Zugehörigkeit zum Club. Sie symbolisieren einen hart erarbeiteten Lifestyle, gekennzeichnet von schweren Straftaten und absolutem Respekt zwischen den verschiedenen Mitgliedern mit Blick auf die Rangordnung. Die Outlaw Motorcycle Clubs unterscheiden sich durch die drei Patches auf der Kutte und den diamantförmigen „Onepercenter“-Aufnäher von den normalen Bikern. Diese Gangster stehen für das (symbolische) eine Prozent der Motorradfahrer der USA, die ihr Leben nach dem Credo „Fuck the World“ ausrichten.
Das Hells Angels Patch besteht aus einem „Bottomrocker“ (einem bogenförmigen Aufnäher), der das Territorium des Clubs angibt (zum Beispiel Arizona), einem Aufnäher in der Mitte (Centercrest), der einen geflügelten Totenkopf zeigt (auch „Death Head“ genannt), und dem Toprocker, der den Club angibt, in diesem Fall die Hells Angels. Ein reguläres Member, das alle drei Patches auf seiner Kutte trägt, wird in der Bikerszene als „Full Patch“ oder „Fullpatcher“ bezeichnet.
Die Kutte kommuniziert den Status des Bikers im Club. Bottomrocker stehen für den niedrigen Grad des „Prospects“.1 Prospects sind Biker auf Probezeit, die sich erst noch bewähren müssen (sie stehen einen Rang über den Hangarounds, die sich nur durch den Lebensstil angezogen fühlen und offiziell nicht zum Club gehören). Ein Prospect wird sogar noch eine Stufe unter Frauen und Hunden eingeordnet. Er ist eine von einem Member ausgewählte Person, die es sponsert. Hangarounds (spöttisch auch „Slick Backs“ genannt, da ihre Kutten kein Abzeichen tragen dürfen) stehen auf der alleruntersten Stufe der Leiter. Diesem Personenkreis wird sogar noch ein geringerer Status als Prospects zugesprochen. Sie tragen sogenannte „Nummernschilder“ oder Anhänger um den Hals, damit man sie im Falle einer Schlägerei erkennt, wodurch die Member der Angels gezwungen sind, die eigenen Leute zu verteidigen.
Das Team wird aufgestellt –
Tucson, Arizona, Frühjahr 2002
Beefs Plan, die Arizona Hells Angels durch Rudys Kontakte zu infiltrieren, stieß bei den Anzugträgern des ATF auf Widerstand. Einen bereits als Informanten bekannten Outlaw ins Feld ziehen zu lassen, war ein kleiner Schritt. Das Leben von ATF-Agenten zu riskieren, um Infos über die Angels zu sammeln, was zugleich erforderte, dass sie bei den Straftaten der Biker mitmischten, stand jedoch auf einem ganz anderen Blatt. Beef konnte kaum erwarten, dass sein verantwortlicher Boss, Special Agent Virginia O’Brien, zustimmte. Er hoffte, dass die unzähligen vertraulichen Memos, die er ihr zukommen ließ, O’Briens Einstellung ändern würden. In ihnen wies er auf Verstöße gegen den vielfach anwendbaren Title 18 des Strafgesetzbuches hin2, die er zur Verhaftung der Rocker geltend machen konnte. Doch O’Brien wollte Details wissen: Wer? Wie? Wie lange? Besonders wichtig war für sie die Frage, wie viel die Operation das ATF möglicherweise kostete.
In den folgenden Wochen der Vorbereitung stellte Beef sein Team zusammen. Rudy akzeptierte die Führungsrolle als Präsident der angeblichen „Nomads“ Solo Angeles. Die Tarnung schmeichelte nicht nur dem übergroßen Ego des Informanten, sondern eröffnete zudem die Möglichkeit, mit ihm arbeitende ATF-Agenten und lokale Vertreter der Strafverfolgungsbehörden unauffällig einzuschleusen. „Nomads“ waren vollwertige und hoch angesehene Member, die keinem speziellen Charter angehörten. Sie mussten ihren Clubbeitrag für das ursprüngliche „Mutter-Chapter“ entrichten, verfügten jedoch nicht über die Mindestzahl von sechs Mitgliedern, um ein eigenes Chapter zu gründen, wodurch sie noch unter der Direktive des „Mutter-Chapters“ standen und den Befehlen von dort folgen mussten. Nomads lebten meist in ländlichen Regionen, wo sich zwangsläufig nur wenige Member fanden. Gelegentlich wurden sie vom Club auch in ländliche Regionen entsandt, mit der Instruktion, andere Mitglieder zu rekrutieren, um ein eigenständiges Chapter zu gründen.
Die Solo Angeles verfügten über eine perfekte Tarnung. Sie informierten die Hells Angels, dass sie vom Mutterclub der Solo Angeles – der in Tijuana residierte – geschickt worden seien, um in Arizona ein Charter auf die Beine zu stellen. Da die einzigen legalen Member der Solo Angeles in Südkalifornien lebten,