Clearwater Revival, und daher wuchs ich damit gewissermaßen auf, aber den Soul entdeckte ich durch die Motown-Plattensammlung meiner Mutter – Stevie Wonder, Marvin Gaye, Al Green, die Four Tops, aber auch frühe Sachen wie Mable John, Mary Wells oder Barrett Strong. Ein bisschen davon findet man vermutlich in meinem Gesangsstil wieder. All diese Gruppen zeichnen sich durch tolle Falsettsänger aus. Ich weiß nicht, ob man das, was ich mache, wirklich als Falsett bezeichnen kann, aber es geht schon ein bisschen in die Richtung. Vielleicht könnte man sagen, dass der klassische Power-Rock-Gesang dem Soul-Falsett etwas ähnlich ist. Darüber müsste man mal nachdenken. Jedenfalls ist es auch eine höhere Tonlage.
Soul ist heute ja Mainstream, aber damals war es wirklich Ghettomusik. Natürlich hörten alle Leute in unserer Nachbarschaft diese Sachen, von daher war das schon mal etwas, das man mit den anderen Kindern gemeinsam hatte. Mein Musikgeschmack erweiterte sich dann um viele Sachen, die ich im Radio hörte, und nach einiger Zeit hatte ich eine beeindruckende Sammlung Vinyl-Singles und Cassetten, unter anderem von Deep Purple, The Guess Who, Paper Lace und allen möglichen anderen Bands. Da war ich erst in der sechsten Klasse. Wenn ich jetzt so an die Zeit zurückdenke, dann galt meine zweite große Leidenschaft dem Sammeln von Matchbox-Autos. Vor der Pubertät ist man noch so unstrukturiert. Man denkt an Sex und spielt noch mit Spielzeugautos. Man ist gleichzeitig in zwei Welten. So vieles kann einen beeinflussen. Meist sind es schlechte Einflüsse.
Zwar finanzierte ich mir meine Sammlungen zum Teil von den fünf Dollar, die ich in der Woche von meinem Vater dafür bekam, dass ich das Auto wusch und bei der Hausarbeit half; damals bekam man auf den Flohmärkten für fünf Dollar noch eine ganze Menge. Aber ich drehte auch schon ein paar krumme Dinger. Meine Eltern arbeiteten inzwischen beide, damit wir über die Runden kamen. Sie hatten überhaupt keine Ahnung, was ich so trieb. Schließlich liefen die Dinge völlig aus dem Ruder, und die Polizei erwischte mich in einer Lagerhalle, wo ich am helllichten Tag mit einer Kiste geklauter Gartengeräte unterwegs war. Sie legten mir Handschellen an, schubsten mich in einen Polizeiwagen und fuhren mit mir nach Hause. Meine Eltern waren nicht gerade begeistert. Was dann geschah, weiß ich nicht mehr. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich hart bestraft worden bin. Aber ich erinnere mich nicht mehr daran.
Meine Schwester und ich waren inzwischen die einzigen weißen Kinder in unserer Schule. Die Lage im Viertel wurde immer schlimmer. Wenn wir aus dem Haus gingen, bekreuzigte meine Mutter sich und betete darum, dass keiner von uns eine verirrte Kugel abbekam.
Eines Abends wurden die schlimmsten Befürchtungen meiner Mutter beinahe wahr. Eine Kugel durchschlug die Fensterscheibe des Zimmers meiner Schwester, das zur Straße hinausging. Wir hatten eines dieser Häuser mit einer kleinen Veranda. An den Straßennamen kann ich mich noch erinnern: Dimondale Drive, zwischen der Wilmington Avenue und Del Amo Boulevard. Warte, ich hole schnell mein iPhone raus, wir gucken uns das mal auf Google Maps an. Ich weiß genau, wo es ist. Man fährt auf der 405 nach Carson rein. Hier ist es schon. Wilmington! Hier! Und da ist der Del Amo Boulevard. Und hier … hier ist der Dimondale Drive. Scheiße, ich kann dir mein Haus zeigen! Hier bin ich immer zur Schule gegangen, das ist die Sackgasse gegenüber von unserem Haus. Wir wohnten in Nummer … ich glaube, es war 1836. Das Haus hier! Nein, es war wohl eher 1832. Oder das hier? 1834? Nee, ich erinnere mich doch nicht mehr genau, aber es war bestimmt eines von diesen Häusern. Und wenn man etwas weiter scrollt … hier ist meine Grundschule, die Broadacres Elementary. Es war nicht weit, nur ein paar Straßen. Wow! Scheiße, die gibt’s noch, das haut mich um. Auf der anderen Straßenseite war ein großes, freies Feld – da fuhren wir immer mit dem Fahrrad herum, bis sie später einen Industriekomplex dort bauten. Danach ging es ja los, dass meine Freunde und ich anfingen, dort einzubrechen und irgendwas zu klauen. Auf der anderen Straßenseite waren diese ganzen Lagerhäuser. Gelegenheit macht Diebe, könnte man sagen.
Als das mit der Kugel passierte, saßen wir in der Küche bei einem Brettspiel, die ganze Familie. Unser Haus war so, dass man hier reinkam, rechts war die Garage, die Haustür war in der Mitte und das Schlafzimmer war vorne links. Das Wohnzimmer lag hinter der Küche, und eine große Schiebetür aus Glas führte in den Garten. Dann gab es noch drei weitere Zimmer. Unsere Familie spielte gern, klassische Spiele wie Monopoly, aber auch Karten. Mein Vater und ich spielten auch oft so ein kleines Footballspiel, das man auf den Tisch stellen konnte, mit einem Feld aus grünem Metall und kleinen Figuren, die vibrierten. Wir waren eine ganz normale, solide Familie, würde ich sagen. Vielleicht war ein bisschen viel Alkohol im Spiel. Meine Mom und mein Dad tranken beide ganz gern mal was.
Plötzlich hörten wir Schüsse. Das tat man nun in unserer Gegend ziemlich oft, aber normalerweise nicht so nah. Wir machten das Licht aus und flüchteten ins Wohnzimmer, weil das keine Fenster zur Straße hatte, und dort schliefen wir schließlich auch, auf dem Fußboden. Es war ziemlich Furcht einflößend. Um mich selbst hatte ich gar nicht so viel Angst, aber um meine Eltern. Am nächsten Morgen gingen wir dann ins Zimmer meiner Schwester und sahen, dass ein Einschussloch in der Fensterscheibe war.
Ein paar Tage später kam dann in den Nachrichten im Fernsehen oder in der Zeitung, dass ein paar Kids aus der Nachbarschaft an der örtlichen Highschool einen Lehrer aus einem Fenster im dritten Stock gestürzt hatten. Das war für meine Eltern der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie wollten nicht, dass wir in so einer Gegend auf die Junior High kamen, verstehst du? Wenn es da so wild zugeht, dass die Lehrer zusammengeschlagen und aus dem Fenster geworfen werden, wer will denn dann sein Kind dorthin schicken? Also sagten meine Eltern: „Das reicht, wir ziehen um.“ Sie boten das Haus zum Verkauf an, aber wir beendeten das Schuljahr noch in unseren alten Klassen. Im Sommer schickten meine Eltern meine Schwester und mich nach West Covina zu unserer Tante.
Als ich in die siebte Klasse kam, war ich noch immer unter der Adresse meiner Tante gemeldet, da meine Eltern weiter nach einem neuen Haus suchten. Es war ein ganzes Stück nordöstlich von unserem alten Viertel, östlich von Pasadena, zwischen dem Freeway 210 und den San Gabriel Mountains. Mitten im Schuljahr zogen meine Eltern dann nach Glendora, und ich kam in die dortige Schule, die Sunflower Junior High. Gleichzeitig bekam meine Mutter einen besseren Job in einer Firma, die Zahnspangen herstellte. Die Immobilienpreise waren in Glendora vermutlich höher. Damals hatte ich von diesen Dingen keine Ahnung. Welches Kind hat das schon?
Ich muss zugeben, ich war in der Schule ziemlich schlecht, abgesehen von den Stunden bei Mrs. Anderson. Wie man sich vorstellen kann, war der Unterricht an der Sunflower, die ja in einem besseren Viertel lag, wesentlich anspruchsvoller als an der Broadacres. Mir fiel es schwer, einen einfachen Satz zu schreiben. Wie sich dann später herausstellte, hatte ich Legasthenie, wenn auch nicht so richtig schlimm – ich kann ganz gut lesen, obwohl ich das auch vermeide. Es geht halt nur langsam. Schreiben fällt mir enorm schwer. Wenn ich versuche, etwas aufzuschreiben, dann dauert das ewig. Ich verwechsle Zahlen, und es ist einfach unheimlich schwierig. Wenn mir jemand sagt, ich soll mal einen Brief schreiben, ist das für mich eine Riesenaufgabe. Ich brauche unheimlich lange dazu. Dann purzeln bei mir dauernd die Buchstaben in Druck- oder Schreibschrift durcheinander – ich benutze beides, was die Sache nicht besser macht. Aber statt Förderunterricht zu nehmen oder mich irgendwie dem Problem zu stellen, tat ich alles, um diese unangenehme Arbeit zu vermeiden … manche Leute werden vielleicht sagen, dass das auch heute noch typisch für mich ist. Ich ging einfach nicht mehr hin. Welches Kind mag schon zugeben, dass es eine Lernbehinderung hat? Die Schule hat auch nicht viel unternommen. Ich wurde einfach immer wieder in die nächste Klasse versetzt.
Ein echtes Highlight in der neuen Umgebung war die Footballmannschaft. Wir spielten Flag Football, eine Abart des American Football. Das machte mir Riesenspaß, obwohl ich im Baseball eigentlich immer besser war; ich spielte in der Verteidigung, ich glaube, als Cornerback. Der Umzug und die neue Schule bedeuteten natürlich lauter neue Leute. Damals hatte ich ein paar Freunde, aber nicht sehr viele. Ich machte halt bei allem mit, verstehst du? Aber eigentlich kannte ich niemanden so richtig.
Wir waren damals alle total fasziniert von den Beatles. Sogar im Musikunterricht wurde darüber diskutiert, ob Paul tot war, wir suchten alle möglichen Hinweise heraus und hörten die Platten rückwärts, um die geheimen Botschaften zu entschlüsseln, die gerüchteweise darauf zu entdecken waren. Das war ziemlich faszinierend. Daran kann