mit Mötley in Kanada zu spielen. Ich hab ihnen auch gesagt: „Fickt euch, ich mach das nicht.“ Aber dann musste ich leider zusagen, wegen der Merchandise-Verträge. Ohne Shows kein Merchandise-Vertrag.
Tja, so isses nun mal. Fuck it.
Also spiele ich mit Mötley in Kanada. Inzwischen habe ich erfahren, dass die Band verklagt worden wäre, wenn ich nein gesagt hätte. Ich auch. Dann hätte ich irgendeinem Anwalt eine Menge Geld dafür geben müssen, dass er mich vor Gericht vertritt. Da könnte ich die Kohle auch gleich im Klo hinunterspülen; wenn man einen Anwalt engagiert, kann man sich genauso gut den Hintern mit 100-Dollar-Scheinen abwischen. Außerdem – wenn ich nicht auftrete, verliere ich eine Menge Kleingeld. Also habe ich mir überlegt – wisst ihr was? Ich spiele einfach mit und bin auf der Kanada-Tour dabei. Aber ich muss mich ständig selbst daran erinnern: Ich bin kein Teil von Mötley Crüe mehr. Ich muss nur noch mit ihnen spielen. Das ist eine bessere Situation als früher. Vor allem, wenn man ganz an den Anfang zurückdenkt. Damals hatte ich einfach nur das Gefühl, dass mich alle herumschubsen. Irgendwie war ich nicht in der Lage, für mich einzustehen. Ich wollte nicht auffallen. Aber heute denke ich mir, scheiß drauf, weißt du? Irgendjemand muss für mich sprechen. Ich war immer der Außenseiter. (Auch ein guter Untertitel für das Buch: Der Außenseiter. Das bin ich, was Mötley Crüe angeht. Das würde keiner anzweifeln wollen, glaube ich.)
Denk mal drüber nach. Mick ist Mick, weißt du. Mick war immer einfach Mick. Und Nikki und Tommy waren immer so … die versuchten, wie Tyler und Perry zu sein, als man die beiden noch The Toxic Twins nannte. Sie hatten sogar ihre eigenen Spitznamen nach diesem Muster. Nikki und Tommy – die haben es einfach mit zu viel Gewalt versucht, so richtig Rock’n’Roll zu sein. Ich zum Beispiel habe mich nie wie ein Rockstar angezogen, wenn ich nicht auf der Bühne stand, wenn ich ganz normal auf die Straße rausgegangen bin. Höchstens mal ganz am Anfang. Weißt du, ich bin einfach ein Surfer aus Los Angeles. Ich muss keine Ketten um die Taille tragen, keine Stiefel oder Lederjacken, damit die Leute zu mir rübergucken und sagen: „Oh, der Typ ist doch bestimmt ein Rockstar.“ So waren Nikki und Tommy aber immer. Die sind heute noch so. Wenn wir ins Flugzeug steigen oder in Japan in den Bullet Train, dann sind die so aufgetakelt, als ginge es auf die Bühne. Das komplette Rocker-Outfit. Ich denke dann immer: Scheiße, was soll der Blödsinn? Was haben wir denn vor? Wir werden drei Stunden lang in einem Zug hocken, zieht euch doch ein paar Trainingshosen an und verzichtet aufs Make-up. Ich meine, nichts gegen Eyeliner, ich steh drauf, aber eben nur, wenn ich wirklich arbeite. Früher, auf Tour, habe ich teilweise so getan, als würde ich Nikki und Tommy gar nicht kennen. Ich bin ein paar Meter hinter ihnen gegangen, wenn das möglich war. Damit mich niemand mit ihnen in Verbindung brachte. Das war schon blöd, aber so hatte es sich irgendwann entwickelt.
Heutzutage bin ich weitgehend mein eigener Herr. Ich habe meine eigenen Verträge. Aus den gemeinsamen bin ich ausgestiegen, weil ich keinen Bock mehr auf den ganzen Scheiß hatte, der mit der Band zusammenhängt. Wenn wir auf Tour gehen müssen, dann werde ich vom Unternehmen Mötley Crüe engagiert. Ich meine, ich bekomme immer noch 25 Prozent von allen gemeinsamen Aktionen; ich bekomme nicht etwa eine Gage oder so. Aber ich habe die Option, bestimmte Dinge nicht zu machen. Mit diesen letzten Gigs in Kanada geht dieser Tour-Abschnitt zu Ende. Irgendwie läuft es immer so, dass sie mir wegen irgendwas unheimlich auf den Sack gehen, und dann muss ich wegen der nächsten Tour und dem nächsten Album noch einmal neu mit ihnen verhandeln. Das ist schon ziemlich traurig. Nikki versucht, über das Management weiter alles im Griff zu behalten, aber sie haben eine Menge falsche Entscheidungen gefällt, und weißt du … ach, Scheiße. Ich halte eben die Klappe und, na ja, nehme das alles irgendwie hin. Nur jetzt nicht.
Für mich ist es am besten, meinen Kontakt zu Mötley Crüe möglichst gering zu halten. Mit meiner Begleitband ist das ganz anders. Das sind echt tolle Leute, vor allem Blando und Strum. Wir sind schon seit Jahren zusammen. Das sind echte Freunde. Die Jungs von Mötley Crüe sind es nicht. Und zwar schon lange nicht mehr.
Aber die Sache ist nun mal die, sie brauchen mich für Mötley Crüe. Und wenn sie nicht allein losziehen und ihre Solo-Sachen machen wollen, dann müssen sie sich mit mir abfinden.
Aber vergessen wir diesen ganzen negativen Scheiß. Darum geht’s im Augenblick ja gar nicht. In diesem Buch geht es um Vince Neil. Hier will ich ausführlich von meinem Leben erzählen, mich an die guten alten Zeiten erinnern, über die Vergangenheit lachen und vielleicht manchmal auch weinen. Das hilft mir sicher auch, mich den nächsten Kapiteln meines Lebens zuzuwenden und mich weiterzuentwickeln. Du weißt schon, mit der Vergangenheit abschließen. Eine neue Tür öffnen. Niemand bleibt immer derselbe. Wir wachsen, wir verändern uns. Man muss seinen Frieden mit dem machen, was man tut, wer man ist und was man erreicht hat.
Eins muss ich noch sagen: Ich glaube, ich singe heute besser denn je. Das hat sich vor allem in den letzten beiden Jahren entwickelt. Beim Crüe Fest – 1 und auch 2 – habe ich besser gesungen als je zuvor in meinem Leben. Und ich glaube, ich habe mich auch besser bewegt. Ich sage mir immer wieder, dass ich meine Bestform erreichen will. Was das angeht, habe ich höchstwahrscheinlich ein paar Lebensjahre wirklich verschwendet. Aber inzwischen weiß ich, dass ich nie wieder so viel Zeit verlieren möchte. Heute höre ich die Uhr ticken. Älterwerden ist leicht. Das geschieht einfach, ob es einem nun gefällt oder nicht. Das Geheimnis liegt darin, im Laufe dieses Prozesses ein wenig Weisheit zu erlangen.
Die Sache ist doch die: man muss sich von der Strömung tragen lassen. Ich liebe mein Leben. Ich liebe den Ort, an dem ich lebe. Viva Las Vegas, Stadt der Sünde. Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. Für mich ist Vegas so etwas wie der Wilde Westen. Deswegen wollte ich den Lambo hier haben, verstehst du? Der Ferrari passt ins Weinanbaugebiet. Ein Lambo ist richtig Las Vegas. Hier kann man Dinge tun, rein geschäftlich, meine ich jetzt, die sonst nirgendwo anders möglich sind. Zum Beispiel nicht nur ein, sondern gleich zwei Tattoo-Studios auf dem Strip aufzumachen – so was geht auf dem Rodeo Drive einfach nicht. Verstehst du? Auf dem Strip stehen die teuersten Immobilien der Welt. Hier einen Fuß in die Tür zu bekommen, das ist echt aufregend. Es ist schon komisch: Als ich meine Frau kennen lernte, wohnte ich in Beverly Hills und sie in Nord-Kalifornien. Sie hat sich sehr rar gemacht und ist nur an den Wochenenden zu mir geflogen. Als ich sie endlich überreden konnte, mit mir in L.A. zusammenzuziehen, hing mir die Stadt schon zum Hals raus, und ich wollte nach Vegas. Hollywood ist eine kleine Stadt. Ich hatte die Nase voll. Aber sie war enttäuscht und meinte: „Jetzt bin ich zu dir gezogen, um in L.A. zu sein, und nun schleppst du mich nach Vegas?“ Tja, die Antwort darauf lautete wohl: „Stimmt.“
Das ist auch die Antwort auf die Frage, wieso wir ein zweites großes Haus in der Gegend haben, wo sie aufgewachsen ist.
Was mache ich also den ganzen Tag, wenn ich nicht on the road bin? Guck einfach mal auf meine Webseite. Ich bin dauernd auf Achse, die Vince Neil Band ist viel auf Tour. Aber wenn ich nicht durch die Gegend ziehe, bin ich gern zu Hause. Ich kümmere mich sehr um unsere Stiftung, die Skylar Neil Foundation. Wir veranstalten jedes Jahr ein großes Golfturnier. Ich spiele viel Golf. Ich bin total normal. Ich mag gutes Essen und gammle manchmal einfach gern herum. Ich fahre gern Auto. Ich mag Kochsendungen. Top Chef [eine ähnliche Show wie Deutschlands Meisterkoch] ist eine meiner Lieblingssendungen. Oder Project Runway, diese Castingshow, bei der Modemacher zeigen können, was sie drauf haben. Es gefallen mir nicht alle Reality Shows, nur die, in denen wirklich Leute mit Talent zu sehen sind und auch wirklich etwas tun müssen. Jersey Shore habe ich noch nicht gesehen, aber eine Menge darüber gelesen; die Sendung interessiert mich. Das ist sicher gute Unterhaltung, weil die Leute ziemlich verrückt sind. Solche Programme sind mein kleines Laster. Ich mag auch Haunted, Ghost Hunters und Ghost Adventures, diese ganzen Sendungen übers Übernatürliche. Und ich liebe Expedition Robinson, schon seit langem. Bei einer der ersten Reality Shows, Surreal Life, war ich mit dabei, gleich im ersten Jahr. Davon gab es später neun Staffeln. Leider habe ich keine Kopie davon.
Aber meine größte Leidenschaft sind heutzutage Sportwetten. Ich bin Stammgast im Red Rock Casino am Strip von Las Vegas. Das ist einfach eine tolle Umgebung. Dort habe ich ein eigenes, großes Separee mitten im abgeteilten Promi-Bereich; wir haben unsere eigenen Fernsehschirme, aber die Großleinwände sind auch direkt vor meiner Nase.