den Engagements der Bands zu spielen: „Man konnte sehen, dass sie diese Anhängerschaft hatten, aber sie erweckten nur in den Countys um London wirklich Interesse, weshalb ich ihr Agent wurde. Charisma war der Meinung, dass Terry King Agency keinen guten Job machte. Sie mochten aber mich und wollten eine eigene Agentur starten, also gründeten wir Charisma Artists.“
Conroy musste die Charisma-Acts, die er nun betreute, genau unter die Lupe nehmen: „Van Der Graaf Generator waren inzwischen den anderen einen Schritt voraus und Strat war besonders angetan von den Midnight Courts, die jede Donnerstagnacht stattfanden.“
Die Midnight Courts waren eine Serie von spätabendlichen Konzerten in London, die einen anarchischen Spirit und ein abwechslungsreiches Programm für nachtschwärmerische Bohemiens boten. Ganz in diesem Sinne wurde ein Plan aufgestellt, der zu einer von Stratton-Smiths legendärsten Unternehmungen führen sollte: die „Six Bob“ Tour. Drei von Charismas Aushängeschildern – Van Der Graaf Generator, Lindisfarne und Genesis sollten gemeinsam durchs Land tingeln, wobei man von der Währungsreform vom 15. Februar 1971 profitieren wollte und der Eintritt jeweils nur 30 neuerdings dezimalisierte Pence („six bob“ = sechs alte englische Schillinge) betragen sollte. „Wir hatten diese Idee einer Tour mit mehreren Bands“, sagte Conroy. „Mit Ausnahme der Konzerte in den Countys um London, stand es außer Frage, dass Genesis als erste Band des Abends spielen würden. Ich denke, dass ihnen das gefiel, weil sie so zu ihrem Soundcheck kamen und dann niemand mehr ihre Ausrüstung umstellen würde. Es wurde ihr echter Durchbruch.“
Unter den Bands entwickelte sich eine Sitzordnung. Rod Clements von Lindisfarne sagte dazu in einer Doku über die Tour: „Zu Beginn der Tour waren Van Der Graaf Generator ganz hinten im Bus und widmeten sich allerhand exotischen Beschäftigungen, die uns bis dahin völlig unbekannt gewesen waren. Genesis belegten mit ein paar Flaschen Sherry und Mineralwasser die vorderen Sitze und fotografierten mit ihren Fotoapparaten die Landschaft und emporragende Kirchtürme.“ Damit blieb die Mitte des Busses für Lindisfarne, die zu diesem Zeitpunkt so etwas wie die Popstars des Labels waren. Es entwickelte sich eine Kameradschaft zwischen den beiden Acts. „Die Tour war ein großartiges Beispiel für Strats Ideenreichtum“, meint Mike Rutherford. „Wir hatten Glück, mit ihm zu arbeiten. Es machte viel Spaß, obwohl wir ohne Frage das Nachwuchsteam waren.“
In Hacketts Augen war die Tour eine Feuertaufe. Er sah das Ganze so: „Wenn man über die Bedeutung des Universums reden wollte, dann unterhielt man sich mit Van Der Graaf Generator. Wenn man zu Mittag einen heben wollte, dann wandte man sich an Lindisfarne, um mit ihnen über die Vorzüge von Guinness gegenüber Newcastle Brown Ale zu diskutieren.“ Genesis lernten ihr Handwerk im Laufe dieser Tour, wobei Gabriel die Mitte zwischen den gutgelaunten Lindisfarne und der anspruchsvollen Musik von Van der Graaf Generator für sich in Anspruch nahm. Nachdem Mike Rutherford Van Der Graaf Generator beobachtet hatte, schlug er vor, dass Genesis ihr Set strukturieren sollten, indem sie das Gegenteil von Van Der Graaf Generator machten, die ihre lauten und ihre leisen Nummern jeweils zu Blöcken bündelten.
Richard Macphail spürte, dass die Band in dieser Phase mehr Beistand benötigte: „Die meisten Bands haben einen Manager und eine Plattenfirma, woraus sich dann eine Art Dreiecksbeziehung ergab. Aber Strat übernahm beide Rollen. Ich fragte ihn, wie es ihm damit erginge. Mir fiel auf, dass die Leute dachten, dass ich gerne der Manager wäre, aber das war nie mein Ziel gewesen. Was auch immer in dieser Dynamik gefehlt haben mochte, Strat machte es auf so viele andere Arten wett. Wie mit der Sechs-Schilling-Tour. Genesis konnten in all diesen Locations auftreten. Der Eintritt war erschwinglich und die Bude voll. Es passte wie die Faust aufs Auge. Lindisfarne kippten literweise Newcastle Brown Ale. Da Genesis aber sehr viele technisch anspruchsvolle Sachen im Programm hatten, war es unmöglich, betrunken oder high auf die Bühne zu gehen.“
Genesis waren relativ unbekannt, was hieß, dass sie wenig zu verlieren hatten. Freundschaften bildeten sich und Gabriel verstand sich besonders gut mit Rod Clements von Lindisfarne sowie Peter Hammill von Van Der Graaf Generator. Hammill und Gabriels Wege würden sich im Verlauf ihrer Karrieren immer wieder kreuzen. Hammill sagt: „Genesis waren von Anfang an eine eingespielte Band. Viele ihrer Sachen waren sehr eindrucksvoll. Aber natürlich waren wir auch Konkurrenten, was hieß, dass wir jeweils mehr auf uns als auf die anderen achteten.“ Paul Conroy ergänzt: „Ich liebte alle drei Bands auf unterschiedliche Weise. Überall nördlich von Sheffield waren Lindisfarne die große Nummer. Südlich davon und in den Midlands waren Van Der Graaf Generator angesagt, wohingegen die Countys um London das Revier von Genesis waren. In der Regel spielten Lindisfarne zum Schluss, weil sie am ehesten die Publikumsrenner waren.“ „Die Six-Bob-Tour war wirklich wie ein schräger Betriebsausflug“, fügt Hammill noch hinzu.
„Ich muss zugeben, dass ich mein Geld am ehesten auf Lindisfarne gesetzt hätte“, sagt Chris Charlesworth, der im Februar 1971 von Charisma nach Brighton kutschiert wurde, um von der Tour zu berichten. „Lindisfarne waren auf Anhieb erfolgreich, viel mehr als Genesis. Sie waren die Stars des Labels, was an Alan Hulls Songwriting lag. Genesis hingegen wirkten, als würden sie für immer eine Nischenband bleiben. Ich hielt sie für mürrisch. Mein Kollege Chris Welch war eigentlich derjenige, der sie unterstützte. Anfangs stand er ziemlich alleine. Er mochte ihre langen, behäbigen Songs, die auf ihren frühen Charisma-Alben erschienen und live immer von Peter Gabriels surrealistischen Ansagen eingeleitet wurden. Sie hatten nicht dieselbe Power wie meine Lieblinge The Who und waren auch nicht so witzig oder eingängig wie Lindisfarne.“ Oft wurde gespöttelt, dass Genesis „Schnösel“ wären, die mit einem Picknickkorb auf Tour gehen würden. Es war ganz sicher nicht so, dass ihnen Mami und Papi Geld zugesteckt hatten. Vielmehr mussten sie mit 10 Pfund in der Woche auskommen. „Wir nahmen den Picknickkorb mit auf Tour, weil wir so arm waren“, lacht Macphail. „Es war einfach nicht drin, in einem Café Speck, Eier und Bohnen zu ordern. Ich machte mir gerne eine Kartoffel, auf die ich etwas Käse warf. Kalte Würstchen – davon ernährten wir uns! Alle fanden das zum Schießen und stellten irrigerweise die Verbindung zur Privatschule her, mit dem Picknickkorb zur Ruderregatta und so.“
„Ich denke, dass sich unsere Konzerte stark von unseren Platten unterscheiden. Hauptsächlich geht es uns ums Songwriting“, meinte Gabriel 1971. „Uns geht es vor allem um Komposition und Arrangements. Live haben wir einige Songs, die sich ohne geschickte Inszenierung nicht vermitteln lassen. Ich finde das okay, wenn es den Effekt steigert und die Musik nicht in den Hintergrund drängt.“
„Ich war nie der geborene Bühnenkünstler“, sagt Banks. „Ich versteckte mich immer hinter dem Keyboard. Ich fühlte mich nie besonders wohl da draußen und war dankbar, dass wir Peter hatten, auf den sich das Publikum konzentrieren konnte. Am Anfang wusste er noch nicht, was er tun sollte, aber er entwickelte dann seine Bühnenpersönlichkeit. Manches ergab sich zufällig. Er erzählte Geschichten, während wir mit dem Equipment kämpften oder zwölfsaitige Gitarren stimmten. Er begann, die Songs darzustellen, und dachte sich dann Charaktere aus, was ihm die Last bezüglich anderer Dinge von den Schultern nahm. Er wurde schließlich richtig gut.“
***
Am 17. März 1971, inmitten all dieses Tumults, heiratete Gabriel Jill Moore in der St. James Chapel in London. Der Empfang fand im St. James Palace statt. Moore war die Tochter von Philip Moore, dem stellvertretenden Privatsekretär der Queen und ehemaligen stellvertretenden Hohen Kommissar in Singapur. Ihr bildhübsches Äußeres und ihre Kontaktfreudigkeit machten sie im Tohuwabohu der Band zu einer gerngesehenen Person. Ihre Eltern lebten in unmittelbarer Nähe zum Kensington Palace und ihre Familie war jedes Jahr auf Schloss Balmoral zu Gast. Einmal kamen auch Peter und Jill mit und tanzten sogar mit Princess Anne und Prince Charles – ein weiteres Indiz dafür, wie weit abseits sich Gabriel vom Rest der Musikbranche befand. Es war am Tag ihrer Hochzeit, als die Band erfuhr, dass Trespass an die Spitze der belgischen Charts geklettert war.
Am 11. Juni 1971, während einer frenetischen Version von „The Knife“ im Friars, brach sich Gabriel bei einem Sprung von der Bühne den Knöchel. „Der Club war mittlerweile von seiner ursprünglichen Location in die Borough Assembly Hall umgezogen“, erinnert sich Kris Needs. „Seit dem letzten Auftritt in Aylesbury war ein ganzes Jahr vergangen und sie wurden wie heimkehrende Helden gefeiert. Ihr Set umfasste nun beide Alben. Wir sahen diese Band, die im Vorjahr noch so schüchtern und bescheiden auf die Bühne gegangen war