Daryl Easlea

Peter Gabriel - Die exklusive Biografie


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Return Of The Giant Hogweed“ zeigte erneut, wie die Band sich entwickelte: Banks Orgel und Hacketts Gitarre bauten gemeinsam Druck auf und Collins bestach mit komplexen Beckenschlägen, bevor schließlich Gabriels Stimme durch die Lautsprecher schnitt. Auch die Geschichte vom Killer-Kraut, das die Menschheit bedroht, war noch Neuland in der Popmusik, aber Gabriels gesangliche Darbietung war ehrlich und aufrichtig. „Seven Stones“ entsprang Gabriels Vorliebe für gefühlvolle Nummern, die er auf jedem Album haben wollte. Hinter der süßlich, sanften Stimmung verbarg sich aber auch eine gewisse Schärfe und bot Banks die Möglichkeit, seinen typischen Mellotron-Sound beizusteuern.

      „Harold The Barrel“ war ein früher Hinweis auf den poppigen Elan, den Genesis in ihre Arbeit einfließen ließen. Auch wurde hier die Entwicklung des Story-Songs, die mit From Genesis To Revelation begonnen worden war, vorangetrieben. Nun ging es aber in Richtung Comedy, was sich in der stimmlichen Darstellung widerspiegelte. „Wir hatten einen Text, der augenzwinkernd gemeint war“, sagt Banks. „Peter war da richtig gut drin. ‚Harold The Barrel‘ ist so skurril. Daran erkennt man, dass es sich hier nicht um Emerson, Lake and Palmer handelt. Das war uns sehr wichtig. Wir wollten nicht, dass man uns als zu ernsthaft wahrnimmt.“ „Harlequin“ war ein schönes, berührendes Interludium auf zwölfsaitigen Gitarren, das sich vor Crosby, Stills & Nash sowie vor dem Finger-Picking der Beatles aus ihrem weißem Album verneigte, obwohl Genesis dies selbst schon eine ganze Weile in ihre Musik eingebaut hatten.

      „The Fountain Of Salmacis“ beendete das Album auf dieselbe grandiose Art und Weise, wie „The Musical Box“ es eröffnet hatte. Ein rastloses Geflecht aus Sounds, bei dem Banks’ Mellotron, Hacketts Gitarrenspiel und ein überraschendes, kurzes Bass-Solo von Mike Rutherford in besonderer Erinnerung bleiben. Der Song entlehnte seine Handlung einer Geschichte von Ovid aus der griechischen Mythologie über die versuchte Vergewaltigung von Hermaphrodit durch Salmacis und die darauf folgende Verflechtung ihrer Körper. In dieser innovativen Nummer trafen die klassischen Ambitionen von Banks und Hackett auf zügellosen, aggressiven Rock.

      Charisma bewarb Nursery Cryme im Melody Maker mit einem Kommentar mitsamt Foto und Unterschrift von Keith Emerson, der mittlerweile mit Emerson, Lake and Palmer zum Superstar aufgestiegen war: „Kein Scheiß: Ihr neues Album ist echt unglaublich.“ Die Band war begeistert ob dieser Unterstützung, vor allem, da Gabriel ein großer Bewunderer von dessen alter Band The Nice war. „Die Leute sind leichter beeinflussbar, als man meint. Sie denken sich, ‚Wenn Keith Emerson sie gut findet, müssen sie ja gut sein‘“, erzählte Gabriel in Disc & Music Echo. „Ich weiß das, weil ich auch so bin.“

      Das Album wurde zurückhaltend aufgenommen. In Amerika, wo es fast ein Jahr nach seiner Veröffentlichung in Großbritannien von Buddah herausgebracht wurde, schrieb Richard Cromelin: „Es ist definitiv eine Art von Musik, die komplett neue Wege abseits aller ausgetretenen Pfade beschreitet. Wenn Genesis es noch schaffen sollten, alles ein wenig explosiver zu gestalten und ihre Ideen ein bisschen sorgfältiger auszuarbeiten, könnten sie es sein, die diese unerschlossenen Territorien neu bevölkern.“ Er hatte jedoch auch seine Einwände: „Das Hauptproblem von Nursery Cryme liegt weder in den Konzepten von Genesis, die zumindest extrem fantasievoll und liebenswert exzentrisch sind, noch in seiner musikalischen Struktur – lange, komplizierte, vielschichtige Gefüge, die den Rahmen für ihre Erzählungen liefern – und auch nicht in ihrem Spiel, das mitunter ein wenig lethargisch sein kann. Es ist die hundsmiserable Produktion, dieses trübe Gebräu, das im besten Fall still vor sich hin blubbert, wenn man eigentlich explosive Drums und Gitarren, das Kreischen einer Orgel oder das raue Kratzen von Stimmbändern hören sollte.“ Rolling Stone hielt „The Musical Box“ für eine „zehnminütige Mutter-Gans-Geschichte“. Rober Christgau schrieb: „Himmelherrgott! Eine ‚Rock‘-Version des Hermaphroditen-Mythos! Unter Anführungszeichen, weil der Organist und der (pantomimisch angehauchte) Sänger den Drummer ein wenig verwirren!“ Gabriel, der „pantomimisch angehauchte Sänger“, stand die Mission bevor, die Amerikaner von seiner Gruppe zu überzeugen.

      Der lebenslange Fan Chris Jones, der für die BBC schrieb, meinte: „Wir bekommen eine Abfolge von Mini-Suiten über Mord mit einem Krocketschläger gefolgt von einer psychosexuellen Heimsuchung (‚The Musical Box‘), Pflanzen-Armageddon (‚The Return Of The Giant Hogweed‘) und hermaphroditische Fabeln (‚The Fountain Of Salmacis‘) serviert. Das alles wird mit einem Elan geliefert, der sie zwar noch nicht in die Oberliga befördert, aber dennoch einen Schritt in diese Richtung markiert.“

      Dave Gregory, der acht Jahre später Gitarrist bei XTC sein würde und bei Gabriels drittem Soloalbum mitwirken würde, war typisch für viele neuer Fans dieser Periode. Anfangs noch unsicher, zahlte sich ihre Neugier schließlich doch aus: „Zu dieser Zeit stand ich auf Gitarren-Rock. Und dann hörte ich ‚Harold The Barrel‘. Genesis waren mir ein Begriff, weil – so schien es zumindest – sie ständig im Friars in Aylesbury auftraten, aber ich hielt sie für eine gewollt künstlerische Folk-Formation. Ich erinnere mich an einen Artikel im Melody Maker mit einem Foto von Peter Gabriel, der sein Tamburin hielt. Die Schlagzeile lautete ‚Verpasse dieses Mal nicht Genesis‘ und ich fühlte mich auf seltsame Weise von seinem Charisma angezogen.“

      Gabriel war klar, wie die Band klingen sollte. Gegenüber Disc & Music Echo erörterte er: „Als Hörer haben uns improvisierende Bands und endlose Gitarrensolos zu Tode gelangweilt. Bei uns spielt jeder seinen eingeprobten Part wie bei einem Orchester. Wenn irgendwer anfangen würde zu jammen, würde alles sehr schlampig klingen. Es ist sehr schwer zu improvisieren, außer man hält es simpel, und wir spielen nichts Simples.“ Nursery Cryme verkaufte in Großbritannien ungefähr gleich viel wie Trespass. Es war ein Underground-Hit. Aber in Belgien traf man wirklich einen Nerv. Um größere Erfolge einfahren zu können, mussten sie ihre überseeische Anhängerschaft kultivieren.

      Eines war aber klar: Die Band verdiente überhaupt kein Geld. „Macphail kam einmal pro Woche vorbei, um ihren Lohn abzuholen“, erinnert sich Paul Conroy. „Sie galten als die Upper-Class-Jungs und als Strats Lieblinge, aber nicht unbedingt als erfolgreich.“

      „Es bleibt ein großes Fragezeichen, wie lange irgendeine andere Plattenfirma zu ihnen gehalten hätte“, sagt Richard Macphail. „Der Erfolg stellte sich nämlich nicht schnell ein. Lindisfarne waren die Goldesel und das ganze Geld floss dann in Genesis. Wir sprechen hier über hunderttausende Pfund. Und Strat hatte kein Problem damit.“

      Es war klar, dass Genesis und Gabriel das Potenzial zum Durchbruch mitbrachten. Mit ihren sonderbaren Texten, in denen sie Bezug auf Kunst, Geschichte und Mythologie nahmen, ihrem seltsamen künstlerischen Ansatz, ihrem bizarr aussehenden Sänger und ihrem makellosen Spiel würde es, nun ja, einfach ein wenig länger dauern.

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      „Es ist mir egal, wie sie reagieren, solange sie überhaupt reagieren. Ich würde mir nur dann Sorgen machen, wenn sie gar keine Reaktion zeigen würden.“

      – Peter Gabriel, 1972

      Er war wohl kaum ein wilder, ausgestoßener Hard-Rocker, und doch hob sich Peter Gabriel, dieser beinahe abstinente, cleane, von Gandhi inspirierte und verheiratete Vegetarier, auf seine Weise vom Rest der Gruppe ab. Er entwickelte sich zu einem charmanten, intensiven und entrückten Mann, der in der Öffentlichkeit bereits als das Gesicht dieser introspektivsten aller Prog-Rock-Bands wahrgenommen wurde. „Ich erinnere mich, dass ich auf einer Tour mit ihm zusammen früh aufstand, um durch die Kanäle in Sheffield zu rudern“, sagt Paul Conroy. „In Italien fand er die Zeit, in Kunstausstellungen zu gehen. Das war ganz anders als bei anderen Bands, die jede Nacht bis vier Uhr aufblieben und dann den ganzen Tag verkatert waren.“

      Es passierte vieles sehr schnell in der Zeit nach der Veröffentlichung von Nursery Cryme. Das Album war ein großer Hit in Italien, wo es bis auf Nummer 4 stieg. Daher machte sich die Band auf den Weg, um die erste Tour außerhalb Englands in Angriff zu nehmen und in Italien zu spielen, bevor man auf dem Heimweg noch in Deutschland und Belgien gastierte.

      In vielerlei Hinsicht ging in Italien als erstes ihr Stern auf. Sie reisten dorthin als voll ausgereifte Band und spielten vor Publikum, das wenig bis gar nichts von den