George Martin

Es begann in der Abbey Road


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Beispiel Picasso, der die schönsten Zeichnungen schuf. Durch die Orchestrierung hingegen malt man in die freien Flächen subtile Farben, wodurch dem Ganzen eine beinahe dreidimensionale Form verliehen wird.

      Schon kurze Zeit nachdem ich Guildhall verlassen hatte, manifestierte sich bei mir ein deutliches mentales Bild, wie denn ein Klanggemälde aussieht. Ich musste viel schreiben und befand mich in der glücklichen Lage, die Umsetzung meiner Arbeit bei Orchestern zu hören. Doch auch mit viel Erfahrung kann sich niemand absolut sicher sein, wie das Resultat seiner Arbeit klingt. Man mag eine gute Idee mit seinem „inneren Ohr“ hören, doch kann allerhöchstens Vermutungen über den tatsächlichen Sound anstellen. Und so lernt man Risiken einzugehen, Risiken, die durch Imagination geboren werden – den Eckpfeiler jeder guten Orchestrierung.

      Doch über all die Dinge wusste ich nicht viel, als ich mir meinen alten Militärmantel von der Marine überwarf und mit dem Fahrrad in die Abbey Road zum Einstellungsgespräch mit Oscar Preuss fuhr.

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      Meine Eltern, 1921.

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      Ich, im Alter von neun Jahren.

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      1946, beim Royal Naval Air Service-Geschwader 782.

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      Mein musikalischer Pate, Sidney Harrison, am Klavier.

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      Der Mann, mit dem alles begann: Oscar Preuss.

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      „Und jetzt sag mal Aaaaahhh ...“ Peter Sellers, Sophia Loren und ich, bei den Aufnahmen zu „Goodness Gracious Me“. (© EMI Records)

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      Der Comedian Spike Milligan bei seiner Hochzeit, daneben ich als sein Trauzeuge.

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      Rolf Harris küsst die Braut, 24. Juni 1966. (© Carol Weston)

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      Bernard Cribbins. Seine witzigen Lieder „The Hole In The Ground“ und „Right Said Fred“ waren Verkaufserfolge.

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      Michael Flanders und Donald Swann. 1956 erwarb ich die Rechte an ihrer Zweimann-Show mit dem Titel At The Drop Of A Hat.

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      „Unchained Melody“. Spike Milligan und Peter Sellers in Studio Number Two, Abby Road.

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      „All The Things You Are“ mit Peter Sellers.

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      Burt Bacharach und Cilla Black proben „Alfie“ in meiner Wohnung.

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      Filmplakat zu „Alfie“. In der Hauptrolle: Michael Caine.

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      Die erste Single der Beatles erschien 1962 bei Parlophone.

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      Brian Epstein und ich in Portmeirion, an der Nordküste von Wales. Für Brian Epstein errichtete der Gründer und Erbauer Portmeirions, Clough Williams-Ellis, eine eigene Unterkunft als Anbau am Gate House.

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      Mal wieder hatte mein musikalischer Pate seine Beziehungen spielen lassen. Allerdings konnte ich das nicht ahnen, als ich das Fahrrad außerhalb des großen, alten weißen Gebäudes in der Abbey Road abstellte, das man zu den EMI-Studios umgebaut hatte.

      Oscar Preuss verfügte über ein geräumiges, anheimelndes Büro, das im Eingangsbereich des Hauses lag. In dem mit einem dicken Teppich ausgelegtem Raum befanden sich ein Kamin, gemütliche Sessel und ein imposanter Flügel. Preuss saß an einem alten, stattlichen Sekretär, der in der Ecke beim Fenster stand, direkt gegenüber seiner Bürokraft, einem jungen und attraktiven Mädchen, das sich äußerst reserviert gab – zumindest, was mich anbelangte.

      Ich fragte ihn zuerst, wie er von mir erfahren habe.

      „Ich suche schon eine ganze Weile einen Assistenten“, antwortete er. „Ich sprach mit einem hier angestellten Kollegen darüber, Victor Carne, und fragte ihn nach einer adäquaten Person. Aus dem Stegreif heraus kannte er niemanden, wollte sich aber umhören.“

      Wie sich herausstellte war Carne ein guter Freund von Sidney Harrison, und als er diesen fragte, lag Sidneys Antwort auf der Hand: „Ich kenne da so einen jungen Mann, der gerade die Ausbildung in Guildhall abgeschlossen hat. Er heißt George Martin.“ Und so erzählte Victor – ein guter Freund von Gigli und zuständig für beinahe alle operativen Aufgaben der EMI – Oscar von mir, und Oscar offerierte mir die Anstellung mit der königlichen Bezahlung von wöchentlich 7 £, 4 Schilling und 3 Pence, was exakt 1 £, 8 Schilling und 10 Pence über meinem Stipendium lag.

      Oscar war der Geschäftsführer der Parlophone, eines der zahlreichen Labels (dazu zählten auch HMV, Columbia und Regal Zonophone) unter der Schirmherrschaft der EMI. All diese Labels existierten schon vor dem Krieg, doch im Laufe der Zeit mussten einige von ihnen zur Unterstützung der verbleibenden verkauft werden. Parlophone litt am meisten darunter. Ursprünglich stammte es aus Deutschland und veröffentlichte Musik des Lindström-Katalogs. Das Markenzeichen, das viele Leute für ein stilisiertes £-Emblem halten, ist tatsächlich ein deutsches L. Fast alle Top-Interpreten von Oscar, wie zum Beispiel Victor Sylvester und Rawicz und Landauer, wurden von Parlophone nach Columbia „verschoben“. Das Label stand kurz vor dem Aus, doch nun, 1950, versuchte Oscar es wieder von Grund auf aufzubauen. Trotzdem schwächelte es noch.

      Oscar ließ nichts unversucht und arbeitete hart. Er war Administrator und produzierte gleichzeitig alle Platten. Das Label war quasi eine Einmannband, die aber das komplette musikalische Spektrum bereiste – klassische Einspielungen, Jazz, Easy Listening, Songs, Klaviermusik und Tanzmusik mit Interpreten wie Ivor Moreton und Dave Kaye, Billy Thorburns Organ, Dance Band, And Me und gelegentlichen Platten der Comedy wie The Laughing Policeman.

      Es war klar, dass Oscar mit solch einem Arbeitspensum vor sich einen Assistenten benötigte, den er gnadenlos ins kalte Wasser warf. Mit meinem Background setzte man mich als 12-Inch-Mann ein, eine Referenz an die alten Schellackplatten der damaligen Zeit, bei denen Populärmusik im 10-Inch-Format und Klassik im 12-Inch-Format veröffentlicht wurde. „Gut“, meinte Oscar. „Du wirst dich zuallererst um die Klassik kümmern.“ Ich schätze mal, dass für ihn die Entscheidung logisch war, da ich nun mal von der Klassik