Grant Morrison

Superhelden


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der ich meinen ersten persönlichen Kontakt mit Superhelden verdanke: Ich war gerade drei Jahre alt und traf auf ihn, als ich durch ein bizarres Abenteuer mit dem Titel Marvelman Meets Baron Munchausen blätterte. Marvelman war eher ein Produkt der Notwendigkeit als der Inspiration. Als DC 1954 erfolgreich Fawcett Comics, den Verleger der Captain-Marvel-Comics verklagte, und Captain Marvel nicht länger erscheinen durfte, musste ein hastig kreierter Ersatz-Superheld dessen Platz in den britischen Veröffentlichungen einnehmen. Editor Mick Anglo rekonfigurierte das zugrunde liegende Konzept der Marvel Family und arbeitete die Figur um, indem er ihre Haare blond färbte und sie in ein blaues Kostüm ohne Cape und ohne außen getragene Unterhosen steckte. Billy und Mary wurden durch Young Marvelman und Kid Marvelman ersetzt. Und doch, als ob Rechtsstreitigkeiten zur Grundstruktur des Konzepts des Comics gehören würden, wurde Marvelman selbst Gegenstand eines erbittert geführten Gerichtsprozesses, der sich über Jahrzehnte erstrecken und große Namen der Industrie wie Alan Moore, Neil Gaiman oder Todd McFarlane mithineinziehen sollte. Captain Marvel und seine geklonten Abkömmlinge fanden sich verstrickt in Statuten, so als hätte sie das Gesetz, Prometheus gleich, gefesselt. DC sollte Fawcett vor Gericht schließlich komplett zerstören, aber der Name Marvel selbst sollte zurückkehren, um DC Comics heimzusuchen.

      Den rechtlichen Streitigkeiten, der Verbannung und der Entmachtung des ursprünglichen Captain Marvel zum Trotz, haben er und seine Familie kulturelle Spuren hinterlassen. Elvis Presleys erste Single erschien drei Jahre, nachdem DC die Klage, die das Universum der Marvel Family zu Fall bringen sollte, eingereicht hatte, doch der King of Rock’n’Roll identifizierte sich so stark mit dem geschmeidigen Superjungen aus der Feder Mac Raboys, dass er zu einem Zeitpunkt, als seine Figur schon nicht mehr ganz schlank war, sich seine Kostüme nach dem Vorbild von Captain Marvel Jr. schneidern ließ. Man denke nur an die kurzen Capes und die hohen Kragen, die Elvis in seinen späteren Jahren trug. Oder aber auch an den zerzausten tiefschwarzen Haarschopf, den der King auf seinem Kopf trug. Sogar das blitzförmige Logo am Heck seines Privatjets leitete sich von Captain Marvels Brustverzierung ab, was allerdings nur den Anfang einer fortwährenden Phase der gegenseitigen kreativen Befruchtung zwischen Comics und Popmusik, zweier gleichermaßen verachteter Kunstformen Mitte des 20. Jahrhunderts, darstellte.

      Es ist daher kaum überraschend, dass Captain Marvel auch Ken Keseys liebster Superheld war. 1959 hatte sich Kesey freiwillig zu einer klinischen Testreihe von LSD-Experimenten gemeldet, was ihn dazu inspirieren sollte, seinen Roman Einer flog über das Kuckucksnest zu schreiben. Kesey und ein paar seiner jungen Anhänger bemalten auch einen Schulbus mit Neonfarben und machten sich auf den Weg, eine Armee von Rebellen zu rekrutieren und eine alternative Gesellschaft befreiter übermenschlicher Wesen zu begründen.

      Die Geschichte von Kesey und den Pranksters mit ihren Superhelden-Alter-Egos – Mountain Girl, Black Maria, Doris Delay – sowie ihr Traum von einer neuen Gesellschaft wurde von Tom Wolfe in seinem Buch Unter Strom verewigt. Darin erzählt Wolfe von Keseys Trip in die Berge, wo er ein Gewitter beschwören und einen Blitz losschicken will, um die Spießer zu blenden, die Bigotten taub zu machen und die Welt für immer zu verändern.

      Der Geist des Captain Marvel lebte weiter.

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      Zwei Monate vor dem 7. Dezember 1941, dem Datum der japanischen Attacke auf Pearl Harbor, erschien die Story „Wie Superman den Krieg beenden würde“ im Magazin Look. Sie zeigte, wie Superman in den Bunker des Führers eindringen, den wimmernden Diktator an der Gurgel packen und auf diese Weise die Wünsche so vieler Leser erfüllen würde: „ICH WÜRDE DIR GERNE EINE ABSOLUT UN-ARISCHE SOCKE ÜBERS GESICHT ZIEHEN; ABER DAFÜR IST JETZT KEINE ZEIT! DU KOMMST MIT MIR MIT, WÄHREND ICH EINEN GEWISSEN KUMPEL VON DIR BESUCHE.“ Der „Kumpel“ stellte sich als Josef Stalin heraus. Superman entführte beide Männer und brachte sie zum Sitz des Völkerbundes in Genf, wo die beiden Despoten schmollten wie zwei Kinder. Ein schulmeisterlich wirkender Mann mit Richterhammer verlas das Urteil: „ADOLF HITLER UND JOSEF STALIN – WIR FINDEN EUCH SCHULDIG DES GRÖSSTEN VERBRECHENS UNSERER ZEIT: GRUNDLOSE ANGRIFFE AUF WEHRLOSE STAATEN.“ Das war die Art und Weise, wie Superman den Krieg beenden wollte. Der Superman, der gewalttätige Ehemänner aus Fenstern baumeln ließ und gewählte Volksvertreter bedrohte, der Bekehrer der Outlaws des Jahres 1939, war irgendwie in einer Welt gelandet, die sich sehr von der Welt seiner Entstehung unterschied. 1941 war die Idee des revolutionären Working-Class-Heroes bereits einigermaßen suspekt. Raubeinige Kraftkerle, die das Gesetz auch mal in die eigenen Hände nahmen, waren potenzielle Revolutionäre und Verräter. In Kriegszeiten waren Patrioten die Helden, also musste auch der ultimative Held zum Superpatrioten werden. Der Mann vom Planeten Krypton war nun ein guter Amerikaner, ein entschiedener und enthusiastischer Verfechter des Status quo. So etwas wie ein betrügerischer Präsident oder korrupte Cops waren in der Welt des Superman der Vierziger nicht vorstellbar. Es war ein ähnlich radikales Umstyling wie jenes, dem sich Elvis Presley unterzog, als er 1958 seine geölten Haare und seine unangepasste Attitüde gegen die Uniform der US-Armee und einen militärischen Haarschnitt tauschte. Ein ausgesuchtes Cover zeigt den Mann aus Stahl, wie er im Stile eines Rodeo-Reiters eine phallische Rakete reitet – 20 Jahre vor Dr. Strangelove. Dieser nun domestizierte Superman posierte mit dem amerikanischen Adler auf seinem Arm, und in einer besonders geschmacklosen Episode fordert er die Leser auf, „Japsen zu verhauen“ („Slap a Jap!“), um die Kriegsanstrengungen zu unterstützen.

      Schließlich, 1941, bahnte die erste Ausgabe von Captain America einem neuen Superhelden den Weg, welcher es sich zur Aufgabe gemacht hatte, gegen die „Japanazi“-Bedrohung kompromisslos vorzugehen. Er, Captain America, dieser ultimative patriotische Superheld, war die Schöpfung eines weiteren großartigen Gespanns unter den kreativen Comic-Duos: Joe Simon und Jack Kirby.

      Jack „King“ Kirby war der allereinflussreichste Superhelden-Künstler, den es gab, vielseitig ausgestattet, vor allem mit Vorstellungskraft. Geboren im August 1917 als Jakob Kurtzberg – Jack Kirby war nur einer von vielen Künstlernamen, aber dieser blieb hängen –, wuchs Kirby in einer Mietwohnung an der Lower East Side in Manhattan auf. Als Mitglied der Suffolk Straßengang war er vertraut mit dem Kick einer physischen Auseinandersetzung, was ihn von vielen seiner lebensfernen jungen Zeitgenossen unterschied. Tatsächlich, ganz anders als etwas Joe Shuster oder Bob Kane, die Kampfszenen mit etwas hochnäsiger Distanz zeichneten, zog Kirby seine Leser direkt hinein in die wilden Faustkämpfe und Tretereien, welche die echten Keilereien, die er miterlebt hatte, charakterisierten. Seine Figuren stellten authentisch dar, wie es sein musste, wenn man durch eine Gruppe von Antagonisten wirbelte. Seine Helden und Schurken trafen in knochenharten Prügeleien aufeinander – diese zogen sich mitunter über mehrere Seiten. Superman konnte zwar gegen einen übergroßen Affen über ein oder zwei Panelen kämpfen, aber in Kirbys Händen wurden Kampfszenen zum aufregenden Selbstzweck. Kirby diente als Gefreiter in der Kompanie F der elften Infanterie im Zweiten Weltkrieg. Er landete 1944 am Omaha Beach in der Normandie zwei Monate nach dem D-Day und zog mit seiner Einheit weiter durch das besetzte Frankreich. Er kämpfte in der Schlacht um Bastogne, erlitt Erfrierungen, die so ernst waren, dass er beinahe beide Füße verlor, und wurde dann, dekoriert mit mehreren Auszeichnungen, ausgemustert. Seine Kriegserfahrungen beeinflussten seine Arbeiten für den Rest seines Lebens, jedoch porträtierte Kirby Gewalt stets als vergnügliche Zurschaustellung natürlicher maskuliner Überschwänglichkeit. Als amerikanische Nazis in das Gebäude stürmten, in dem Simon und Kirby ihr Studio hatten, und das Blut der kreativen Köpfe hinter Captain America forderten, war es Jack, der die Ärmel hochrollte, um sich der Angelegenheit auf seine Weise anzunehmen.

      Captain America selbst hieß Steve Rogers, ein dürrer Kümmerling, der sich freiwillig für ein Militärexperiment meldete, das einen normalen Mann in einen Superkrieger verwandelte. So wie mein Dad und Jack Kirby wollte Steve Hitler beseitigen. Und wie so viele Männer auf Seiten der Alliierten, glaubte er, dass er leichtes Spiel mit dem kleinen Schwächling hätte, wenn nicht tausende Meilen besetztes Territorium, Stacheldraht, Soldaten, Panzer und Minenfelder zwischen dem bibbernden Adolf und der stolzen Faust der Vergeltung lägen.

      Anders als Superman oder Batman war Captain America ein Soldat mit der Lizenz zum Töten. Bis dahin hatten Superhelden zwar an den Grenzen der Legalität agiert, doch Captain Americas gewalttätige Arbeitsauffassung