Grant Morrison

Superhelden


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und eine kleine rote Box verriet den Namen Bob Kanes. Keine Erwähnung Bill Fingers, obwohl er der Verfasser der folgenden Geschichte und hunderter weiterer der besten Batman-Geschichten bis ins Jahr 1964 hinein war.

      Der Einstieg versetzte uns ins Zuhause von Commissioner Gordon, der gerade seinen prominenten Freund Bruce Wayne empfängt. Bruce Wayne ist ein gelangweilter junger Mann, der heroisch an seiner Pfeife zieht und fragt: „NUN, COMMMISSIONER, IRGENDETWAS INTERESSANTES PASSIERT IN LETZTER ZEIT?“ Der Polizeichef, ein Mann in mittleren Jahren, ebenfalls ein begeisterter Raucher, zündet sich eine Zigarre an, die einen Atompilz in Miniaturausgabe zwischen den beiden aufsteigen lässt. „NEIN …,“ antwortet der Commissioner nur zögerlich. Dann, als ob das wichtigste Element der vorliegenden Geschichte nichts als eine Fußnote wäre: „NUR DIESER KERL, DEN SIE BATMAN NENNEN, VERWIRRT MICH.“ Als Gordon zum Tatort eines brutalen Mordes in einer nahegelegenen Villa gerufen wird, schließt sich Wayne an, als ob nichts dabei wäre, wenn jemand todernste Polizeiuntersuchungen als Besichtigungstour interpretiert.

      Batman tritt auf der dritten Seite in Erscheinung, auf einem vom Mond erhellten Hausdach. Seine Körperhaltung verrät sein Selbstvertrauen, seine Arme sind verschränkt, er wirkt unerschrocken, beinahe lakonisch. Die Gangster erkennen ihn, was dem Leser mitteilen soll, dass es sich hier nicht um den ersten nächtlichen Ausflug unseres Helden handelt. Genau wie bei Superman kommen wir erst hinzu, als die Geschichte sich bereits in Gang gesetzt hat. Fast ansatzlos bricht die Gewalt über diese Männer in einer rapiden Abfolge von actiongeladenen Panelen herein.

      In seinem ersten Abenteuer vereitelte er einen bizarr-komplexen Plan eines chemischen Syndikats, gewürzt mit ein paar Morden und Geldgier. Es ist keine tolle Geschichte, und egal, wie oft ich sie lese, ich werde mir nach wie vor nicht ganz klar darüber, wovon sie tatsächlich handelt, doch der prägnante Auftritt unseres Helden macht sie für mich nichtsdestotrotz unvergesslich. Sie etablierte auch ein wichtiges Thema in frühen Batman-Geschichten: Von Anfang an spielten Chemikalien eine gewohnheitsmäßig wichtige Rolle. Im Laufe der Jahre sollte sich Batman mit zahllosen Antagonisten herumschlagen, die mit tödlichem Lachgas, Gedankenkontroll-Lippenstift, Angststaub und toxischen Sprays ausgerüstet waren. In der Tat hatte seine Karriere gerade erst begonnen, da musste er schon heldenhaft unzählige abartige chemische Verbindungen aus den Händen von geistesgestörten Schwarzmarkt-Alchimisten inhalieren. Superman hatte sich zwar gegen diverse telepathische Attacken zur Wehr zu setzen, doch Batman war regelmäßig auf psychoaktiven, bewusstseinserweiternden Substanzen. Batman wusste mit einem Trip umzugehen, ohne sich dabei in die Hose zu machen, was seiner Outlaw-Sexiness eine weitere Dimension und eine verlockende Aura wohlhabender Dekadenz verlieh.

      Im Januar 1939 traf er in Ausgabe 29 der Detective Comics auf einen weiteren mit Drogen hantierenden Bösewicht – „The Batman Meets Doctor Death“. Doctor Death war Karl Hellfern, ein wirklich missmutiger Alchimist mittleren Alters und offensichtlich ein hinterhältiger Bastard, worauf uns sein Monokel hinweisen sollte. Unfähig, auch nur das simpelste Haarwässerchen zu brauen, war er praktisch kahl, trug ein diabolisches Ziegenbärtchen und hatte spitz zulaufende Ohren. In diesem Abenteuer wurde Batman angeschossen, was zeigte, dass er im Gegensatz zu Superman ein Sterblicher war, so wie wir – nur eben um einiges zäher.

       Das Ende der Story brachte ein weiteres Element, das die besten aller Batman-Geschichten beleben sollte. Gefangen in seinem Labor, wehrt sich Doctor Death, indem er den ganzen Laden in Brand steckt. Als er realisiert, was er getan hat, und sich selbst auch angezündet hat, verliert er komplett den Verstand. Er schreit: „HA! HA! OH-HA-HA-HA, DU, DU NARR!“ Worauf Batman ihm, nach kurzer Pause, in der er das flammende Inferno einer kurzen Musterung unterzieht, grimmig antwortet: „DU BIST DER ARME NARR! DOCTOR DEATH … DU BIST VERRÜCKT GEWORDEN!“

      Die Einführung der geheimen Identität, einer fantastischen Idee, die gleich in der ersten Superman-Geschichte der Welt mitgeteilt wurde, sparte man sich als überraschende Wendung für diese mittlerweile dritte Batman-Story, was gut zum Aspekt des Mysteriösen des Batman-Comics passte. Die vorletzte Panele zeigt eine sich quietschend öffnende Tür, durch die Batman in vollem Kostüm entkommt. Da ist etwas absolut Seltsames an diesem traumgleichen Schluss, der Flucht aus dieser Kammer hinaus ins Halbdunkel. Es wirkt wie ein Wunder, dass Wayne, der kettenpaffende Pfeifen-Aficionado, sich rasend schnell verkleiden und durch die Hallen von Wayne Manor schnaufen konnte, ganz zu schweigen von seinem Springen und Gleiten über die Häuser von Gotham City. Aber der unverkennbare visuelle Stil von Batman war so fesselnd, so instinktiv, dass er wie Superman sofort sein Publikum fand.

      Während die Superman-Comics – vom Aussehen des Protagonisten bis hin zur kinetischen Erzählweise – in allen Belangen nach Modernität strebten, so schwelgte Batman in einer trashigen Ästhetik, die sich an die Schundheftchen und die Groschenromane jener Zeit anlehnte. Crime, Wahnsinn und das Übernatürliche definierten Batmans Tätigkeitsfeld und erlaubten ihm, eine wahre Goldmine an donnerndem Sensationalismus anzuzapfen, die sich eineinhalb Jahrhunderte zurück bis zu den Gothic-Novels von Horace Walpole und Matthew Lewis zurückverfolgen ließ. In der Tat wirkte die unheimliche und atmosphärische Geschichte eines von Batmans frühesten übernatürlichen Widersachers, dem Vampir Monk, als wäre er eine direkte Referenz an die Gothic-Literature. Das Cover zeigte einen riesigen Batman mit hochgezogenen Schultern, der sich quer über den Horizont hinter einem Schloss auf einem transsilvanischen Berg erhebt, das aus einem Gemälde Caspar David Friedrichs stammen könnte. Batman als Dracula, der Vampir als Held, der Jagd auf die sogar noch gefährlicheren Kreaturen der Nacht macht.

      Üblicherweise funktionieren Batmans Abenteuer am besten, wenn sie in einer realistisch anmutenden Umgebung, angereichert mit düsteren Gewaltverbrechen und Hinterhof-Konfrontationen stattfinden. Aber schon von Anfang an zog es ihn immer wieder in verdrehte Episoden mit übernatürlichen und unerklärlichen Begegnungen. Er bewegte sich schließlich auf dem Terrain des Dunklen bzw. Mysteriösen, und man scheute sich nicht davor, Batman in Abenteuer mit grotesken Elementen zu schicken.

      Eine andere Geschichte etwa, die von den dekadenten und symbolistischen Autoren des späten 19. Jahrhunderts inspiriert worden war, spielte in Paris und konnte mit einer Figur aufwarten, der rätselhafter- und unerklärlicherweise das Gesicht ausradiert worden war. „FRAGEN SIE CHARLES“, bat die weibliche Protagonistin Bruce Wayne, „IHN, DEM DAS GESICHT FEHLT. ER KANN ES IHNEN SAGEN. ER HAT KEINE ANGST ZU STERBEN.“ Sogar ohne Mund war besagter Charles problemlos in der Lage, sich mitzuteilen, und er gab als Verursacher seines Ungemachs sogleich einen Duc D’Orterre an, welcher dem Gehirn des Marquis De Sade entsprungen zu sein schien. Eine Konfrontation mit dem teuflischen Duc endete damit, dass Batman durch eine Öffnung in der Decke geschleudert wurde, woraufhin er in einem Garten landete, wo die riesigen Blumen weibliche Gesichter hatten. Während einer kurzen und sachlichen Unterhaltung mit dem Kopf eines blonden Mädchens auf einem gigantischen grünen Stängel wurde von Batman gewünscht, dass er die „Mädchen“ befreien solle. Diese erstaunliche Episode wurde nie mehr erwähnt oder in irgendeiner Weise gar aufgelöst – jegliche Erklärung für die gesprächigen Blumen wurde verweigert. Und was den bösen Duc D’Orterre betraf: Er nahm das lukrative Geheimnis, wie man gigantische Krokusse mit Pariser Showgirls kreuzen könnte, mit ins Grab.

      Superman hätte übertrieben und absurd in Gotham gewirkt, Batman hingegen erschloss und regierte sein zwielichtiges Territorium mit der Gewandtheit eines Alphatieres. Abgebrühtheit, das Übernatürliche, High-Tech, enormer Reichtum und Fetischismus – all dies vereinte sich in den Batman-Comics. Wenn er wie die Rolling Stones war, dann war Superman wie die Beatles; er repräsentierte Oasis und Superman Blur. Umgehend und ohne Diskussion oder Widerstand wurde Batman zum coolsten Superhelden überhaupt.

      Die Geschichten der Superman-Comics handelten von Politik und Ungerechtigkeit auf der von Tageslicht erleuchteten Bühne der Berufswelt, der Medien und der Regierung. Batman jedoch kämpfte im Schatten, in den schmutzigen Lagerhallen und schmuddeligen Spelunken, wo der kriminelle Abschaum seinen Geschäften nachging, sich zwar außerhalb der Reichweite des starken Arms des Gesetzes glaubte, aber sich genau in Schlagdistanz von Batmans mit Leder umhüllter Faust oder seines Batarangs, einem Boomerang in Batman-Design, befand. Batman durchkämmte die Nachtclubs in seinem knackigen schwarzen Leder-Outfit und kämpfte gegen geradezu übersinnliche Schurken, chemisch verunstaltete, so groteske wie archetypische Kontrahenten, auf die man niemals in