Grant Morrison

Superhelden


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Heulsusen-Image spukte durch die faszinierenden und verrückten Storys dieser Zeit. Wertham hatte die unschuldigen Superhelden auf ihr sexuelles Potenzial aufmerksam werden lassen, und wie schon bei Adam und Eva führte dies zu Peinlichkeiten, Verleugnung und überwältigenden Gefühlen, die so neu für sie waren, dass sie nur durch abstruse Monstrositäten repräsentiert werden konnten. Außerirdische, deren Äußeres von den Wandbildern an den Mauern futuristischer Jazzclubs oder Beatnik-Keller inspiriert schien, begannen die Verbrecher in Gotham City zahlenmäßig zu übertrumpfen. Robin wurde von einem Delirium von gebrochenen Formen und grotesken Kreaturen heimgesucht. Der Comics Code verhinderte die Darstellung von realistischen Verbrechen, also schickte man Batman in immer noch absurdere Auseinandersetzungen mit Monstern, Aliens und sogar … Frauen.

      Doc Werthams schäbige Anschuldigungen hallten immer noch so laut in den Ohren der Herausgeber von DC, dass sie sich genötigt sahen, Batmans Hetero-Glaubwürdigkeit in den Vordergrund zu rücken – und zwar, indem sie den Comics eine geballte Östrogen-Injektion verabreichten. Bald schon ersetzte die ältliche Tante Harriet den stets zuvorkommenden Alfred, aber die prägnantesten weiblichen Ergänzungen waren die wohlgeformte Batwoman und ihre Partnerin Batgirl.

      Kathy Kane alias Batwoman wurde offensichtlich ersonnen, um Batmans Heterosexualität zu betonen, etwas, das – so mögen wir uns erinnern – gar nicht wirklich notwendig war, da er nur eine kreative Schöpfung war, die Kinder unterhalten sollte, und als solche weder auf noch abseits der Papierseiten ein Sexleben vorzuweisen hatte.

      Was diese Batman-und-Batwoman-vorm-Altar-Farce noch bizarrer machte als die fremdartigen Welten und die modernistische Ästhetik, das war die zivile Identität Kathys als Motorrad fahrende Zirkusbesitzerin in Reithosen. Kathy Kane war Marlon Brando in Frauenkleidung, Pussy Galore aus Goldfinger, zehn Jahre, bevor der Film gedreht wurde. Und Batwoman hatte sich genauso Hals über Kopf in Batman verknallt wie Pussy in James Bond.

      Verliebt oder nicht, Kathy war knallhart. Batwoman packte ihre Handtasche mit Laser-Lippenstift und anmutigen Parfümzerstäubern, die einen Gegner auf der Stelle chemisch kastrieren konnten. Kathy Kane war eine zur Waffe umfunktionierte Frau: Stiefel, fransige Lederhandschuhe und Lipgloss, der so rot war, dass er schon wieder schwarz wirkte und das Licht zurückwarf. Wenn Betty Page, ein amerikanisches Fetisch- und Aktmodell der Fünfzigerjahre, die Geißel der Unterwelt gewesen wäre, hätte sie wohl so ausgesehen.

      Kathys Nichte war eine süße Blondine namens Betty Kane, die den Kampf gegen das Verbrechen später aufgab, um Tennis-Profi zu werden. Es ist wohl nicht schwer, sich vorzustellen, was angesichts dieses potenziell noch perverseren Beziehungs-Wirrwarr in Werthams Kopf vorgegangen sein muss. Als die anrüchige Troika, bestehend aus Bruce, Dick und Alfred durch eine nicht gerade unproblematische Familienkonstellation, inklusive Mom, Dad, Schwesterchen, Junior und Hund (ein findiger, maskierter Deutscher Schäferhund namens Ace), ersetzt worden war, versank die Wayne-Kane-Ära in einem Chaos von verwirrender, emotional aufgeladener, psychosexueller Hysterie. Die grausame Behandlung und emotionale Manipulation Robins durch die zwei Erwachsenen ließ Les Daniels in seinem Buch Batman: The Complete History zu dem Schluss kommen: „Wenn einen Comics tatsächlich – so wie Doktor Wertham behauptet hat – schwul machen könnten … dann wäre es wohl dieser, der dazu in der Lage wäre.“

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      Als sich die Rebellion gegen den Comics Code in dieser Form der verschlüsselten Analyse des psychosexuellen Zustands Amerikas auszudrücken begann, hätte dies nicht unerwartet kommen dürfen. Da sie unter der Fuchtel der Konformitäts-Polizei standen, entschieden sich die Comic-Macher für eine abgesicherte Route. Obwohl sie ihre Ansichten und ihren Zorn in Kinderfabeln umwandelten, ist es nach wie vor schwer, die Echos der drogenverhangenen und psychedelischen Visionen eines Ginsbergs oder Burroughs zu überhören.

      Stellt Euch den schmallippigen, rationalen Batman, gespielt von Christian Bale, aus den neuen Filmen von Christopher Nolan vor, wie er es mit den Gegnern des Fünfziger-Batmans aufnehmen muss: Da gab es z. B. Regenbogen-Batman, Zebra-Batman oder die Kreatur aus der Dimension X, die aussah wie ein einäugiger Hoden auf zwei strunkartigen Beinen. Es schien, als wäre alles möglich. Eine Auswahl an Titeln gefällig? „Dschungel-Batman“, „Merjungmann Batman“ („JA, ROBIN. ICH BIN EIN MENSCHLICHER FISCH“), „Das Tal der Riesenbienen“ („ROBIN! SIE HABEN IHN GEFANGEN UND IHN ZUM HOFNARREN AM HOF DER BIENENKÖNIGIN GEMACHT!“), und „Aus Batman wird Batbaby“. Und es gab noch mehr davon: ein ganzes Jahrzehnt gefüllt mit ungefiltertem Wahnsinn, da die Autoren bei DC jede Karte ausspielen mussten, um Batman von den von Verbrechen heimgesuchten Straßen, wo er eigentlich hingehört hätte, fernzuhalten.

      Dass Weisinger intensive Emotionen so in den Vordergrund rückte, legte das Fundament für das Silberne Zeitalter der Comics und die Ankunft eines Überschall-LSD-Bewusstseins, das die größte Ansammlung von jungen Menschen über Nacht in selbsternannte Übermenschen verwandeln sollte.

      Aber bevor dies geschah, und damit die Therapie als geglückt angesehen werden konnte, musste der Prozess der Verkleinerung, der Komprimierung und der Selbstauslöschung zu einem Abschluss kommen. Ein kollabierender Stern, ein Schwarzes Loch, wurde erschaffen. Aus ihm konnte nur ein Gott entkommen – oder auch eine Idee. Nicht einmal Licht kann einem Schwarzen Loch entfliehen. Der Ereignishorizont markiert die Grenze des menschlichen Wissens, aber nicht der menschlichen Vorstellungskraft.

      Es erschien The Flash, der schneller als das Licht laufen konnte.

      Dinge begannen zu verschmelzen.

      Dinge begannen zu verschwimmen.

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      Laut dem Buch The Comic Book Heroes, dem fundamentalen Überblick über das Silberne Zeitalter von Gerard Jones und Will Jacobs, wurden die Produzenten von Massenunterhaltung für Kinder und Jugendliche von Vertretern des amerikanischen Innenministeriums dazu aufgefordert, vermehrt Interesse für Wissenschaft und Technologie bei ihrer Zielgruppe zu wecken und zu fördern, um eine Generation von Experten heranzuzüchten, die die kosmischen Träume ihres Präsidenten in die Tat umsetzten sollten.

      Es erschien Kennedy-Man: der Astronaut, der attraktive Wissenschaftler, der selbstbewusste, zukunftsweisende Draufgänger mit der schönen Frau (und Freundin) und dem Blick auf die Sterne und die strahlende Zukunft. Das Bild vom verrückten, gefährlichen Wissenschaftler wurde durch den vernünftigen Forscherhelden ersetzt. Als die Ängste, hervorgerufen durch Sputnik und Juri Gagarin, Mitte der Sechziger schließlich der Bewunderung für John Glenn und die Weltraummänner des Projekts Mercury wichen, begannen die amerikanischen Helden des Silbernen Zeitalters sich durch ein neues Selbstvertrauen auszuzeichnen. Diese Damen und Herren hatten den Kalten Krieg bereits gewonnen, und ihre Nachkommen wuchsen in einer vielversprechenden Welt auf.

      DC-Editor Julius Schwartz war ein Veteran der Schundheftchen und der frühen Fanszene. Er war lange Zeit Mitarbeiter von Weisinger und auch als Literaturagent für Kultautoren wie H.P. Lovecraft oder Ray Bradbury tätig gewesen. Er brachte den Comics eine ruhige Rationalität und Liebe für perfekt konstruierte Science-Fiction-Rätsel, die oft um die Lösungen zu chemischen oder physikalischen Problemen gesponnen waren. Er bevorzugte einen unproblematischen Stil.

      Schwartz stellte sein Team rund um Carmine Infantino sowie die zwei Schreiber Gardner Fox und John Broome zusammen. Ein Mitglied seiner Truppe war auch Gil Kane, ein flotter Witzbold und Dandy, der einen Zeichenstil pflegte, der an eine Mischung aus Mac Raboy und Jack Kirby erinnerte. Kane verließ sich zwar ein wenig zu oft auf klassische Comic-Posen, aber ansonsten war seine Arbeit sauber, frisch und dynamisch. Seine Helden hatten den Körperbau von Balletttänzern anstatt von Ringern oder Muskelprotzen, sie zierte eine feminine Grazie, die auch Infantino seinen Helden zu verleihen wusste. Das war das Team, das The Flash wiederbelebte.

      Ihr erinnert Euch wahrscheinlich noch an den Flash des Goldenen Zeitalters, alias Jay Garrick, der den Dampf schweren Wassers eingeatmet hatte, bla, bla, bla. Als Schwartz vorgeschlagen wurde, die Figur aus der Versenkung zu holen, um so die aktuelle Reaktion des Marktes auf Superhelden zu testen, stimmte er zu. Seine Bedingung war, die Serie