Kopf und suchte Blickkontakt zu Emde. Der aber schien völlig der jungen Frau Doktor erlegen. Wie einige andere Männer in der Halle offenbar auch, wie der Journalist mit einem Blick in die Runde bemerkte. Der attraktive Rotschopf nahm davon jedoch keinerlei Notiz. Der feine Punkt eines Laserpointers huschte bereits über schraffierte Flächen und bunte Unterlegungen, mit denen verschiedene Gesteinsschichten gekennzeichnet waren, die weit unterhalb dessen lagen, was in den fünfziger und sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit der damaligen Fördertechnik zu erreichen gewesen war. Sie hatte mit ihrem Vortrag begonnen, sprach von Absatzmöglichkeiten auf den Märkten, die in Relation zu den Explorations- und Betriebskosten stehen mussten. Der Preis bestimme nach wie vor die Nachfrage, erklärte sie, während Kleine sich fragte, inwieweit Geologen auch betriebswirtschaftliche Aspekte eines solchen Projekts durchdachten. Denn die Hauptaufgabe der Geologin war es ohne Zweifel, die Sorgen der Menschen in den Dörfern zu zerstreuen. Dr. Vanderwalde sprach ausgiebig über den Unterschied zwischen Gebirgsschichten über einem Kohle- und einem Erzabbau. Nein, Bergschäden, wie sie im Ruhrgebiet zahlreich aufgetreten waren, würde es auf dem Martenberg und in der Umgebung nicht geben. „Erzgebirge ist im Gegensatz zum Gebirge über Steinkohle ein so genanntes Stehendes Gebirge. Da bricht nichts einfach so durch.“ Sie hielt einen Augenblick inne und musterte ihre Zuhörerinnen und Zuhörer durch ihre Brillengläser. „Im Übrigen gab es ja schon mal eine Reaktivierung der Grube, vielleicht erinnert sich der eine oder andere daran.“ Verhaltenes Lachen und vielfaches Nicken war zu hören und zu sehen. Auch wenn es keine Zeitzeugen mehr gab, wusste jeder im Raum, dass die Grube Christiane bereits in den Anfängen der NS-Zeit nach mehreren Jahrzehnten Stillstand noch einmal ausgepumpt und wieder in Betrieb genommen worden war. Das Deutsche Reich brauchte Erz für seine angestrebte Weltherrschaft. Kleine fiel auf, dass der Klang von Vanderwaldes Stimme so gar nicht zu ihrem Äußeren passte. Er war sehr viel rauer als erwartet, die Sätze weniger von wissenschaftlichen Satzbandwürmern geprägt. Das war eher der Ton, mit dem man sich in einem lauten Umfeld verständlich machen konnte. Dr. Vanderwalde hätte auch problemlos Schiedsrichterin in einer Regionalliga sein können. Oder Grundschullehrerin in einem Brennpunktviertel. Oder Frau Kapitänleutnant auf einem Schnellboot der Bundesmarine. Während es für den Journalisten keine besondere Überraschung war – Geologie war nach Kleines Information ein Studiengang, in dem man sich als Frau eher gegen eine Horde rüpeliger, Baumfällerhemden tragende Naturfreunde als Kommilitonen durchsetzen musste, als in Medizin oder Pädagogik – schienen die Zuhörer in der Mehrzahl fasziniert von der Ambivalenz, die sie geboten bekamen.
Endlich hatte Emde ihn wieder wahrgenommen. Kleine ließ die Augen hinüber zu dem immer noch unbekannten Besucher wandern, der sich eifrig Notizen machte. Dann ging sein Blick langsam zurück zur Geologin, schließlich nickte Kleine mit dem Kopf zweimal die Strecke von Vanderwalde zu Emde und wieder zurück ab. Der Ermittler verstand, was Kleine vorhatte und nickte ebenfalls. Er würde die Wissenschaftlerin in ein Gespräch verwickeln, in der Zeit würde Kleine dem Unbekannten auf den Zahn fühlen. Ein zwangloses Gespräch nur, ich kenne Sie noch gar nicht, sind Sie neu hier am Diemelsee? Wo wohnen Sie? Ach, wirklich? Das ist aber schön. Ja, ja, richtig, das Haus hat lange auf neue Bewohner gewartet. Und gefällt es Ihnen gut bei uns? Schön!
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.