Hanspeter Künzler

Der Thriller um Michael Jackson


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      Michael Jackson: Gespräche über Michael

      Die Fans: „Möchtest Du noch etwas anderes zu Michael Jackson sagen?“

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      Einleitung

      Dieses Buch hat eine eher ungewöhnliche Entstehungsgeschichte. Sie beginnt mit dem Buch davor, „Black Or White – Michael Jackson, die ganze Geschichte“. Man erlaube mir, ein bisschen weiter auszuholen.

      Ich hätte schon immer gern ein Buch geschrieben. Das heißt, geschrieben hatte ich eigentlich schon ein paar. Zweieinhalb Romane und allerhand Kurzgeschichten liegen wie bei jedem rechten Ex-Literaturstudenten in der Schublade. Statt im Laden zwischen Kraus, Karl und Kureishi, Hanif und in Sichtweite von Nabokov zu stehen, gilben sie in ihrer düsteren Klause dahin und werden jeden Tag altmodischer, so wie ihr Schöpfer jeden Tag altmodischer wird. Immerhin standen bei der letzten Überprüfung noch alle Buchstaben genau da, wo sie hingehörten. Nicht so wie beim Kunstgeschichtsdozenten, der mir in London vor Jahren Roland Barthes zu erklären versuchte. Er hatte seine Dissertation mit der neuesten Errungenschaft der Schreibwarenindustrie, nämlich dem Filzstift, geschrieben. Als er endlich das Ende seiner langjährigen Arbeit erreichte, musste er feststellen, dass die ersten hundert Seiten bis zur Unleserlichkeit verblichen waren. Mit solcher Zeichenlosigkeit hätte auch Roland Barthes seine liebe Interpretationsmühe gehabt. Wenn es mit den Romanen nicht klappt, so dachte ich, dann vielleicht eines Tages mit einem Musikbuch. Mit einem etwa über die schottischen World-Folk-Pioniere The Incredible String Band, die meine Teenage-Jahre geformt hatten. Oder die hydrahaften Band-Ungetüme von George Clinton. Oder gar das legendäre Black Ark-Studio von Lee Perry. Themen halt, die mich seit den frühesten Tagen meiner Musikliebhaberei verfolgen. Es ist dies übrigens eine Liebhaberei, die seit Jahren auch die englischen Frühstückswürstchen auf den Tisch bringt. Denn glückliche Umstände hatten mich in die Musikmetropole London verschlagen, kurz bevor Michael Jackson mit „Off The Wall“ die Flügel seiner Kreativität ausbreitete, und in dieser Stadt wird bekanntlich rund um die Uhr gefiedelt und gesungen. So habe ich seither Tausende von Artikeln geschrieben und Interviews aufgezeichnet, Hintergrundgeschichten ebenso wie luftige Lappalien, tiefschürfende Gespräche ebenso wie Trivialgeplapper. Ich war denn auch zuversichtlich, dass ich früher oder später über einen grauen Winter hinweg ein einigermaßen süffig zu lesendes Musikbuch bewerkstelligen würde. Indessen blitzten meine Vorschläge mit unschöner Regelmäßigkeit ab. „No commercial potential“ lautete der Refrain der Verlage wie einst bei Frank Zappa.

      Am 5. März 2009 wurde ich eingeladen, einer „Pressekonferenz“ (so die Plattenfirma) von Michael Jackson im Foyer der O2-Arena in den Londoner Docklands beizuwohnen. Es war eh ein vielbeschäftigter Monat. Am Tag zuvor war ich bei der CD-Taufe des neuen Grizzly Bear-Albums gewesen und hatte dazu den Artikel über die Tate-Ausstellung von Roni Horn fertig gestellt. In den nächsten Tagen standen Interviews mit King Creosote, Kasabian und Noisettes an. Angesichts der vielen Deadlines bedeutete der Ausflug in die O2-Arena vor allem einmal zusätzlichen Stress. Wobei man sich die Gelegenheit, diesen Jahrhundertkünstler live auf einer Bühne zu erleben, natürlich doch nicht entgehen lassen wollte. Das kuriose Ereignis begann mit einer akribischen Sicherheitskontrolle draußen vor dem Medieneingang. Es blies ein Wind Marke Grönland. Die Durchsuchung war gründlicher als am Flughafen, und ich erwartete, gleich noch zur Leibesvisitation abgeführt zu werden. Natürlich war Michael spät dran. In der Tat flimmerten just in dem Moment Live-Bilder von seiner Abfahrt vom Hotel über den Schirm, als er hätte vor die Presse treten sollen. Zwei Stunden schlotterte man dann am zugewiesenen Plätzchen im zum „Konzertlokal“ umfunktionierten O2-Foyer, derweil die wichtigtuerischen PR-Leute mit ihrem pompösen Gehabe die Tatsache zu vertuschen versuchten, dass auch sie keine Ahnung hatten, was als Nächstes passieren sollte. Ich weiß, es ist dies eine Charakterschwäche von mir, aber bei einem solchen Getue – man bekommt es weiß Gott genug oft zu sehen – bekomme ich schlechte Laune. Am liebsten hätte ich dem gänzlich ironiefreien, aber auch schuldlosen Kollegen aus New York die Memory Sticks in die Nasenlöcher gestopft und der goldbehangenen Russin einen Themse-Aal in den Ausschnitt gesteckt. Jedenfalls kam Jackson dann doch noch, sagte „this is it“ und „I love you all“, und meine Laune verbesserte sich nur unwesentlich. Dass er ein paar Konzerte durchführen wollte, wussten wir alle sowieso schon. Es hatte am Morgen in der Boulevardpresse gestanden. Ich ging nach Hause und schrieb mir die schlechte Laune mit einem Blog-Eintrag vom Leib.

      Drei Tage später eine E-Mail. Der Musikbuchverlag Hannibal erkundigte sich, ob ich Lust hätte, eine Biografie über Michael Jackson zu schreiben. Man stelle sich eine nüchterne Biografie vor, in welcher sich auch die Fans wohl fühlen könnten. Natürlich solle das Buch rechtzeitig auf die Konzerte anfangs Juli hin erscheinen. Zweieinhalb Monate, um ein ganzes Buch zu schreiben? Absurd! Natürlich nahm ich das Angebot an. Und ganz nach dem Motto vom geschenkten Gaul und dem Maul fragte ich nicht, wie diese freundlichen Menschen ausgerechnet bei mir gelandet waren, denn es könnte sich ja um einen Fehler handeln. Erst in den Tagen nach der Zusage ging mir der volle Schrecken meiner Situation richtig auf. Der ganze April war eh schon bis an den Rand gefüllt mit journalistischen Verpflichtungen. Außerdem stellte es sich heraus, dass im englischen Sprachraum kaum noch Jackson-Bücher erhältlich waren. Zehn Jahre lang hatte dieser hier fast nur noch mit Skandalen von sich reden gemacht, viele Fans schienen abtrünnig geworden zu sein, die alten Biografien waren vergriffen. Überdies hatte ich Zweifel: War es überhaupt angebracht, eine Biografie zu schreiben über jemanden, den man nie getroffen hat? Im Gegensatz etwa zu Literatur und Kunst, wo es üblich ist, Biografien ohne persönlichen Kontakt zu schreiben, erwarten Popfans gemeinhin ein paar Originaltöne. Ich wischte die Skrupel, für die es sowieso zu spät war, beiseite. Da Jackson in den letzten zwanzig Jahren kaum noch Interviews gegeben hatte und diese wenigen Interviews zudem alle öffentlich zugänglich waren, gestattete ich mir die Schlussfolgerung, in diesem Fall sei es vertretbar, sich auf Quellen wie Jacksons Memoiren, andere Biografien sowie mein Pressearchiv zu verlassen.

      Der Zeitdruck hatte eine surreale Arbeitsintensität zur Folge. Als ich am 1. Mai endlich zu schreiben anfing, lebte ich bereits ganz in der Welt von Michael Jackson. Mit jeder neuen Seite vertiefte – und erneuerte – sich die Faszination, mit der er mich nun in Beschlag nahm. In meinen frühen Londoner Tagen, als ich in einer Schule in Wembley gearbeitet hatte, hatte ich aus nächster Nähe und auch am eigenen Leib miterleben dürfen, wie die kühne und subtile Stilmelange von „Off the Wall“ Menschen über alle lokalen Kulturgrenzen hinweg – England, Jamaika, Indien, Pakistan – in ihren Bann gezogen hatte. Durch dieses Album (und die Chic-LPs der damaligen Flamme meines Herzens) fand ich erst den Zugang zu der schwarzen Musik von Amerika – Funk, Soul und viel später auch noch Blues. Im Juli 1992, als Michael Jackson auf seiner „Dangerous“-Tournee in London Halt machte, pilgerte denn auch ich ins Wembley-Stadion. Andere Musik bewegte mich mehr, als es „Dangerous“ getan hatte – das Konzert ging trotzdem gewaltig unter die Haut. Dennoch verlor ich Jackson in der Folge aus den Augen. Nein, ein „Fan“ in der Art, wie wir ihm in den folgenden Seiten begegnen werden, war ich beileibe nicht. Aber mit dem Schreiben an der Biografie kehrten die Erinnerungen zurück und wandelte sich das professionelle Interesse in eine persönliche Faszination. In der Tat ließ es sich Michael nun nicht nehmen, mir in meinen Träumen ab und zu einen kleinen Besuch abzustatten. Ich kann versichern, dass er auch hier tanzen konnte wie ein Herrgöttchen. Ein Bier wollte er allerdings nie mit mir teilen.

      Am 9. Juni lieferte ich das Manuskript ab und setzte mich zur Erholung und zum Sammeln neuer journalistischer Einfälle nach Zürich ab. Ein paar Mal noch flog mein Werk in virtueller Fassung hin und her zwischen dem Verlag und mir. Dabei, so muss ich gestehen, war ich kaum