der Neunziger einige Hits einspielten. Perry sollte auf Grund des Erfolgs mit Pink in der Zukunft selbst zu einem Superstar werden – eine Top-Songwriterin und erstklassige Produzentin, die unter anderem auch von Christina Aguilera, Gwen Stefani und Alicia Keys „gebucht“ wurde.
Während eines Interviews in der Sendung Driven auf VH1 erzählte Pink die Geschichte des ersten Kontakts mit Perry, dem Idol ihrer Teenager-Zeit. Nachdem sie die Telefonnummer der Künstlerin im Adressbuch einer Visagistin gefunden hatte, rief sie einfach an und hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Aufgeregt stotterte Pink, dass sie mit Perry komponieren und ihre Hilfe bei der Produktion des zweiten Albums in Anspruch nehmen wolle. Dann erklärte sie noch den Grund, warum sie ausgerechnet die Neunziger-Jahre-Musikerin ausgewählt hatte – das Album Bigger, Better, Faster, More! (1992) der 4 Non Blondes, mit dem sie groß geworden ist, bedeute ihr sehr viel.
Einige Zeit später kolportierte sie eine andere, eher obsessive Version der Kontaktaufnahme mit Perry, die schon fast mit Stalking in Verbindung gebracht werden konnte. Statt einfach nur Nachrichten zu hinterlassen, sang sie Perry Stücke der 4 Non Blondes vor. Schließlich musste die Sängerin der Neunziger-Truppe nachgeben: „Du bist verdammt noch mal übergeschnappt“, warf sie Pink an den Kopf. „Komm rüber.“
Nun war Perry mit an Bord und sollte für das Songwriting und die Produktion verantwortlich zeichnen. Als Assistenten wählte man Dallas Austin und Scott Storch aus, die kanadischen Hip-Hop-Produzenten, die für Hits von 50 Cent, Busta Rhymes, Ice Cube und vielen anderen verantwortlich gewesen waren. Pink unternahm einen weiteren Versuch, um die Akzeptanz des Publikums zu beeinflussen, indem sie die Hard Rocker Steve Tyler von Aerosmith und Richie Sambora von Bon Jovi bei einigen Tracks für Gastauftritte rekrutierte. Nun musste sie nur noch ihren Labelchef, LA Reid, überzeugen, dass die eher Rock-orientierte Veränderung eine gute Idee darstellte.
Wie sie dem Bang-Magazin erzählte, stritt sich Pink während der Produktion mit Reid, dass die Fetzen nur so flogen. „Ich verhielt mich ziemlich krass und meinte: ‚Das will ich so haben – du musst mir einfach glauben. Falls es dir nicht passt, kannst du mich ja zu McDonalds zurückschicken.‘ Und dann gab’s ein Ringen und einen Kampf, aber die Kämpfe zwischen mir und LA sind lustig, weil a) ich immer gewinne, ha! und b) er so leidenschaftlich und musikalisch ist. Er glaubt an mich, unterstützt mich und gibt mir den Freiraum, meine Fehler selbst zu machen.“
„Fehler“ ist ein Wort, das nicht ernsthaft in Verbindung mit Pinks zweitem Album gebracht werden kann. M!ssundaztood wurde im November 2001 veröffentlicht. Pink wählte den Titel als Anspielung auf ihr Image in der Öffentlichkeit – er sollte symbolisieren, dass die Leute einfach ein falsches Bild von ihr hatten. In über 20 Ländern konnte die CD Gold oder Platin ernten (obwohl sie nur in Irland den ersten Platz der Charts erreichte). Das Album hat mittlerweile zwischen 12 und 16 Millionen Einheiten verkauft und die Hits „Get The Party Started“, „Just Like A Pill“, „Family Portrait“ und „Don’t Let Me Get Me“ abgeworfen. Die erste Auskopplung „Get The Party Started“ (geschrieben und produziert von Perry) kam in den USA und anderen Ländern unter die Top 5 und erklomm in Australien den ersten Platz. Die anderen Single-Auskopplungen – „Don’t Let Me Get Me“ und die von Dallas Austin produzierten „Just Like A Pill“ sowie „Family Portrait“ – waren weitere Radio- und Charts-Erfolge, wobei Pink mit „Just Like A Pill“ ihren ersten Nummer-1-Hit im Vereinigten Königreich feiern konnte. Dort stand M!ssundaztood in den Jahresverkaufscharts des Jahres 2002 auf dem zweiten Platz. Die Platte setzte bislang in Großbritannien 1,8 Millionen Einheiten um, erhielt sechs Mal ein Platin-Zertifikat und steht zurzeit auf dem 94. Platz der bestverkauften Alben aller Zeiten.
M!ssundaztood und „Get The Party Started“ wurden bei den Grammy Awards 2003 mit Nominierungen in den Kategorien „Bestes Pop-Vocal Album“ und „Beste weibliche Pop-Vocal-Performance“ bedacht, wohingegen das Video zu „Get The Party Started“ bei den MTV Video Music Awards in den Kategorien „Bestes Video einer Sängerin“ und „Bestes Dance Video“ gewann.
Und das alles – die ganzen Preise und weltweiten Smash-Hits – wurzelten in dem kleinen, einfachen Ratschlag Perrys, dass Pink sich emotional öffnen solle!
Perry erklärte damals: „Zu Beginn unserer Zusammenarbeit fragte ich sie: ‚Was fühlst du?‘ und Pink setzte sich einfach hinter das Klavier und sang.“ Während des Songwritings und der Aufnahme des Albums zog Pink sogar nach Los Angeles, um bei Perry zu wohnen. Die beiden verbrachtem mehrere Monate damit, Stücke zu schreiben und sich alle nur erdenklichen Ideen „an den Kopf zu werfen“.
Diese drei einfachen Worte – „Was fühlst du?“ – ermutigten Pink, ihre ganze Seele und ihr Herz in die Songs fließen zu lassen. Mit der Hilfe Perrys konnte sie acht Tracks kreieren – mehr als die Hälfte des Albums! Es waren „M!ssundaztood“, „Get The Party Started“, „Respect“, „Dear Diary“, „Eventually“, „Lonely Girl“ (bei dem Linda Perry singt), „Gone To California“ und „My Vietnam“. Mit diesen acht Titeln gelang es Pink, die Wahrnehmung des Publikums mit Blick auf ihre Rolle als Künstlerin und Frau radikal zu verändern.
Eigentlich nicht erstaunlich, bedenkt man die Themen, die sie mit den Stücken anspricht. Auf „Don’t Let Me Get Me“ zeichnet sie ein Selbstporträt des ultimativen „bad girls“. Ihre Socken sind schmutzig, ihre Eltern hassen sie und sie singt dann: „I’m a hazard to myself … I’m my own worst enemy“, bevor sie klarmacht: „I wanna be somebody else.“ Pink stellt zudem Bezüge zu LA Reid her und verdeutlicht dabei, dass sie nicht als glatte und geschniegelte Pop-Tusse vermarktet werden will: „All you have to change is everything you are.“ Hiermit greift sie den Besitzanspruch der Produzenten an, die Produkte erschaffen wollen, anstatt Künstler zu fördern. Pink will sich aber nicht verbiegen, will autonom und selbstbestimmt bleiben. Sogar die damals populärste Teenie-Pop-Diva der Welt tritt in einer Nebenrolle auf: „Tired of being compared to damn Britney Spears“, beklagt sie sich über ihre sogenannte Rivalin. „She’s so pretty/That just ain’t me.“ (Später, als Spears bei Medien und Fans in Ungnade fiel, war Pink in der Lage, Mitgefühl zu zeigen, denn der einstigen Diva wurde nun ebenfalls die Rolle des „bad girl“ aufgedrückt.) „Ich habe Britney immer geliebt“, erzählte Pink in einem Interview 2006. „In der Öffentlichkeit und im Privatleben bin ich ihre Freundin. Ich habe sie immer verteidigt. Sie ist einfach ein nettes Mädchen und wird von der Presse runtergemacht. Sie tut mir leid.“
Auf „Just Like A Pill“ spielt Pink auf ihren Drogenmissbrauch als Teenager an und benutzt Betäubungsmittel als Metapher für gestörte Beziehungen. Beim Song „My Vietnam“ zieht sie eine Analogie zu den Kriegserfahrungen des Vaters in Vietnam (am Ende lodert Jimi Hendrix’ „Star-Spangled Banner“ auf, ein wichtiger Song für die Frontsoldaten in Vietnam) und benutzt das Bild einer Schlacht, um ihre turbulente Erziehung darzustellen, wobei sie ihr Selbstbild als „wandelndes Pulverfass“ entwirft: „Mother was a lunatic, she liked to push my buttons … Never liked school that much … They keep dropping bombs and I keep score.“
Mit „Family Portrait“ dokumentiert Pink ihre Herkunft noch plastischer. Sie durchleuchtet auch den letzten Winkel ihrer kaputten Familie, die Scheidung der Eltern und die dadurch verursachte Zerrüttung. „Mama, please stop cryin’ … your pain is painful … I told daddy you didn’t mean those nasty things you said … It ain’t easy growing up in World War 3 …“ Der Text kann als Beschreibung des Familienkonflikts interpretiert werden, aber auch als ein schillerndes Kapitel einer Rock-Autobiografie. Die Worte vermitteln solch eine Eindringlichkeit, dass ihre Familie wie am Boden zerstört war, als sie den Song hörte.
„Es hat der ganzen Familie wehgetan, aber gleichzeitig für reinen Tisch gesorgt. Danach ging es uns allen besser.“ Ihre Mutter war trotzdem über die Zeile in „My Vietnam“ tief verletzt, in der sie als „Wahnsinnige“ beschrieben wird. „Meine Mum war eine Zeit lang verdammt sauer. [Aber] wir haben uns dann ausgesprochen. Ich mag es nicht, Sachen unter den Teppich zu kehren – man muss die Dinge beim Namen nennen und damit klarkommen.“ Wie Pink der Sun 2008 berichtete, lag ein wichtiger Effekt von M!ssundaztood darin, dass sie eine unvergleichliche Offenheit an den Tag legte und von diesem Zeitpunkt an immer authentisch blieb. Das ist ein wichtiges Charakteristikum, das sich in ihrer Musik zeigt