aus einem Mailorder-Katalog ausgewählt worden waren. Darunter befanden sich Fotografien aus den frühen Siebzigern, auf denen Frauen mit gespreizten Beinen die Schwänze riesiger Hengste ritten und Schweineschwänze saugten, die wie weiche, fleischige Korkenzieher aussahen. Ich hatte schon einmal in Playboy oder Penthouse geblättert, aber das hier spielte in einer ganz anderen Liga. Das war nicht einfach nur obszön, sondern surreal – diese ganzen Frauen strahlten mit dem wirklich unschuldigen Lächeln von Blumenkindern in die Kamera, während sie den Tieren einen bliesen und sie fickten.
Hinter dem Spiegel waren auch Fetischmagazine wie Watersports oder Black Beauty versteckt. Anstatt die kompletten Hefte zu stehlen, nahmen wir eine Rasierklinge und schnitten bestimmte Seiten aus. Dann falteten wir sie in kleine Quadrate und versteckten sie unter den großen, weißen Felsen, die an der Auffahrt zur Garage meiner Großmutter standen. Jahre später, als wir an der gleichen Stelle nach ihnen suchten, waren sie noch immer da – verwittert, zerfranst, voller Schnecken und Regenwürmer.
An einem Herbstnachmittag, als Chad und ich nach einem besonders ereignislosen Schultag am Esszimmertisch meiner Großmutter saßen, wollten wir endlich herausfinden, was sich in der verschlossenen Schublade an der Werkbank befand. Stets darauf bedacht, ihre Brut zu mästen, stopfte uns Großmutter – sie hieß Beatrice – andauernd mit Fleischklößen und einem widerlichen Fruchtsirup voll, der größtenteils aus Wasser bestand. Sie stammte aus einer reichen Familie und hatte haufenweise Geld auf der Bank liegen, aber sie war so geizig, dass bei ihr eine Flasche Sirup monatelang ausreichen musste. Meistens trug sie kniehohe Strümpfe, die bis zu den Fußknöcheln heruntergerollt waren, und merkwürdige graue Perücken, die ihr offenkundig nicht passten. Die Leute haben mir immer gesagt, dass ich ihr ähnlich sehe, denn wir waren beide dünn und hatten den gleichen schmalen Gesichtsschnitt.
Solange ich hier ihr ungenießbares Essen in mich hineinzwängte, hatte sich in dieser Küche nie etwas verändert. Über dem Tisch hing ein vergilbtes Bild vom Papst, das in einen billigen Messingrahmen eingefasst war. Ein imposant wirkender Stammbaum, der die Wurzeln der Familie Warner nach Polen und Deutschland zurückverfolgte (wo sie noch die Wanamakers genannt wurden), klebte direkt daneben. Im Zentrum der Aufmerksamkeit aber stand ein großes, hohles, hölzernes Kruzifix mit einem goldenen Jesus. Das Holzgestell war mit einem toten Palmenzweig umwickelt. Unter einem kleinen Schiebedach verbargen sich eine Kerze und eine Schale mit Weihwasser.
Gleich unter dem Küchentisch lief ein Heizungsschacht entlang, der direkt zu der Werkbank im Keller führte. Durch diesen Hohlraum hindurch konnte man das trockene Aufhusten meines Großvaters hören. Er ließ den CB-Funk laufen, aber er sprach nie in das Gerät hinein, sondern hörte nur zu. Als ich noch sehr jung war, hatte er wegen Krebs im Krankenhaus gelegen, und solange ich mich erinnern kann, bekam ich niemals seine wirkliche Stimme zu hören, nur dieses schartige Keuchen, das er durch seinen Luftröhrenschnitt presste.
Wir warteten, bis wir hören konnten, dass er den Keller verlassen hatte, ließen unsere Fleischbällchen stehen, schütteten den Sirup in den Heizungsschacht und wagten uns nach unten. Wir konnten hören, wie unsere Großmutter vergeblich hinter uns herrief: »Chad! Brian! Macht eure Teller leer!« Wir hatten Glück, dass sie an diesem Nachmittag nur schrie. Normalerweise, wenn sie uns beim Essenstehlen erwischte, wir eine freche Antwort gaben oder sonst irgendeinen Mist bauten, mussten wir in der Küche fünfzehn bis sechzig Minuten lang vor einem Besenstiel in die Hocke gehen, was uns ständig zerschundene und verschorfte Knie einbrachte.
Chad und ich arbeiteten schnell und ruhig. Wir wussten, was zu tun war. Nachdem wir uns einen verrosteten Schraubenzieher geschnappt hatten, stemmten wir die Schublade der Werkbank weit genug auf, um gerade so hineinspähen zu können. Das Erste, was wir sahen, war Zellophan, jede Menge davon, das um irgendwas herumgewickelt war. Wir konnten es aber nicht genau erkennen. Chad schob den Schraubenzieher tiefer in die Schublade. Nun waren Haare und Bänder zu sehen. Er zwängte das Werkzeug noch weiter hinein, und ich zog an, bis die Schublade endlich nachgab.
Was wir nun entdeckten, waren Bustiers, Büstenhalter, Slips und Höschen – sowie mehrere verhedderte Frauenperücken mit hart gewordenem, bunt geflecktem Haar. Wir fingen an, das Zellophan auszuwickeln, aber als wir erkannten, was darin verborgen war, ließen wir das Päckchen auf den Boden fallen. Keiner von uns beiden wollte es anfassen. Es waren mehrere Dildos mit Saugnäpfen unten dran. Vielleicht war ich einfach noch zu jung, aber sie kamen mir riesig vor. Und sie waren mit einem getrockneten, dunklen Schleim überzogen, fast wie die gelatineartige Kruste, die sich um einen Truthahn herum bildet, wenn er im Ofen gebacken wird. Später kamen wir zu dem Schluss, dass es sich um altes Vaseline handeln musste.
Ich überredete Chad, die Dildos wieder einzupacken und sie in die Schublade zurückzulegen. Für diesen Tag hatten wir genug geforscht. Genau in dem Moment, als wir die Lade verschließen wollten, drehte sich der Knopf an der Kellertür. Für einen Moment erstarrten Chad und ich vor Schreck, dann griff er hastig nach meiner Hand und zog mich unter einen Sperrholztisch, auf dem mein Großvater seine Spielzeugeisenbahn aufgebaut hatte. Das war gerade noch rechtzeitig genug, denn seine Fußschritte waren fast schon auf der untersten Stufe zu hören. Der Boden war mit Zubehör für seine Spielzeugeisenbahn übersät, größtenteils Kiefernnadeln und Kunststoffschnee, was ungefähr wie Krapfen mit Puderzucker aussah, die im Dreck zertrampelt worden waren. Die Nadeln pieksten an unseren Ellbogen, ein Ekel erregender Geruch lag in der Luft, und unser Atem ging schwer. Aber Großvater schien weder uns noch die halbgeöffnete Schublade zu bemerken. Wir hörten, wie er in dem Raum herumschlurfte und trocken durch das Loch in seinem Hals hustete. Es machte »Klick«, und die Spielzeugeisenbahn begann über die großen Schienen zu rattern. Seine schwarzen Lacklederschuhe traten direkt vor uns auf dem Boden auf. Wir konnten bis zu seinen Knien hinaufsehen, aber glücklicherweise wussten wir, dass er auf einem Stuhl saß. Seine Füße fingen langsam an, gegen den Boden zu schaben, als würde er gewaltsam in seinem Stuhl umhergeschaukelt werden, und sein Husten übertönte langsam das Rattern der Züge. Mir fällt einfach keine Beschreibung für die Geräusche ein, die sein nutzloser Kehlkopf machte. Der beste Vergleich, den ich anbieten kann, ist ein alter, vernachlässigter Gartenrasenmäher, der stotternd wieder zum Laufen gebracht wird. Aus dem Körper eines menschlichen Wesens klang das einfach monströs.
Nach zehn äußerst unangenehmen Minuten tönte eine Stimme von den Stufen herab. »Du treuloser Gottesverräter!« Es war meine Großmutter, offenbar hatte sie schon eine ganze Zeit lang nach ihm gerufen. Der Zug hielt an, und seine Füße kamen zur Ruhe. »Jack, was machst du da unten?«, kreischte sie.
Mein Großvater bellte verärgert durch sein Loch im Kehlkopf zurück.
»Jack, kannst du zu Heinies’s laufen? Wir haben schon wieder keine Limonade mehr.«
Erneut bellte mein Großvater zurück, diesmal noch verärgerter. Er rührte sich kein bisschen, schien aber zu überlegen, ob er ihr nun helfen soll oder nicht. Dann stand er langsam auf. Wir waren in Sicherheit, wenigstens für dieses Mal.
Nachdem wir unser Bestes versucht hatten, um den Schaden zu beheben, den wir an der Schublade in der Werkbank hinterlassen hatten, stiegen Chad und ich die Stufen hinauf und gingen zu dem Entlüftungsschacht, in dem wir unser Spielzeug versteckten – wobei wir mit Spielzeug natürlich unsere beiden Luftgewehre meinten. Außer der Möglichkeit, meinen Großvater auszuspionieren, verfügte das Grundstück meiner Großeltern über zwei weitere Attraktionen: den nahegelegenen Wald, in dem wir auf Tiere schossen, und die Mädchen in der Nachbarschaft, denen wir nachstellten, leider ohne Erfolg, das mit dem Sex sollte erst sehr viel später klappen.
Manchmal gingen wir in den Stadtpark hinter dem Wald und versuchten, auf Football spielende Kids zu schießen. Bis auf den heutigen Tag hat Chad eine Luftgewehrkugel im Brustkorb stecken, die sich zwischen der Haut und dem Knochen eingegraben hat. Denn wenn wir keine anderen Opfer finden konnten, zielten wir einfach gegenseitig auf uns. Dieses Mal blieben wir in der Nähe des Hauses und wollten die Vögel in den Bäumen abknallen. Das war böse und gemein, aber wir waren jung, und uns war alles scheißegal. An diesem Nachmittag war ich besonders blutrünstig, und unglücklicherweise lief uns ein Hase über den Weg. Der Prickel, den ich darüber empfand, dieses kleine Tierchen getroffen zu haben, stand in keinem Verhältnis zum Objekt. Ich ging trotzdem hin, um mir das Resultat meiner Heldentat anzusehen. Der Hase lebte noch,