John Taylor

Gefährlich gute Grooves


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Duran in der Version 2.0 zogen aus dem Spielzeugladen aus und siedelten sich mitsamt Ausrüstung im zweiten Stock des Cheapside-Hauses von TV Eye an, wo Andy Wickett immer noch wohnte. Wir steckten zukunftsfroh eine Zone für neue Musik ab, während die Subterranean Hawks, Steves und Simons neue Band (diese Bastarde!), im dritten Stock sich am Erbe der Rolling Stones und von Bob Dylan abarbeiteten.

      Es waren die besten Voraussetzungen für einen ernsthaften Zweikampf.

      Man lief sich unweigerlich über den Weg; es gab zu unbestimmten Zeiten Begegnungen auf neutralem, entmilitarisiertem Gelände wie der verwahrlosten Küche im Erdgeschoss, wo der Abwasch immer liegen blieb und Spötteleien und Zigarettenpapier getauscht wurden.

      Ein gewisser Hochmut kroch bisweilen vom dritten Stock herab, besonders als wir anfingen, unseren Sound aufzurüsten und tanzbare Grooves einbauten. Als Roger in die Band kam, spielte ich noch Gitarre, und ich begann, an einem eher rhythmischen Stil zu feilen, der sich mit seinen Drums verzahnte.

      Wir wagten uns musikalisch aus der Punk-Blase heraus, und auch unser Sozialleben konnte sich sehen lassen. Wir gingen gerne in Weinbars wie das Hawkins, gleich neben Virgin Records in der Corporation Street. Die Mädchen waren dort ansprechender, und man wurde freundlicher aufgenommen als in den schmuddeligen Pubs von Birmingham.

      In den Weinlokalen war auch die musikalische Kost abwechslungsreicher. Den Song „Everybody Dance“ von Chic hörte ich zum ersten Mal in einer Weinbar. Das Stück machte gewaltigen Eindruck auf mich, denn die Bassgitarre wirkte wie das Lead-Instrument. Ich hatte noch nie einen Bass so spielen hören. Diese Platte war für mich so revolutionär wie „Anarchy In The UK“ es gewesen war. Ich nahm eine Bassgitarre, die Andy Wickett in seinem Schlafzimmer stehen hatte, und begann, darauf herumzuspielen. Ich merkte, dass ich den Stil des Chic-Bassisten, dessen Name mir unbekannt war, leicht imitieren konnte. Das Gleiche galt für die Basslinien anderer beliebter Disco-Hits wie „You Make Me Feel (Mighty Real)“ von Sylvester. Was mir an Technik fehlte, machte ich durch Posen wett.

      Roger und ich waren begeistert von der Idee, im Stile dieser Disco-Bands zu spielen, und wir entwickelten gemeinsam einen Sound. Wir redeten sogar von einer Rhythmus-Gruppe, ein Begriff, den bestimmt keine Punk-Band jemals benutzt hatte. Der Bass übernahm die Führung, die tiefen Töne wurden von der Bassdrum eingeschlossen. Mir gefiel das Zusammenspiel und der Austausch von Energie, der zwischen uns stattfand.

      Mein Instinkt riet mir: Konzentriere dich auf den Bass. Die Frage nach dem Gitarristen sollte sich früh genug beantworten. Ich entschloss mich, etwas von meinen spärlichen Geldreserven in eine eigene Bassgitarre zu investieren, eine kostengünstige Hondo-Kopie, die armseliger aussah, als sie war.

      Angesichts der vielen Stunden, die ich im Laufe der Jahre damit zugebracht habe, Rogers Gesicht anzusehen, kann ich mich glücklich schätzen, dass ich auf so ein angenehmes, unvoreingenommenes und freundliches Gesicht blicken kann. Er ist außerdem der ausgeglichenste Typ, den ich kenne. Ein schönes Yin für mein Yang.

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      16: Pläne für Nigel

      Der nächste Schritt war, in ein richtiges Aufnahmestudio zu gehen. Bob Lambs schickte sich an, unter den Bands aus Birmingham eine Legende zu werden. Er hatte Schlagzeug in der Steve Gibbons Band gespielt, einer jener Bands, die so typisch waren für Rockmusik aus Birmingham vor der Punk-Ära. Ihr Erfolg war nicht überwältigend, aber sie hatten es mit einem Cover von Chuck Berrys „Tulane“ bis in Top of the Pops geschafft, und als Vorgruppe von The Who, die zu ihren Fans zählten, waren sie durch US-Stadien getourt. Bob hatte seine Einnahmen in ein kleines, aber feines Vier-Spur-Tonstudio gesteckt, das er sich zu Hause in Kings Heath eingerichtet hatte.

      Er war ein einfühlsamer und anregender Produzent, der als Geburtshelfer für UB 40 ihre erste Hit-Single „King“ und ihr Debütalbum Signing On produzierte. Das war für Birmingham-Bands inspirierend, denn UB 40 waren einzigartig; sie machten ihr Ding, nahmen ihr Album mit einem minimalen Budget auf, veröffentlichten es auf ihrem eigenen Label – und landeten schließlich einen Welt-Hit.

      Andy Wickett, Roger, Nick und ich buchten einen Tag in Bobs Studio. Es war unsere erste Erfahrung mit Mehrspur-Aufnahmen. Zunächst einmal nahm Bob mit großer Sorgfalt Rogers Schlagzeug ab. Ich hatte das noch nie gesehen. Er nahm sich Zeit, für jede Trommel den richtigen Sound hinzukriegen. Ich war fasziniert von den Kabeln, Stöpseln, Schaltern und Knöpfen. Ich verstand nicht, warum das so lange dauerte, bis ich die erste Spur hörte. Wir nahmen vier Songs auf, darunter ein erster Entwurf von „Girls On Film“. Ich spielte die Basslinie zu Rogers Schlagzeug ein und fügte dann die Gitarrenspur hinzu, da wir noch keinen festen Gitarristen gefunden hatten. Als wir uns den Rohmix anhörten, konnten wir nicht glauben, was Bob aus unserem Sound gemacht hatte. Er hatte den Disco-Einfluss voll erfasst und ließ Roger die Hi-Hat separat aufnehmen, ein Trick, den er von amerikanischen Disco-Produzenten gelernt hatte. Wir waren kompakt und funky. Mit Bobs Hilfe legten wir unsere spröde Kunsthochschul-Ausstrahlung ab und erzeugten den tanzbaren, tragfähigen Sound einer Pop-Gruppe.

      Das Begleitheftchen zur Demo-Cassette führte mich mit meinem Rufnamen, Nigel, auf. Bald darauf entschied ich, dass sich John Taylor als Name für einen Popstar besser anhörte als Nigel Taylor.

      Ich hatte genug von den Nigel-Jahren. In so vielen Satiren war das der Name der Nerds. In Monty Pythons TV-Sketch „Die Weltmeisterschaft der Oberschicht-Trottel“ hieß der größte Depp von allen Nigel. Die Schultage nach den Sendungen waren ein Albtraum. Und XTC hatten gerade „Making Plans For Nigel“ über den Musterknaben vom Dienst veröffentlicht.

      Nigel musste weg.

      Aber John – Johnny – war ein Rocker. Johnny Rotten, Johnny Thunders, Johnny Ramone.

      Es war mehr als ein Künstlername. Ich musste mich neu erfinden. Nicht mehr Mamis und Papis Sohn sein. Niemand sollte mich mehr Nigel nennen, weder die Band, meine Freunde noch meine Familie. Mum brauchte Jahre, um sich daran zu gewöhnen.

      Behandeln die Leute einen John anders als einen Nigel? Es ist wie bei Blondinen und Brünetten.

      Hätte ich ein klareres Bild davon gehabt, wer ich sein wollte, wäre ich bei Nigel geblieben. Ich wäre der einzige Nigel in einem Musik-Business gewesen, in dem es vor Johns und Johnnys nur so wimmelt. Aber so selbstsicher war ich nicht.

      Trotz alledem war der Wechsel meines Namens eine Verpflichtung. Es war ein Statement, wie ein neuer Haarschnitt. Einer, der bleibt.

      Nick beschäftigte das Thema genauso wie mich, wobei er seinen Vornamen mochte. Es war sein Nachname, Bates, der nicht ins Bild passte. Wir diskutierten ausgiebig die jeweiligen Alternativen.

      John, Johnny, Jon Ravel? Vielleicht.

      Nicholas, Nick, Nik Dior?

      Am Ende entschieden wir uns für die nüchterneren Varianten John Taylor und Nick Rhodes.

      Mit „Rhodes“ verband man den Clash-Manager Bernie oder die Mode-Zarin Zandra, der Name schien also die richtige Mischung aus elitärer und populärer Kultur zu haben.

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      17: Tolle lange Beine

      Einen neuen Namen hatten wir nun, um den neuen Sound, den wir mit Bob Lamb erschaffen hatten, vom Studio auf die Bühne zu bringen, fehlte uns aber noch ein hauptamtlicher Gitarrist. Es zeichnete sich ab, dass mir der Bass mehr lag, und die Drum/Bass-Dynamik, die Roger und ich entwickelten, funktionierte. Es kam hinzu, dass 1979 unzählige Kids Gitarre spielen wollten, aber nur sehr wenige Bass. Wir trafen Alan Curtis, einen Londoner, der mit seiner Freundin in Cradley Heath wohnte, und fragten ihn, ob er einsteigen wolle. Für gelegentliche Gastauftritte holten wir unseren Freund Fozzi von Vision Collision ins Boot, der gefühlvollen Background-Gesang beisteuerte. Das Selbstbewusstsein der Band auf der Bühne wuchs.

      In dem besetzten Haus stieß unsere neue musikalische Richtung auf Verachtung und Misstrauen. Als wir nach