John Taylor

Gefährlich gute Grooves


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die alle etwas bestellen wollen. Auf der anderen Seite der Tanzfläche steht, etwa drei Meter erhöht, die Bühne, auf der die Band des Abends erscheinen wird. Eine Gruppe von Punks hat sich bereits vor der Bühne versammelt und wartet. Sie besetzen kostbaren Platz auf der Tanzfläche, denn sie tanzen nicht. Sie sind hier um Live-Musik zu sehen und zu hören. Sie registrieren jede Aktivität neben und hinter der Bühne und schauen nach unten, um ihre Uhren zu prüfen.

      Es ist nach elf, Nick hat am nächsten Tag Schule. Ich bin in meinem ersten Jahr auf dem College und frage mich, an wie vielen Abenden ich meine Eltern habe anlügen müssen, die denken, ich sei bei Nick zu Hause und würde arbeiten. Auf der Bühne überprüfen Roadies die Mikros, Keyboards und Verstärker. Wir gehen die Stufen zur Bar hinauf, bestellen zwei Coke, ich zünde mir eine Zigarette an. Eine Player’s No. 6, die „Schüler-Zigarette“. Von hier aus hat man den besten Blick auf die Bühne, und es besteht keine Gefahr, mit Spucke eingeduscht zu werden, wie es mir einige Male bei The Clash und Generation X passiert ist.

      So voll wie heute Abend habe ich den Club noch nie gesehen. Es ist Blondies erste Show in Birmingham als Headliner, und sie werden wie eine Bombe einschlagen. Es ist Februar 1978, morgen werden sie für Top of the Pops den Song ihrer neuen Single, „Denis“, filmen. Debbie Harry wird über Nacht eine Sensation werden.

      Die Zeit vergeht langsam. Wir halten uns an unserer Cola fest. Weitere Zigaretten werden geraucht. Wir hoffen beide insgeheim, dass die Band nicht zu spät kommt, sodass wir vielleicht noch den Ein-Uhr-Nachtbus kriegen. Die Vorgruppe ist fertig. Die Nacht gehört jetzt dem Headliner. Die Menge ist angewachsen, und niemand interessiert sich mehr dafür, was DJ Wayne spielt. Jeder neue Song bedeutet nur drei weitere Minuten, bevor die Lichter ausgehen und die Band die Bühne betritt. Die Kids vorne skandieren „Blondie, Blondie, Blondie …“

      Wir lächeln uns an.

      Wir haben es geschafft.

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      14: Ballroom Blitz mit Synthesizern

      Ich weiß nicht, ob es an der Zeit lag, in der wir lebten, oder ob es einfach so ist, wenn man siebzehn ist, aber uns schien es so, als passiere musikalisch gerade ungeheuer viel; Punk Rock war in New Wave übergegangen, was ein Sammelbegriff für so ziemlich alles war, was Leute unter zweiundzwanzig machten. Es gab so viele neue Arten von Musik, die uns inspirierten. Siouxsie and the Banshees waren äußerst beliebt. Ich fühlte mich ihnen verbunden, weil ich einmal dabei war, als sie vor sechzig Leuten spielten. Dann kamen hundert zu ihnen, dann tausend, dann bekamen sie einen Plattenvertrag, der sie zu Top of the Pops brachte.

      Eine andere Band, die ich aufmerksam verfolgte, waren die Heartbreakers, die Ex-New-York-Doll Johnny Thunders gebildet hatte. Malcom McLaren ließ die Heartbreakers in Großbritannien einfliegen, um mit den Sex Pistols auf deren Anarchy In The UK - Tour zu spielen, und sie sind nie richtig zurückgekehrt. Sie fanden Anschluss zu den britischen Punks und merkten, dass sie ein viel größeres Publikum anzogen als in den Staaten. Es war spannend, Thunders auf der Bühne zu sehen, er wirkte gefährlich und unberechenbar. Diese New-York-Haltung. Vielleicht war es auch sein Heroin-Konsum. Er hatte das gewisse Etwas.

      Steve Jones spricht offen über den Einfluss, den Thunders’ Art zu spielen auf ihn hatte. In der Dokumentation The Filth and the Fury gibt es eine lustige Sequenz, in der Filmaufnahmen beider Gitarristen zusammengeschnitten sind. Sie zeigen ziemlich deutlich, wie viel sich Steve von Thunders abgeschaut hatte.

      Etwas Ähnliches könnte man mit mir auch machen. Ich lernte Thunders’ typische Übergänge und Gitarrenläufe und übertrug sie auf den Bass, komplett mit dem dazugehörigen spöttischen Grinsen. Zum ersten Mal erlebte ich die Magie eines Thunders-Auftritts an der Universität von Birmingham. Die Vorgruppe war eine Band, von der ich noch nichts gehört hatte, The Police. Damals schmuggelte ich einen Cassetten-Recorder in jedes Konzert, und schaltete die Aufnahme ein, wenn sie zu spielen begannen, auch wenn ich keine Idee hatte, wer da spielte. Es war gut möglich, dass eine Band, die du gestern noch nicht kanntest, morgen deine Lieblingsband war.

      Der Sänger von The Police spielte auch Bass, was sehr raffiniert und gar nicht punk-gemäß auf mich wirkte. Nach der zweiten Nummer kam er mit dem überwiegend aus Studenten bestehenden Publikum ins Gespräch. Mir erschien das ein wenig zu vertraut. Ich wusste damals nicht, dass Sting ein Lehrer gewesen war und die Sprache der Studenten weit besser beherrschte als die der Punks.

      Sting: „Gleich kommen die Heartbreakers.“

      (Jubel von mir und ein oder zwei anderen)

      STING: „Wisst ihr, sie können nicht spielen.“

      ICH: „Fuck off.“

      STING: „Wer hat ‚Fuck off‘ gesagt?“

      ICH: „Das war ich.“ (Das wurde alles mit aufgenommen)

      STING: „Sie sind wirklich tolle Jungs, aber sie können nicht spielen.“

      ICH: „Hau ab, du Wichser!“

      STING: „Ihr werdet es sehen. Der nächste Song heißt ‚Fall Out‘! Eins, zwo, drei, vier …“

      Er lag falsch, was die Heartbreakers anging. Sie waren überwältigend an dem Abend. Als wir 1993 bei der BBC „Ordinary World“ für Top of the Pops aufzeichneten, stand ich neben Sting und schaute mir auf einem Monitor eine Wiederholung unseres Auftritts an. Ich hatte das Gefühl, ich müsste ihm von jenem Abend erzählen, aber bevor ich den Mund öffnen konnte, wandte er sich zu mir und sagte: „Ich wünschte, ich hätte diesen Song geschrieben.“

      Also beließ ich es dabei.

      Ein weiterer Wendepunkt kam, als ich Human League zum ersten Mal sah. Nick und ich hörten sie als Vorgruppe von Siouxsie and the Banshees und Penetration im Mayfair Ballroom im Bullring-Einkaufzentrum. Wir sahen andächtig zu. Sie hatten keinen Schlagzeuger, keine Gitarren.

      Stattdessen hatten sie drei Synthesizer und eine Drum-Machine. Der Plan, irgendwo für Nick einen Synthesizer aufzutreiben und zu seinem Instrument zu machen, erschien uns jetzt weit aufregender, als wenn ich versucht hätte, ihm das Gitarrespielen beizubringen.

      Nicks Mum Sylvia kaufte in Woodroffe’s Music Store für zweihundert Pfund den ersten Wasp-Synthesizer, den es in Birmingham gab. Es war die beste Investition ihres Lebens.

      Für fünfzehn Pfund erstanden wir außerdem eine Kay-Rhythmus-Box. Darauf waren Standardrhythmen wie Mambo, Foxtrott, Slow Rock oder eingestellt. Nick kontrollierte also die Harmonien, gab das Tempo vor und drückte die Knöpfe der Rhythmus-Box, Steve Duffy sang und spielte Bass, ich war an der Gitarre. In dieser Besetzung machten wir in dem Raum über dem Spielzeuggeschäft von Nicks Mum mit einem Cassetten-Recorder unsere ersten Aufnahmen.

      Das dabei entstandene „Album“ bekam den Titel Dusk And Dawn. Die Band nannten wir Duran Duran.

      Woher kam dieser Name? Jeder Fan weiß das. Aus dem Film Barbarella mit Jane Fonda als hinreißendste Weltraum-Detektivin, die die Galaxie je gesehen hat. Ihre Mission: „Finde Durand-Durand und … erhalte die Sicherheit der Sterne.“

      Warum also nicht eine Band mit dem Namen Durand-Durand? Weil du im Film weder das „ds“ am Ende noch den Bindestrich hören kannst, und die Website imdb.com gab es damals noch nicht.

      Der arme alte, von Milo O’Shea gespielte Duran(d) hat die Lustorgel gestohlen – eine Maschine, die Frauen exzessive Freuden verschafft. Wer wollte ihm das vorwerfen? Woody Allen machte darauf später eine Parodie und erfand das Orgasmatron. Barbarella ist ein Meisterwerk des Euro-Kitsch, und wir waren immer stolz auf unsere Verbindung damit.

      Für unseren Live-Auftritt in unserem College-Saal am 5. April 1979 um 18 Uhr – eigentlich war das noch Vorlesungszeit – holten wir Steves Freund Simon Colley mit ins Boot, der Klarinette und gelegentlich Bass spielte. Ich habe mir neulich eine Aufnahme davon angehört. Kaum vorstellbar, dass diese Band den Madison Square Garden gefüllt hätte, aber als lärmende Shoe-Gazer im Stile von My Bloody Valentine oder The Jesus and Mary Chain hätten wir eine ganz andere Karriere