John Taylor

Gefährlich gute Grooves


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besaß außerdem eine expandierende Plattensammlung. Keine gewöhnliche Plattensammlung, sondern eine Sammlung von Alben. So ziemlich jeden Künstler, der sein Geld wert war, habe ich zuerst in der Gesellschaft meines Cousins Eddie gehört: David Bowie, Rod ­Stewart, Elton John, Cat Stevens, James Taylor, Melanie … okay, nicht alle waren so bedeutend, aber wie er seine Musik liebte! Und er hatte die entsprechenden Poster an der Wand. Eddie verschrieb sich restlos dem Rock-Mythos.

      Vierzig Jahre später ist er immer noch ein wahrhaft Gläubiger. Vierzig Jahre später rufe ich ihn immer noch an, wenn ich wissen will, was in der britischen Musikszene los ist.

      Ich half ihm beim Austragen der Zeitungen und wurde vorzeitig in die Welt männlicher Teenager eingeführt, in die Welt der Mädchen und des Aftershaves, der Rennräder und Klamotten: Rundkragen, Schlaghosen, eng anliegende Fairisle-Pullover und Plateauschuhe.

      Das war 1972.

      Wenn ich mit Eddie und seinen Freunden zusammen war, fühlte ich mich groß. Ich wurde ohne Einschränkung akzeptiert, wie von Mum und Dad, aber das hier war viel cooler.

      Ich erinnere mich, wie er mir Bowies Album Hunky Dory vorspielte, mein erster Kontakt mit diesem kulturellen Giganten der Siebziger.

      „Wart’s ab, Kleiner“, sagte Eddie. „Bowie wird richtig groß werden. Wir haben Tickets für seinen Gig in der Town Hall nächste Woche, zehnte Reihe. Nicht wahr, Stan?“

      Eds Kumpel Stan nickte eifrig. „Jawohl, haben wir, Ed.“

      „Das wird richtig gut, Kleiner, hör dir das hier mal an.“

      Der Tonarm des Plattenspielers senkte sich noch einmal. Das Album lief wieder. „Still don’t know what I was waiting for …“

      Anders als Ed, der auf Singer-Songwriter stand, sagten mir Bands mehr zu. Ich mochte das Zusammenspiel der Musiker, zwischen Gitarrist und Sänger: Rod und Woody, Mick und Keith, David und Mick, großartige Allianzen, die mich weit mehr ansprachen als die einsame Troubadour-Pose. Zwei Typen oder mehr, vielleicht vier oder fünf, das war eine Gang. Es war Kult, und es war sexy.

      Roxy Music war die Band, die meine besondere Aufmerksamkeit auf sich zog, weil alle darin Stars waren, ungewöhnlich aussahen und musikalischen Charakter hatten. Ihr Debüt in Top of the Pops im August 1972 veränderte alles für mich.

      Es ist schwer zu sagen, was innovativer war, der Sound oder die Optik.

      Beginnen wir mit dem Sound: Sci-Fi-Trash und Vaudeville, treibende Backbeats und schmachtender Gesang im Stil von Sinatra. Und das Aussehen: Lipgloss, Pelz und ein kalbslederne Handschuhe tragender Keyboarder, der im Grunde nicht spielte, sondern stattdessen fleißig Knöpfe betätigte.

      Ich klebte förmlich am Fernseher.

      Das war meine Mondlandung.

      Ich träumte nie davon, ein Frontmann zu sein, aber ich fing an, mich irgendwo in einer Truppe zu sehen, vielleicht ein Stück links vom Scheinwerferlicht.

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      9: Nebendarsteller

      Die Welt der Konzerte und der Live-Musik kam mir aufregend vor, und ich wollte mit dabei sein, aber das setzte schwierige Verhandlungen mit den Altvorderen voraus. Eddie und seine Freunde reihten sich oft in die langen Schlangen ein, die sich Samstagabend vor dem Odeon im Zentrum von Birmingham bildeten. Sie warteten die Nacht hindurch, um Tickets zu bekommen, wenn am nächsten Morgen um elf die Konzertkasse öffnete.

      „Ich sag dir was, Junge“, schlug Ed vor, nachdem für Weihnachten ein Konzert von Rod Stewart angekündigt worden war. „Wir übernehmen die Nachtschicht mit unseren Schlafsäcken. Du und dein Kumpel, ihr kommt dann morgens mit dem ersten Bus und löst uns in der Schlange ab – ihr holt die vier Tickets, wenn sie aufmachen.“

      Das hörte sich gut an. Und ich musste es noch nicht einmal zu Hause erwähnen.

      Alles lief nach Plan, bis um elf Uhr Bewegung in die Schlange kam. Was für ungehobelte Leute! Stewart hatte in den frühen Siebzigern recht trinkfreudige Anhänger, und sie hatten die ganze Nacht gebechert. Ich kleines Würstchen und mein Kumpel wurden hin- und hergestoßen, geschoben und abgedrängt; mehrfach verloren wir unseren Platz, aber wir ließen uns nicht unterkriegen. Ich konnte meinen Cousin nicht im Stich lassen, der so viel Vertrauen in mich gesetzt hatte, und ich hatte diesen heißen, klebrigen Zehner (die besten Tickets kosteten damals zwei Pfund). Aber als noch zehn oder zwanzig Leute in der Schlange zwischen mir und dem Odeon standen, ging ein Schild hoch: ALLE TICKETS AUSVERKAUFT. Verlor ich bei Eddie und seinen Freunden jetzt meine Glaubwürdigkeit? Nun, er war sehr verständnisvoll. Er musste jetzt nur etwas mehr Cash für zwei Tickets vom Schwarzmarkt zusammenkratzen –

       diesen Auftritt wollte er sich einfach nicht entgehen lassen.

      Im nächsten Jahr, als Rod Stewart und die Faces zwei Weihnachtskonzerte in Birmingham ankündigten, zuckelte ich mit meinem neuen Freund Nick Bates mit dem ersten Bus am Morgen in die Stadt. Kaum zu glauben, aber wir standen plötzlich ohne große Anstrengung vorne in der Schlange und konnten Karten für zwei Plätze in der ersten Reihe erstehen.

      Dass es so leicht war, wertete ich als ein Zeichen von Magie. Nick – der Mann, der später Rhodes hieß – ruhte schon immer im Zentrum seines eigenen Universums. Er ist ein außerordentlich kreatives Individuum, mit dem es das Schicksal gut gemeint hat. Seine Mutter hatte sogar einen Spielzeugladen! Wie viel Glück kann man eigentlich haben? Von Beginn unserer Beziehung an wusste ich, das Leben würde aufregend sein, wenn ich nur in seiner Nähe blieb.

      Ich traf Nick im Winter 1973. Ich war dreizehn, er elf. Das Elf-Plus-Examen, das ich erfolgreich abgelegt hatte, war nach meinem Jahrgang in unserer Gegend abgeschafft worden. Man hatte es durch etwas vermeintlich Demokratischeres und weniger Selektives ersetzt, also konnte Nick sich nicht daran versuchen. Man schickte ihn auf die örtliche Mittelschule in der Wohnsiedlung oben auf dem Hügel, die Woodrush School an der Shawhurst Lane. Die Regierung hatte verfügt, dass grundsätzlich jeder in die Schule gehen sollte, die der Wohnadresse am nächsten lag. Ein negativer Effekt dieser Entscheidung war, dass meine Schule, die County High School, von ortsansässigen Prolos überschwemmt wurde. Manche von ihnen wollten einfach nur den Buben vom Gymnasium – diese Schwuchteln! – so viel Ärger machen, wie sie konnten. Ich wurde schnell zu einem geschickten Vermittler, war freundlich zu den Schwachköpfen und gleichzeitig meinem eigenen Stamm so treu wie möglich, besonders den kultivierten jungen Damen in ihren engen blauen Blusen. Mein engster Freund aus der Nachbarschaft trug den eher ungewöhnlichen Namen David Twist. Er war so alt wie ich (wir waren sozusagen Bett an Bett im selben Krankenhaus zur Welt gekommen), und seine Mutter war einige der wenigen Freundinnen meiner Mum. David war durch sein Examen gefallen. Deshalb war er auch auf der Woodrush School, wo er Nick kennen lernte. Obwohl Nick zwei Jahre jünger war, ahnte David, dass Nick und ich uns verstehen würden, also machte er uns miteinander bekannt.

      1973 war David Bowie der König, und das zu Recht. Er hatte eine bemerkenswerte Serie von Erfolgen hingelegt. Die Veröffentlichung seines Meisterwerks The Rise And Fall Of Ziggy Stardust And The Spiders From Mars war nur der Anfang. Er schrieb außerdem „All The Young Dudes“ für Mott the Hoople, eine seiner Lieblingsbands, die sich aufgelöst hatte, aber wieder zusammenfand, als sie den Song hörte. Er produzierte Transformer für Lou Reed und verhalf ihm zu seinem ersten Top-30-Hit überhaupt. Und dann – das war am erstaunlichsten – verschaffte er sich Zugang zu Iggy and the Stooges, um an der Produktion von Raw Power mitzuwirken und diesen New-Metal-Koloss abzumischen. Im Juni 1973 absolvierte Bowie eine gewaltige UK-Tour, an deren Ende er von der Bühne des Londoner Hammersmith Odeon seinen Rückzug verkündete. Es war natürlich eine List, wie wir alle bald erfahren sollten (es war Ziggy, der in Rente ging, nicht David). Aber ich erinnere mich, wie ich es in den 8.30-Nachrichten hörte, als ich in der letzen Reihe des Schulbusses saß. Es war, als würde die Queen abdanken, und so war es ja irgendwie auch.

      Aber Nick und ich teilten ein geheimes Wissen bei dieser ganzen Geschichte. Während „The Dame“ die Verbeugungen machte und den ganzen Applaus bekam,