des Raumes gab es Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichten, und so wurde es – im Juni – nicht richtig dunkel. Da es keine Bühne gab, stellten wir unsere dürftige Auswahl an Instrumenten auf dem Boden auf. Unser Bühnensound gewann durch einen echten Carlsbro-Singway-100-Watt-Kofferverstärker, eine Leihgabe von unseren Freunden bei den Prefects.
Ich konnte mir nichts Erregenderes vorstellen, als meine Telecaster-Kopie an dieses Gerät anzuschließen.
Als ich mit dieser Waffe vor meinen Klassenkameraden stand, änderten sich die Spielregeln. Ich war nicht länger der Nerd Nigel, der nie ins Team berufen wurde, der Auszeichnungen, Aufmerksamkeit und Konkurrenz gescheut hatte.
Vor diesem Abend war ich ein Niemand, aber jetzt war ich am Zug.
Ich war eine Granate.
Ich hatte keinen Unterricht genommen und war kein Virtuose, so viel war klar. Aber ich hatte ein paar Songs geschrieben, und trotz meiner beschränkten Technik, klang es großartig, als meine Gitarre über den Carlsbro und die Big-Muff-Verzerrer-Box lief.
Mit meiner Fünfzehn-Pfund-Gitarre und einem geliehenen Verstärker verfügte ich über genug Macht und Energie, um das Bild von mir, das alle hatten, zu erschüttern. Ich konnte es auf ihren Gesichtern sehen. Sie verstanden es nicht ganz, aber sie merkten alle, Jungen wie Mädchen, dass sich ein grundlegender Wechsel der „Chemie“ und der Hierarchie vollzog.
Am Ende dieses Abends standen zwei Tatsachen für mich unumstößlich fest:
1. Shock Treatment waren furchtbar.
2. Ich konnte nicht abwarten, es wieder zu tun.
Shock Treatment spielten eine Handvoll Gigs – es erschien sogar eine Konzertkritik im Fanzine Brumbeat – und verwandelten sich dann in die Assassins. Ich habe Flyer von Gigs beider Bands im Golden Eagle in der Hill Street, beide Male als Vorgruppe der Prefects. Dann lernten David und ich Mark Wilson kennen, einen DJ in der Szene. Er fragte, ob wir in der Band mitmachen wollten, in der er sang und Gitarre spielte – Dada. Dada war ein sehr viel einfallsreicheres musikalisches Gebilde als Shock Treatment. Der Boutique-Besitzer John Brocklesby spielte einen pinkfarbenen Vox-Bass und sang seine eigenen Songs. Wir brachten den Roxy-Fan Marcus mit, der auf einem Bügelbrett sitzend Stylophon spielte (sehr Dada), und David wechselte vom Gesang zum Schlagzeug.
Ziemlich verrückt, oder?
Johns Frau Heather besorgte uns ein paar tolle Sachen aus ihrer Boutique – zum Beispiel eine weiße Jacke mit Lederkragen, phantastisch geschnitten. Das verlieh uns eine gewisse klassische Extravaganz.
Der Song-Katalog begann mit „Toyroom“, Mark Wilsons exzentrischem Loblied auf die Freuden der Kindheit, das zu einem stotternden Disco-Beat gesungen wurde. Die Akkorde waren DA/DA, und das Lied war sieben Minuten lang. Mainstream-Musik war das nicht.
Wir gingen ins Crown in der Hill Street und fragten, ob wir dienstags in dem oben gelegenen Raum spielen könnten. So wurden wir dort im Mai 1978 ansässig.
Ein fester Auftrittsort hat seine Vorteile. Wenn du Woche für Woche am gleichen Abend spielst, entwickelst du eine Vorstellung davon, was du bist und wohin die Reise geht. Du hast ein Ziel – besser zu werden – und bekommst jede Woche Feedback von denen, die gerade vorbeischauen. Am Anfang besteht das Publikum immer aus Freunden und Verwandten. Doch wenn du etwas zu bieten hast, spricht es sich nach einer Weile herum, und Leute, die du noch nie gesehen hast, tauchen am Eingang auf und bezahlen Geld dafür, dich spielen zu hören.
In jenem Sommer erzählte ich einem skeptischen Highschool-Berufsberater, dass ich ein „Popstar“ werden wolle, und ich schrieb mich in Birmingham an der Fachhochschule für Kunst und Design für ein zwölfmonatiges Grundstudium ein. Ich hatte zu Hause nie aufgehört zu zeichnen, meine Blöcke waren voll mit Ideen für Poster und Band-Logos. Diese Arbeiten und mein Enthusiasmus reichten trotz meiner unzulänglichen Leistungen auf dem Gymnasium aus, um zugelassen zu werden.
Ein künstlerisches Grundstudium bietet eine großartige Einführung in Grafik, Mode, Textilien, bildende Kunst und Fotografie, alles in einem Jahr. Danach kann man sich auf einen Bereich spezialisieren, in dem man einen Abschluss machen will.
Meine Entscheidung, auf die Kunsthochschule zu gehen, war von meinen musikalischen Helden beeinflusst – John Lennon, Keith Richards, Bryan Ferry –, die auf eine Kunsthochschule gegangen sind. Ich hoffte darauf, wie sie auf Seelenverwandte zu treffen.
Was ich auch tat.
Der Student, zu dem ich mich am stärksten hingezogen fühlte, war Stephen Duffy, der spätere Gründer der Band The Lilac Time. Wenn in der Zeichenklasse alle anderen sich bemühten, jedes Detail des Gegenstands so akkurat wie möglich abzubilden, griff sich Stephen einfach einen Kohlestift, traktierte sein Blatt mit drei oder vier groben Strichen und überreichte es dem Dozenten so, als wolle er sagen: „Mir ist das hier alles egal.“ Der Lehrer verkündete dann immer: „Seht ihr, Leute! Stephen hat’s erfasst!“
Darüber hinaus war Stephen ein Songwriter, und er spielte Bass. Fretless Bass. Er war mir weit voraus. Im College trug er ein unverkennbares Outfit mit Chiffon und Make-up und redete kenntnisreich über Kerouac und Zimmerman. Einer seiner Songs trug den rätselhaften Titel „Newhaven To Dieppe (And No Wonder)“.
Dada war an eine Grenze gestoßen und kam nicht weiter. Jetzt wollte ich mit Steve in einer Band sein, aber ich würde Verstärkung brauchen.
Ich schlug Steve vor, Nick Bates zu treffen.
Wie jeder andere auch in jenem Jahr, wollte Nick Gitarre spielen, und ich sollte es ihm beibringen. Unter den Blinden war der Einäugige König.
13: Barbarella’s
Wir gehen durch die Flügeltür. Die Musik ist drinnen lauter, es riecht nach Bier und Zigaretten. Den Eintritt bezahlen wir bei dem Mädchen am Tisch. Ein Pfund dreißig. Wir fummeln das passende Kleingeld heraus, meins habe ich im örtlichen Supermarkt verdient, Nick arbeitet an den Wochenenden im Spielzeugladen seiner Mutter. Die Türsteher mustern uns. Cool bleiben und nicht auffallen, wie in dieser Szene in Saturday Night Fever. Das Mindestalter für Nachtclubs in England ist achtzehn. Ich bin siebzehn und Nick ist fünfzehn, aber wir waren hier schon oft genug, um zu wissen, dass wir damit durchkommen. Wir gehen den mit Teppichboden ausgelegten Gang hinunter, die Musik vor uns hat bereits eine bemerkenswerte Lautstärke. Zu unserer Linken, auf Höhe der Augen, kündigt sich die Diskothek selbst an: „Der größte Nachtclub in Europa, Barbarella’s“.
Alles ist in ein schummeriges rotes Licht getaucht. Es fühlt sich rot an. Es riecht rot. Der Teppich ist dunkelorange, und es ist angenehm und warm hier drin nach unserem zwanzigminütigen Fußweg durch die Innenstadt hierher. Noch etwa sechs Meter, vorbei an dem Eingang zu einer kleinen Bar, in der ich noch nie gewesen bin (und die in meiner Erinnerung nie geöffnet war), an den Toiletten vorbei (möglichst zu meiden: man ist immer verwundbar, wenn man dort steht, Angriffen ausgesetzt, besonders wenn der Alkohol bei den gewaltbereiteren Kunden seine Wirkung zeigt). Am Ende des roten Tunnels erreichen wir den Hauptraum des Clubs.
Die Musik ist jetzt so laut, dass alle schreien müssen, um wenigstens eine kleine Chance zu haben, dass man sie versteht. Die Kommunikation reduziert sich auf ein Minimum. Instinkte wallen auf. Der DJ, Wayne „The Plastic Poser“, spielt Reggae – „Cocaine In My Brain“ von Dillinger, eine Musik, die dunkel, schwarz und gefährlich ist.
Nie hat sich Musik besser angehört als in diesem Raum.
Unterhalb der DJ-Kabine ist eine Tanzfläche von der Größe einer Doppelgarage, voller Punks und New Waver. Nick und ich gehören definitiv zu Letzteren. Wir tragen beide unser Haar noch recht lang, und ich habe immer noch eine Brille, was für einen Punk nicht ginge. Keine Glam-Rock-Luschen mehr. Er trägt ein einfaches weißes Hemd und eine schmale, schwarze Krawatte, ich habe ein schwarzes Hemd an, auf das ich mit Hilfe einer Schablone auf Höhe meines Herzens „1977“ gesprayt habe, eine Hommage an The Clash.
Rechts von der Tanzfläche stehen einige