Erik Eriksson

Schärenmorde


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      Schärenmorde

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      Erik Eriksson, Richard Grandin, Margaretha Levin Blekastad, Magnus Östnäs, Sofi Piehl

       Schärenmorde

      Übersetzt aus dem Schwedischen von Else Ebel

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      © 2014 Oktober Verlag, Münster

      Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung der

      Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster

       www.oktoberverlag.de

      Alle Rechte vorbehalten

      Originaltitel: Mannen från andra sidan; Hämnaren vid Havet; Vargsommar

      Satz: Leandra Ossege; Kathleen Schulze

      Umschlag: Lena Hericks

      unter Verwendung eines Fotos von sumnersgraphicsinc/Fotolia.com

      Herstellung: Monsenstein und Vannerdat

      ISBN: 978-3-941895-92-8

      eBook-Herstellung und Auslieferung:

       readbox publishing, Dortmund

       www.readbox.net

      I

      Der Mann von der anderen Seite

      1

      Als Robert Skogh hinunter in den Fahrradkeller ging, um sein Fahrrad zu holen, war der Himmel ganz klar und es war windstill. Im Kellergang lag eine gelbe klebrige Schmiere, Robert nahm an, dass es vermutlich Reste von einem Eis waren, das eines der Kinder aus dem Haus hatte fallen lassen. Sie hielten sich oft hier unten auf, obwohl sie das eigentlich nicht durften. Ein paar Zigarettenkippen lagen ebenfalls auf dem Boden; sie erinnerten Robert daran, dass er selbst mit zwölf Jahren angefangen hatte zu rauchen. Er hatte vor einem halben Jahr damit aufgehört, rauchte jedoch bei festlichen Anlässen immer noch; vielleicht würden es heute Abend auch ein paar Zigaretten werden.

      Er hatte seine helle Sommerjacke an und trug nur ein Hemd darunter. Als er auf dem Abhang ein Stück entfernt von dem Haus in Vigelsjö, in dem er wohnte, in Fahrt kam, merkte er, wie kühl der Wind war, und er zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch.

      In den nächsten vier Tagen würde diese Jacke Roberts Leben verändern – das konnte er jedoch an diesem schönen Freitagnachmittag Ende Mai, als er mit dem Fahrrad auf dem Weg nach Grind zu Fredrik und Daniel war, noch nicht wissen. Dort wollte sich die Saunagruppe treffen, die Freunde, mit denen er seit der Schulzeit in Verbindung geblieben war.

      Als er sich auf dem Vätövägen befand, blickte er auf die Uhr; es war zwanzig nach sieben. Später würde er sich im Verhör daran erinnern, soweit war ihm das, was er an diesem Abend gemacht hatte, im Gedächtnis geblieben. Das schwarze Loch kam später, die quälende Gedächtnislücke.

      Zuhause bei Fredrik und Daniel fanden sich die fünf alten Freunde ein. Sie begannen zunächst mit Bier und Pizza, die Daniel wie immer gut gelungen war. Robert rauchte die erste Zigarette des Abends auf dem Balkon; als sich jedoch einer von den anderen drinnen im Wohnzimmer eine ansteckte, ging auch er hinein. Kurz darauf rauchte er seine zweite.

      Dann öffneten sie eine Flasche Explorer, und dann noch eine. Inzwischen war es zehn Uhr geworden. Zwei Stunden später schnitt Fredrik etwas Salami auf und bot ein paar Tüten mit Chips an. Sie spülten den nächtlichen Imbiss mit Whisky runter, den Fredrik auf der Ålandsfähre gekauft hatte.

      Einer der Jungs schlief ein, aber die anderen tranken die Whiskyflasche leer und sahen sich ein paar Folgen South Park an. Robert hatte Mühe, die Augen offen zu halten, aber die Stimmen hörte er ganz deutlich.

      Als er aufbrach, war es halb zwei. Er wurde von Markus Persson begleitet, sie hatten denselben Weg. Robert vergaß sein Fahrrad mitzunehmen. Sie gingen den Grindvägen hinunter zur Bucht, und Markus redete von einem Mädchen, das er kannte. Robert verstand jedoch nicht, ob das Mädchen in Norrtälje oder irgendwo anders wohnte. Er fragte nach, aber entweder hörte Markus die Frage nicht oder er wollte nicht antworten.

      Er wohnte in der Nähe des Hafens, in einem gemieteten Zimmer im Untergeschoss einer Villa. Als sie dort ankamen, fragte er, ob Robert für einen Moment mit hineinkommen wolle. Robert fand, dass er genug getrunken hatte; er musste jedoch auf Toilette und ging deshalb mit hinein.

      Im Haus war es dunkel, Markus´ Vermieter war verreist. Trotzdem schlichen sie so leise sie konnten durch die Kellertür. Robert stolperte und zog im Fallen etwas mit sich auf den Boden. Er wusste jedoch nicht, was es war.

      Und obwohl er eigentlich nichts mehr trinken wollte, nahm er das Glas, das Markus ihm reichte. Nachdem er ausgetrunken hatte, schenkte Markus nach.

      Als er das Haus verließ, begann es schon hell zu werden. Er wusste, dass er hinunter in Richtung Hafen gehen musste, und das klappte auch ganz gut. Im Großen und Ganzen hielt er sich auf den Beinen. Aber irgendwo auf dem Hafengelände verirrte er sich, landete hinter einem Schuppen, stolperte weiter, ging an einer Wand entlang, gelangte auf einen offenen Platz, setzte sich hin, um sich etwas auszuruhen und schlief ein.

      Er lag etwa zehn Meter von der Kaimauer entfernt. Dort war ein altes Motorboot vertäut. Etwas weiter entfernt lag ein kleineres Lastschiff. Am Kai neben dem Schiff war eine größere Menge Zementsäcke aufgestapelt worden, neben den Säcken lagen zwei große Sandhaufen. Es war kein Mensch zu sehen, noch nicht.

      Die Sonne hatte schon das Dach des hohen Silos im Hafen erreicht und den grauen Beton in ein warmes Gelb getaucht. Der langgezogene Schrei einer Möwe war zu hören, ein Auto fuhr hinten in der Roslagsgatan vorbei, dann folgte Stille, dann noch ein Auto. Norrtälje erwachte. Es war ein Samstag, der noch ein paar Stunden lang ein ganz gewöhnlicher Tag im Mai sein würde.

      Robert fror, er zitterte vor Kälte und lag zusammengekrümmt da; als die Kälte sich jedoch allzu unangenehm bemerkbar machte, setzte er sich auf. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, wo er sich befand. Er erhob sich langsam, blickte hinaus aufs Wasser und bemerkte das Motorboot, das zum Teil von der hohen Kaimauer verdeckt wurde. Den Mann, der reglos im Wasser lag, sah er jedoch nicht.

      Er sah nicht zurück, als er den Hafenbereich verließ. Hätte er es getan, dann hätte er den leblosen Körper, der sachte von der Morgenbrise und den leichten Wellen hin und her geschaukelt wurde, aber auch nicht gesehen. Er ging nach Hause in Richtung Vigelsjö und erinnerte sich so allmählich an den Abend in Grind. Er hatte jedoch keinerlei Erinnerung an das, was er im Hafen gemacht hatte. Er sagte sich selbst, dass er auf dem Weg nach Hause eingeschlafen sei, und damit gab er sich bis auf weiteres zufrieden.

      Als Ragny Granberg an der S/S Norrtelje vorbeiging, hatten die Sonnenstrahlen den Wasserspiegel in der Bucht erreicht, und die Morgenwärme machte sich langsam bemerkbar. Sie führte ihren Rauhaardackel Laila an einer langen Leine, die der Hund zur vollen Länge auszog, als sie ein Stück am Kai entlanggegangen waren.

      Ragny hielt wie üblich Abstand zur Kaimauer. Sie machten eine Runde bis hinauf zum Lagerhaus und dann wieder hinunter zum Kai. Sie hielt immer noch Abstand zur Kaimauer, denn das Wasser schreckte sie jedes mal aufs Neue ab. Laila jedoch lief los, ihr schien die Mauer zu gefallen.

      Als der Hund stehenblieb, machte Ragny dasselbe. Und als Laila begann, irgendetwas, das im Wasser lag, anzubellen, trat Ragny vorsichtig an die Mauer und blickte hinunter. Zuerst dachte sie, es sei ein Sack, der dort im Wasser schwamm. Dann sah sie einen Arm und glaubte, es sei eine Jacke. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass es sich um einen Menschen handelte. Aufgeschreckt zog sie den Hund zu sich und eilte mit ihm denselben Weg zurück, den sie gekommen war. Als sie sich dem alten Dampfer näherte, sah sie, wie ein junger Mann gerade an Bord gehen wollte. Sie hielt ihn auf und erzählte, was sie gesehen hatte, und er rief die Polizei an.

      »Sie