Jürgen Roth

Nur noch Fußball!


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BR-Fußballanchorman) – zu behaupten, die Geschichte mit Deutschland stehe in seiner Autobiographie: »›Da gibt es ja nur eins: Deutschland hat natürlich im eigenen Land keine WM gewonnen!‹ Dann fügte er noch an: ›Noch nie im eigenen Land. Kann man in Dritte Halbzeit, in meinem Buch, nachlesen.‹ Falsche Antwort mit peinlicher Eigenwerbung.« (Spiegel Online)

      Mit in die Irre führender Eigenwerbung zudem. Ist da nämlich nicht nachzulesen. Sondern beispielsweise, daß Waldemar Hartmann ganz gern mit Horst Seehofer einen heben würde, »um ihm ein wenig Fußballsachverstand zu vermitteln«. Oder: »So unglaublich viel Ahnung von dem Sport, den wir moderieren, haben wir Moderatoren ja auch nicht immer.«

      Nicht allzuviel Ahnung haben offenbar dito einige der Autoren der Buchreihe 111 Gründe, den … zu lieben (sie erscheint in einem Imprint-Verlag von Schwarzkopf & Schwarzkopf, der allen Ernstes Wir sind der zwölfte Mann, Fußball ist unsere Liebe! heißt; nu’ is’ alles zu spät, da hilft nicht mal mehr die Erinnerung an Gustav Heinemanns Wort von der Liebe, die nicht dem Staat und allein seiner Frau gelte). Im Falle des Bandes über den 1. FC Nürnberg kann ich das bestätigen. Zu jenem über die Frankfurter Eintracht schreibt mir F. W. Bernstein am 21. Januar 2014 per Mail: »Auch wenn Du unbegreiflicherweise diesem bayerischen Neureichenverein anhängst, so könntest Du vielleicht doch meine Empörung teilen: In diesem Buch fehlt fast nix, aber es fehlt die Seele der Eintracht – ignoriert wird Toni Hübler!«

      Fürwahr, ein Skandal, ein echter. (Zu Toni Hübler siehe bei Bedarf etwa Noch mehr Fußball!, S. 79 ff.) Ich hingegen hege nach wie vor die Absicht, irgendwann zusammen mit Kollegen die Buchgroßprojekte Wahre WM-Geschichte – Große Spiele neu gesehen und Deppen und Helden – Die Dummheit im Fußball anzupacken. Für letzteres vorgesehen sind die Kapitel »Falsche Deutungen – Dumme Fußballhistoriker«, »Fußball und Krieg«, »Quatschige Fußballtheorien«, »Spielsystemtorheiten«, »Effenberg – Kasper«, »Klinsmann – Kasper«, »Netzer – Kasper«, »Maradona – Kasper«, »Hauptsache Italien!«, »Große Trainerfehlentscheidungen«, »Fußballsprache als restringierter Code«, »Elende Vereinsbosse«, »Fußballpresse gestern und heute – Von Richard Kirn bis zur Süddeutschen Zeitung«, »Die FIFA, uuaaahh!«, »Gegendummheitsfiguren – Scholl et alii«, »Interview mit Thomas Berthold«, »Was Glück ist? Dumm sein und Fußball spielen« sowie »Die wunderbare Dummheit des Fußballspieles«.

      Zum Beschluß: Im hiesigen Kompendium findet sich neuerlich ein Anhang mit Beiträgen, die chronologisch aus der Reihe fallen und ab und an ein wenig vom Thema Fußball/Sport wegführen – oder in dessen Randbezirke. Zur Not ignoriere man ihn/sie.

      Wortmilchschaum

      Was hat uns denn im Verlauf der von der FIFA, jenem lustigen Geheimbund mit Sitz in der sauberen Schweiz, organisierten Fußballweltmeisterschaft richtig gefallen? Daß Seppl Blatter, wie die taz schrieb, »die erste Heiligsprechung eines Sportfunktionärs durch die Öffentlichkeit« gewärtigen durfte? Daß der Monetenmessias »dem Fußball die soziale Dröhnung verordnet« hatte? Derweil, so die taz weiter, das Gebaren der Blatterschen Schmiergeldtruppe »von Kommentatoren schon als FIFA-Faschismus bezeichnet« wurde?

      Doch, das hat uns sehr gefallen – genauso wie – während der Partie Slowenien gegen England – der Ausruf »Scheiße, fuck, ey!« des ARD-Reporters Gerd Gottlob, eines Mannes, der gleichfalls mitzuteilen wußte: »Dieser Ball war auf einem guten Weg.«

      Im »kleinen, süßen Studio« der ARD, in dem Reinhold Beckmann, der meinte, in Vorberichten würden irgendwelche Hintergründe »angeschmeckt«, den üblichen, bereits von Gottfried Benn wahrgenommenen »Eitelkeitsgestank« verbreitete, pflegte in den Abendstunden bedauerlicherweise zum letztenmal das Duo Delling/Netzer seinen von der FAZ gelobten »krampfigen Hang zur versemmelten Pointe« und machte somit gottlob die teils brillanten Einlassungen des Fußballhermeneuten Mehmet Scholl vergessen, der Zufälle von Spielzügen zu unterscheiden vermochte und sich nicht scheute zu sagen: »Ich hab’ eigentlich gar keine große Lust, dazu was zu sagen.«

      »Da muß ’ne Menge gutgeh’n, damit das mal klappt«, plapperte anschließend Tom Bartels vor sich hin, münzte diesen fabelhaften Gurkensatz aber keineswegs auf den glänzend katastrophal aufgelegten, intonationswütigen, gottlob nicht mal durch Gerd Gottlobs »Fuck!«-Einwurf zu bremsenden Steffen Simon.

      »Kein Spiel mehr, in dem auch nur der argloseste Kurzpaß unkommentiert und vor allem ohne statistisches Beiwerk bliebe«, meckerte darob die Weltzeitung Main-Echo, unterdessen die FAZ über den fürs ZDF an der Flüstertüte hockenden Béla Réthy räsonierte: »Wieviel Réthy von Fußball versteht, ist schwer zu sagen.« Réthy, immerhin, revanchierte sich mit der Sentenz: »Jede Regung, die durch seine Seele wandert, kriegen wir gezeigt.«

      Einhellig tadelten die Frankfurter Rundschau und die taz die zusehends hektische, nahezu kinematographische, inflationär mit Superslomomontagen operierende FIFA-Fernsehweltregie, die schon mal den Eindruck eines vollen Stadions vortäuschte und Gefühlskulissen zurechtbastelte. Lasen wir uns zwischendurch nicht im WM-Sonderteil der Süddeutschen Zeitung einen Hungerast und ebenda solch einen geschwefelten Käse: »In der DFB-Elf verschmelzen der ultraleichte Südländerstil des türkischstämmigen Özil und die draufgängerische Ader des bayerischen Brauchtumsstürmers [Müller] zum stilvollen Mentalitäten-Herkunfts-und-Bewegungs-Mix«, dann labten wir uns an den äußerst buntgemischten Darbietungen auf RTL: am Redundanzgequatsche des Frühstücksprofessors Olaf Thon zum Beispiel oder an Herrn Klinsmanns unfaßbar klugen Annotationen zu allerlei »emotionalen Kisten« und zum »positiven Feeling« zumal im Kopfe des unvermindert semmeldummen Sprachvergewaltigers.

      Doch, das alles hat uns ausnehmend gut gefallen: die narzißtischen Infantilendebilenaufführungen im Sat.1-Frühstücksfernsehen (»Die WM-Stimmung bei uns heute morgen: Wir sagen yes!«) genauso wie Katrin »innerer Reichsparteitag« Müller-Hohensteins beherzt-selbstloses Engagement im »Qualitätsbeirat« einer Molkerei. Den lauwarmen Wortmilchschaum, den sie am Mikrophon stets zart lächelnd absonderte (»Mein lieber Herr Gerichtsvollzieher!«), garnierte Oliver Kahn aufs holdeste mit feinsinnigen Bemerkungen zu nunmehr »zehntausendprozentig« und volle Kanone »hochmotivierten« Kickern.

      »Daß die Leute es aushalten, das Vorher- und Nachhergerede«, darüber wunderte sich Dieter Kronzucker ausgerechnet in der ZDF-Vollpfostensendung Volle Kanne. Wir haben es aus- und durchgehalten. Wir haben gesehen und gehört, wie der Sky-Experte Franz Beckenbauer vergeblich nach dem Wort »Stratege« suchte und dreimal hintereinander einen »Strategiker« am Werk sah. Wir haben Reiner Calmund zugehört, der herumfaselte: »Laß ma’ die Kirche im Dorf lassen«, und Jogi Löw, der versicherte: »Nach so einem Spiel lassen wir uns nicht nervös werden lassen« – sowie dem bemitleidenswerten Guido Buchwald, der erläuterte, eine Mannschaft habe »ein Stück Unerfahrenheit oder ein Stück, daß sie es einfach nicht besser machen können«.

      Wir haben sogar das Fußball-Frühstück auf n-tv geguckt, und daß der größte Hohlschädel unter all den heldenhaften Sportjournalisten bei der taz beschäftigt ist, wissen wir jetzt auch. Er heißt Deniz Yücel und schreibt ein grenzenlos ekelhaftes Stummeldeutsch. Das »Sexy-Chilly-Funky-Punky-Trendy-Super-Duper-Knuddel-Wahnsinns-Zauber-Märchen-Deutschland«, das er herbeisehnte, das liegt allerdings wieder am Boden. Fußballgott sei Dank.

      Es brodelt, brummt und summt

      Im März 1999 habe ich als Exterritorialer und bis dahin ein einziges Mal tatsächlich als Sportreporter tätig gewesener Autor im Sportteil der Frankfurter Rundschau einen kleinen Aufsatz über das delikat-intrikate und zugleich innige Verhältnis zwischen der Eintracht und den Dichtern plazieren und behaupten können, kein anderer Klub sei von den Dichtern »inständiger und kenntnisreicher umworben« worden als die SGE, weil sie »einst einen Stil praktizierte, der ›kunstnah‹ zu nennen war«.

      Ich zitierte u. a. Eckhard Henscheids legendäre »Hymne auf Bum Kun Cha« (»Am Abendhimmel blühte ein Frühling auf, und / Sein Name war Cha. Die Eintracht aber, jahrlang / Von Klippe / Zu Klippe