Ella Danz

Kochwut


Скачать книгу

zu tun haben?«, fragte Jansen. Kriminalobermeisterin Kruse zuckte unschlüssig mit den Schultern.

      »Ich weiß nicht. Der ist so ein typischer Hochdruckmensch, einer von denen, die gleich laut werden. Kann natürlich sein, dass er dann auch mal so ausrastet, dass er tätlich wird. Angeblich ist er gestern den ganzen Tag nicht hier auf dem Gut gewesen. Sein Hof liegt einen knappen Kilometer von hier entfernt, im Dorf Güldenbrook. Wir haben jedenfalls seine Daten und geben die gleich an Thomas zur Inpol-Abfrage weiter. Danach sprechen wir wieder mit dem.«

      »Und sonst?«

      Teschner sah auf seinen kleinen Notizblock.

      »Ach so, ja. Da sind noch die beiden Bedienungen im Torhaus. Kann man vergessen. Die sind erst heute Morgen gekommen, wohnen in Dörfern in der Umgebung. Das kleine Restaurant und der Laden sind außerhalb der Saison immer nur tagsüber von Freitag bis Sonntag geöffnet.«

      »Na gut. Dann habt ihr ja noch einiges zu tun. Wir sehen uns spätestens heute Abend zur Kommissariatsbesprechung.«

      »Wann war das noch?«

      »18 Uhr.«

      »Alles klar«, mit beiden Händen strich Kriminaloberkommissar Teschner über seine kalten Arme. Es klopfte.

      »Jetzt könnte ich gut einen heißen Kaffee vertragen«, sagte Teschner und sah sehnsüchtig zu der glänzenden italienischen Kaffeemaschine hinüber. »War verdammt kalt da draußen!«

      Der Kopf eines jungen Mannes sah um die Ecke der geöffneten Küchentür.

      »Guten Tag!«

      Ohne eine Antwort abzuwarten, kam er herein und ging geradewegs auf die Beamten zu.

      »Guten Tag!«, sagte er noch einmal freundlich und gab allen die Hand. »Ich bin Anatol. Anatol Kerbel, wie das Kraut.«

      Seine Mütze hatte er in den Gürtel der Kochjacke geschoben, und die dunklen, halblangen Haare waren glatt nach hinten gekämmt. Er trug einen sehr schmalen Bart, der in einem akkuraten Streifen rund um Wangen und Kinn lief und auch die Oberlippe zierte.

      »Soll ich Ihnen vielleicht einen Kaffee machen? Ich mein nur, weil ich das gerade gehört habe … Ich weiß, wie man die Maschine bedient.«

      Die Beamten sahen sich an.

      »Das Angebot nehmen wir dankbar an«, sagte Angermüller dann zu dem jungen Mann, »und anschließend kannst du uns gleich noch ein paar Fragen beantworten.«

      »Ja klar, deshalb bin ich ja hergekommen. Ernie und Thorsten haben mir eben gesagt, dass Sie hier sind. Wie hätten Sie Ihren Kaffee denn gern?«

      »Kannst du mir bitte einen großen Milchkaffee machen?«, fragte Angermüller. »Darf ich dich überhaupt duzen?«

      »Kein Problem!«, grinste Anatol. »Und was darf ich den anderen Herrschaften servieren?«

      Bald duftete die ganze Küche nach frisch gemahlenem Espresso, und die Beamten genossen die aromatischen Getränke, ganz nach ihren Wünschen, stärker oder schwächer, mit oder ohne Milch, mit oder ohne Zucker. Der junge Mann gab sich Mühe, ein perfekter Gastgeber zu sein.

      Anatol Kerbel war 21, genauso alt wie Thorsten Bauer, wirkte aber auf Angermüller um vieles erwachsener und reifer. Seine Angaben über den Vorabend deckten sich mit denen seiner beiden Kumpel, und er hatte von Güldenbrook ebenfalls das letzte Mal am gestrigen Nachmittag gesehen, als er mit seinem Auto auf den Hof fuhr. Auch er hatte mit dem Grafen eher wenig zu tun gehabt.

      »Ab und zu tauchte er auf und kritisierte unseren zu großzügigen Umgang mit den teuren Zutaten. Aber Pierre war eigentlich nie seiner Meinung.«

      »Und wie kommst du so klar mit euerm Chef?«, wollte Angermüller wissen.

      »Gut, würde ich sagen«, nickte Anatol, als wolle er sich selbst seine Aussage bestätigen. »Man kann eine Menge von ihm lernen. Es ist eine Riesenchance.«

      »Ist der nicht manchmal ein bisschen schwierig, der Herr Lebouton?«

      »Wenn sich einer dämlich anstellt, dann kann er schon mal ausrasten. Man muss halt gut sein.«

      Anatol lächelte breit und zeigte seine makellosen Zähne. Sein Aussehen erinnerte Angermüller an die Popstars, die seine 13-jährigen Töchter auf Plakaten an den Wänden ihrer Zimmer hängen hatten. Er war ein ausnehmend hübscher Junge, und wie ein Kochlehrling sah er nach landläufiger Vorstellung jedenfalls nicht aus.

      »Und du bist gut?«

      »Ja, ich glaub schon«, nickte Anatol und sah Angermüller dabei direkt an. Solch eine unverschämte Selbstsicherheit konnte man wohl nur in diesem Alter an den Tag legen, dachte Angermüller amüsiert.

      »Ich bin der Einzige, der schon öfter Auftritte in der Show hatte. Und auch die Zuschauer fanden mich gut.«

      »Aha. Woher weißt du das?«

      »Na ja, es kamen halt Mails und Anrufe. Die Leute wollten wissen, wer ich bin und so, und ob ich noch öfter dabei sein werde.«

      »Was hast du denn gekocht?«

      »Gekocht habe ich nicht direkt. Ich habe assistiert.«

      Und sogleich zählte der junge Mann so einiges auf, um seine Fähigkeiten ins rechte Licht zu setzen.

      »Ich habe zum Beispiel Orangen filettiert, einen Tafelspitz aus einer Rinderkeule geschnitten, Nudelteig gemacht, einen Seewolf portioniert – das ist vor laufender Kamera nicht ganz leicht.«

      »Da gebe ich dir recht. Das ist auch ohne Kamera nicht einfach«, nickte Angermüller. »Und was ist dein Glanzstück? Was gelingt dir beim Kochen am besten?«

      »Eigentlich gelingt mir immer alles«, auf Anatols Gesicht erschien wieder dieses unwiderstehliche Lächeln. »Aber wenn ich wählen dürfte, würde ich einen schönen Tafelspitz kochen und dazu mein Kartoffel-Pastinaken-Püree mit gerösteten Walnüssen.«

      »Ach, und wie würdest du den Tafelspitz zubereiten?«

      Jetzt war Angermüllers Interesse geweckt. Vielleicht würde er ja hier einen Tipp für ein neues Rezept entdecken, mit dem er Steffens Variante, die er am nächsten Abend kennenlernen sollte, noch übertreffen könnte.

      »So wie der Chef, in Pinot Noir, nur mit erstklassigen Zutaten. Das ist das A und O. Und Geduld.«

      »Würdest du mir denn das Rezept verraten?«

      »Oh Mann!«, rief Jansen in gespielter Verzweiflung. »Sind wir mal wieder beim Thema?«

      »Also wir haben jetzt keine Zeit, Kochrezepte zu sammeln. Die Pflicht ruft.«

      Teschner und Anja-Lena Kruse erhoben sich.

      »Der Kaffee war gut, danke!«, meinte Teschner dann noch zu Anatol.

      »Freut mich«, nickte der und wandte sich wieder an Angermüller.

      »Sehen Sie auch immer unsere Sendung?«

      »Äh, nicht direkt. Ich koche nur ab und zu ganz gern.«

      »Ach so.«

      Diese Aussage schien Anatol eher enttäuschend zu finden, und er erläuterte: »Weil ich wahrscheinlich demnächst den Tafelspitz in der Sendung kochen darf. Dann finden Sie das Rezept sowieso im Internet.«

      »Na gut. Dann danke für den Tipp! Was möchtest du denn machen, wenn deine Ausbildung beendet ist?«

      »Fernsehkoch.«

      »Anatol!«

      »Ja, Chef?«

      Kaum war vom Flur Leboutons Stimme zu hören, sprang der Junge hoch und lief zur Tür.

      »Ah, hier steckst du!«, Lebouton kam herein und gab seinem Lehrling einen leichten Klaps hinters Ohr. »Da kann ich ja lange suchen.«

      Aber es war wohl nett gemeint, denn er zeigte auf Anatol und fügte an: »Hier meine Herren: mein bestes Pferd im Stall! Und jetzt ab