Ella Danz

Kochwut


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Mit ihren üppigen Deckenmalereien, den Stuckverzierungen und den Marmorbalustraden des weiten Treppenhauses konnte sie nur als prachtvoll bezeichnet werden.

      »Guten Morgen! Sie sind bestimmt die Herren von der Kripo. Der Herr Lebouton hat mir schon Bescheid gesagt, Sie wollen die Räume vom Herrn Grafen anschauen. Ist das nicht ein entsetzliches Unglück? Wer macht bloß so was? Herr von Güldenbrook war ein so vornehmer Mensch. Aber es gibt ja so viele Neider, nicht?«

      Die kleine rundliche Frau, die etwas verloren in der hohen Flügeltür wirkte, schien auf ihren Besuch schon gewartet zu haben.

      »Kommen Sie doch bitte rein, meine Herren. Mögen Sie vielleicht einen Kaffee, der täte Ihnen doch sicher gut bei der Kälte, nicht? Ich bin die Sekretärin von Herrn Lebouton. Na ja, nicht nur. Ich bemuttere ihn auch so ’n büschen. Sie verstehen sicher, wie ich das meine, nicht? Seit zehn Jahren bin ich schon hier. Mein Name ist Hase. Ich beantworte gern alle Ihre Fragen. Man muss die Arbeit der Polizei doch unterstützen, nicht?«

      »Vielleicht später, Frau Hase. Hat Ihnen Herr Lebouton wegen des Schlüssels …?«, versuchte Angermüller den Redefluss der Sekretärin zu stoppen.

      »Natürlich! Ich weiß doch Bescheid«, und sie holte ein Schlüsselbund aus der Jackentasche und schwenkte es fröhlich hin und her. »Kommen Sie bitte mit.«

      Ehe Angermüller sie zurückhalten konnte, eilte Frau Hase, die eine rote Strickjacke über weißer Bluse und Schottenrock trug und sie eben noch zum Kaffee bitten wollte, in ihren Gesundheitslatschen die geschwungene Treppe hinauf. An Putten und Marmorbüsten vorbei, die in Nischen unter arkadischen Landschaftsmalereien standen, führte sie die Beamten über die Galerie nach links zu einer der Flügeltüren.

      »Das ist die Wohnung vom Herrn Grafen. Da gegenüber ist der Eingang vom Herrn Lebouton«, erklärte sie etwas atemlos. Sie hantierte mit dem großen Schlüsselbund, an dem viele kleine Schildchen hingen, und suchte nach dem passenden Schlüssel.

      »So ’n Schiet aber auch, jetzt habe ich meine Lesebrille im Büro vergessen. Können Sie vielleicht erkennen, welcher der Schlüssel der vom Herrn Grafen ist?«

      »Das kriegen wir schon hin, Frau Hase, vielen Dank«, sagte Jansen und nahm ihr das Schlüsselbund ab. »Wir schaffen das allein, denke ich, und wir wollen Ihnen doch nicht Ihre Zeit stehlen.«

      Freundlich komplimentierte er sie in Richtung Treppe.

      »Aber vielleicht könnte ich Ihnen ja doch so manches erklären. Schließlich war ich schon ein paar Mal bei Herrn von Güldenbrook in der Wohnung.«

      »Danke, wir finden uns schon selbst zurecht.«

      Leise hörte man im Untergeschoss das Telefon klingeln.

      »Sehen Sie, Sie haben Besseres zu tun!«, meinte Jansen erleichtert.

      »Wie Sie meinen«, sagte Frau Hase. Die Kränkung in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

      »Sollten Sie mich doch noch brauchen, Sie wissen ja, wo Sie mich finden.«

      Und während sie gemessenen Schrittes die Treppe hinunterstolzierte – das Telefon hatte mittlerweile aufgehört zu klingeln, fing aber kurz darauf wieder an –, schloss Jansen die Wohnungstür auf.

      »Ich wusste gar nicht, dass man im Museum wohnen kann.«

      Jansens Kommentar gab wieder, was auch Angermüller durch den Kopf ging. Die riesigen Zimmer mit den hohen Decken, ja, es waren fast Säle, waren ausschließlich mit original Mobiliar aus vergangenen Jahrhunderten ausgestattet. Von den Wänden blickten strenge Porträts von Männern und Frauen, wahrscheinlich die versammelten Vorfahren der Grafen von Güldenbrook. Dieses Ambiente war beeindruckend, aber auch auf eine Art leblos, unpersönlich. Außerdem roch es hier drin irgendwie alt, nach Staub, nach Verfall. Aber vielleicht empfand man das anders, wenn man der hier schon seit ewigen Zeiten ansässigen Familie entstammte. Angermüller jedenfalls glaubte nicht, dass er sich wohl gefühlt hätte in diesen mehreren Hundert Quadratmetern, schon gar nicht allein.

      Am besten gefiel ihm noch das Arbeitszimmer, das nicht ganz so groß und auch nicht so voll gestellt war. Es war ein Eckzimmer, und dank zweier hoher Fenster an beiden Seiten wirkte der Raum luftig und freundlich. Ungehindert konnte der Blick über die hier flache holsteinische Landschaft bis zum Horizont schweifen.

      Jansen zog sich Latexhandschuhe über. Auf einem Tischchen neben dem Kamin stand eine Weinflasche neben zwei benutzten Gläsern.

      »Château Haut Brion«, las er in ziemlich deutscher Aussprache vom Etikett.

      »Haut Brion heißt das. Ein ziemlich berühmtes Weingut im Bordeaux, und dieses Gewächs ist wahrscheinlich auch sakrisch teuer«, erklärte Angermüller.

      »Franzosenkram. Ich trink lieber ein ehrliches Bier. Aber Ameise wird sich drüber freuen.«

      Jansen holte ein paar Plastiktüten aus seiner Jackentasche und packte alles sorgfältig ein.

      Auch Angermüller hatte Handschuhe übergestreift und dann auf dem Schreibtischstuhl Platz genommen. Er zog die Schubladen auf. Korrespondenz mit Behörden, Versicherungen und Krankenkasse, private Briefe und Rechnungen, alles systematisch abgeheftet.

      »Nach einem hastigen Durchwühlen sieht es hier nicht aus. Sollte sich der Täter mit Güldenbrooks Schlüssel hier wirklich Zugang verschafft haben, dann hat er sich viel Zeit gelassen oder sich gut ausgekannt«, stellte Angermüller fest.

      »Vielleicht war er ja gar nicht hier und hat die Sachen aus den Taschen des Toten nur mitgenommen, um falsche Spuren zu legen.«

      »Tja, alles ist möglich.«

      Der große alte Schreibtisch sah sehr aufgeräumt aus. Links ein Stapel Ablageboxen, sauber beschriftet, eine Schale mit Bleistiften und Kugelschreibern, ein neuer Schreibblock und in der Mitte der ledernen Unterlage ein Laptop. Angermüller deutete auf den Computer.

      »Den nehmen wir auch mit. Da muss sich Niemann drum kümmern.«

      An der Wand neben dem Schreibtisch hing eine ganze Reihe gerahmter Fotografien, Familienaufnahmen wahrscheinlich. Neben einer umfangreichen Sammlung von alten Jazzplatten waren diese Bilder die einzig wirklich privaten Accessoires in den Räumen. Eines davon, in einem silbernen Rahmen, zog Angermüllers besondere Aufmerksamkeit auf sich. Es zeigte Christian von Güldenbrook mit einem vielleicht zehnjährigen Jungen. Der Junge trug ein Reiterdress und hielt ein Pferd am Zügel. Die beiden strahlten glücklich in die Kamera. ›Für Papa! Kuss, Clemens‹ stand in ordentlicher Kinderschrift auf der Aufnahme.

      Bad und Küche waren die einzigen Räumlichkeiten in Güldenbrooks Wohnung, die modernen Bedürfnissen angepasst waren. Sie waren mit allem Notwendigen versehen, aber keineswegs luxuriös ausgestattet. Langsam ließ Jansen seinen Blick noch einmal durch das Arbeitszimmer schweifen.

      »Ich glaube, wir haben alles gesehen, oder?«

      Angermüller nickte.

      »Denke ich auch. Komm, wir schauen mal, ob Steffen schon da ist.«

      Nachdem sie sich mit Mühe von Frau Hase wieder losgeeist hatten, die ihnen in der Halle förmlich aufgelauert hatte und der Polizei unbedingt wichtige Hinweise geben wollte, die sich aber als vollkommen uninteressant erwiesen, kehrten sie ins Kavaliershaus zurück. Im Lager trafen sie als Ersten auf Ameise.

      »Ich hab selten so einen sauberen Tatort gesehen, Kollegen!«, kommentierte der kopfschüttelnd, als er die beiden Kommissare bemerkte, die ihm sogleich ihre Ausbeute aus Güldenbrooks Wohnung in die Hand drückten. Ameise und der andere Kriminaltechniker waren immer noch dabei, in Lager und Kühlraum nach Spuren zu suchen, seien es Fußabdrücke, Faserreste, Fingerabdrücke, Blut oder andere DNA-Träger.

      »Soweit wir das bis jetzt feststellen konnten, hat auch niemand Spuren beseitigt. Es waren schlicht keine vorhanden.«

      »Das macht es uns nicht gerade leichter«, brummte Angermüller.

      »Ihr werdet ja auch nicht dafür bezahlt, dass ihr es leicht habt, oder?«

      »Sonst