Ella Danz

Kochwut


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nachzudenken.

      »Gefasst, würde ich sagen. Er war schon irgendwie bestürzt, aber sein erster Gedanke galt der Show. Wir sollten möglichst kein großes Aufhebens darum machen, der normale Betrieb soll so wenig wie möglich davon gestört werden. Verstehen Sie mich nicht falsch«, setzte sie hinzu, als sie die interessierten Blicke von Angermüller und Jansen bemerkte. »Jeder Drehtag hier ist bares Geld, und wir können nicht einfach wieder alle Leute nach Hause schicken. Und die Zuschauer, die zum Teil weite Wege zurücklegen, um an der Show teilzunehmen, die wären stinksauer! Und auf keinen Fall sollte die Presse davon erfahren!«

      Angermüller nickte.

      »Haben Sie denn eine Vorstellung, wer das getan haben könnte?«

      Sie zuckte mit den Schultern.

      »Tut mir leid. Aber fragen Sie doch Alix, die kennt oder kannte Christian ganz gut. Jedenfalls erweckte sie immer gern den Eindruck, dass sie mit dem Grafen auf Du und Du war …«

      Die Küchentür wurde energisch geöffnet.

      »Hi!«

      Ein junges Mädchen, wohl Anfang 20, stand in der Tür. Unter der offenen Motorradlederjacke trug sie ein knappes, schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift ›Bitch‹, dazu einen kurzen gemusterten Rock und ein Paar schwere, knielange Stiefel. Ihr dunkles Haar baumelte in zwei Rattenschwänzen vom Kopf. Auch sie hatte das Band mit dem Lebouton-Schriftzug und einem Namensschild um den Hals und in der Hand eine Mappe mit Papieren.

      »Sorry, wenn ich störe. Grit, der Chef sucht dich.«

      »Wie schön, dass du auch schon da bist, Patricia! Wie oft habe ich dir schon gesagt, an Produktionstagen ist für dich Arbeitsbeginn mindestens zwei Stunden vor der Aufzeichnung!«

      Ungerührt sah das junge Mädchen die Regieassistentin an.

      »Okay, Frau Fischer, vielen Dank. Wir sind eh fertig. Gehen Sie nur und sagen Sie dem Herrn Lebouton bitte, dass wir ihn gern sprechen würden«, sagte Angermüller.

      »Ich werd’s versuchen, aber ich weiß nicht, ob das jetzt ein guter Moment ist …«

      »Und jetzt schicken Sie uns bitte die Jungs rein, die hier wohnen. Ach so, Sie müssten nur noch Ihre Aussage kurz bestätigen, Frau Fischer.«

      Angermüller kramte ein kleines Formblatt, das ziemlich verknittert aussah, aus seiner Manteltasche und deutete auf das kleine Diktiergerät.

      »Spulst du mal zurück, Claus?«

      Patricia stand immer noch in der Tür, Kaugummi kauend, und sah neugierig zu Angermüller und Jansen.

      »Vielleicht wollen Sie mich ja erst verhören?«

      »Wichtige Zeugen wie Sie knöpfen wir uns später vor«, grinste Jansen. »Und außerdem sind wir hier nicht bei der Stasi. Wir verhören nicht, wir befragen Zeugen.«

      Patricia blieb lässig in den Türrahmen gelehnt stehen, grinste ebenfalls und wartete auf Grit Fischer.

      »Du sollst doch hier nicht Kaugummi kauen!«, zischte diese wütend, als sie kurz darauf aus der Küche stürmte und Patricia an einem Ellbogen mitzog.

      »Nimm das Ding sofort aus dem Mund!«

      »Ach nee. Ich soll den Kaugummi rausnehmen. Aber in der Küche rauchen ist okay, ja? Seit wann das denn?«

      »Na, die haben Spaß zusammen«, meinte Jansen, als die beiden die Tür hinter sich zugezogen hatten. Es dauerte einen Moment, dann klopfte es kaum hörbar.

      »Herein!«, rief Jansen und lief, als niemand eintrat, kopfschüttelnd zur Tür und riss sie auf. Zwei junge Männer in Kochkleidung standen davor.

      »Ihr seid wohl schwerhörig? Kommt rein!«

      Die beiden trotteten in die Küche. Der eine grinste. Er war nicht besonders groß, hatte rote Haare und war ein wenig rundlich. Seine Kochmütze hatte er breit gedrückt und trug sie schief auf dem Kopf, sodass sie einem Barett glich und ihm etwas Verwegenes verlieh. Sein Kumpel, lang und dünn mit weißblonden Haaren, hatte die Mütze abgenommen, da er sich mit seiner beachtlichen Körpergröße ohnehin im Türrahmen etwas beugen musste. Er sah die Beamten nicht an, verzog keine Miene und sagte kein Wort.

      »Bitte, setzt euch. Ich bin Kommissar Jansen, das ist mein Kollege Angermüller.«

      Jansen stellte das Diktiergerät auf den Tisch.

      »Ich lass die Handquatsche hier mitlaufen, okay? Sagt ihr uns eure Namen?«

      »Ich bin der Thorsten. Thorsten Bauer.«

      Thorsten sah zu seinem Nachbarn, der erst einmal stumm blieb, dann errötete und sich räuspern musste.

      »Ernst Lohse.«

      »Du kannst ruhig ein bisschen lauter sprechen, Ernst. Habt ihr was dagegen, wenn wir euch duzen?«, fragte Jansen.

      »Nö«, meinte Thorsten.

      »Du auch nicht, Ernst? Alle sagen hier Ernie zu dir, oder?«

      »Is mir egal. Ja, Ernst sagt eigentlich keiner …«

      Angermüller fragte dann nach ihrem Alter. Erstaunlicherweise war Ernie erst 18 und damit drei Jahre jünger als Thorsten. Vielleicht wirkte er deshalb so unsicher und ungelenk. Er schien noch tief in der Pubertät zu stecken.

      »Ihr wohnt also hier im Haus?«

      »Wenn hier Aufzeichnung ist oder wir im Hofrestaurant arbeiten. Manchmal sind wir aber auch im ›Au Lac‹ am Plöner See.«

      Das war das mit großem Getöse vor knapp einem Jahr eröffnete, neueste Nobelrestaurant Leboutons, erinnerte sich Angermüller.

      »Ihr wisst, was passiert ist?«

      Beide nickten stumm.

      »Ihr wohnt ja hier im Haus und seid deshalb vielleicht wichtige Zeugen. Also habt ihr gestern oder heute Nacht irgendwas bemerkt? War irgendwas anders als sonst?«

      Thorsten und Ernie starrten angestrengt vor sich hin.

      »Was habt ihr gestern denn so gemacht?«

      Natürlich war es wieder Thorsten, der auf Angermüllers Frage antwortete.

      »Vormittags haben wir mit dem Chef Besorgungen gemacht und dann Lieferungen angenommen und eingeräumt. Und da war niemand in der Kühlzelle. Nach dem Mittagessen sind wir mit dem Chef noch einmal die Gerichte für heute durchgegangen, und dann hatten wir frei.«

      »Wann war das?«

      »So gegen 16 Uhr. Wir waren auf meinem Zimmer, haben Musik gehört und Computer gespielt. Dann bin ich so gegen 19 Uhr mit Anatol nach Lensahn in die Kneipe gefahren. Die vom Fernsehen haben uns mitgenommen.«

      »Und du Ernie?«

      »Ernie war schon weg, der musste erst noch seine Oma besuchen«, sagte Thorsten mit einem Grinsen.

      Ernie bekam sofort wieder rote Ohren.

      »Stimmt das Ernie?«

      »Ich geh immer Donnerstag zu meiner Oma zum Essen«, sagte der Junge, und es klang wie eine Entschuldigung.

      »Die hat ihm ja auch das Auto bezahlt!«, platzte Thorsten heraus.

      »Hast du damit ein Problem?«, fragte Ernie und guckte seinen Kumpel böse an, der nur eine Grimasse schnitt.

      »Und du bist dann auch noch in die Kneipe gekommen?«, wollte Angermüller wissen.

      »So bei 20 Uhr rum«, bestätigte Ernie.

      »Wie heißt die Gaststätte?«

      »›Bei Gitta‹ heißt die«, kam Thorsten seinem Kollegen zuvor. »Donnerstag war da wieder Oldienacht, und da ist der Laden immer brechend voll. Echt fette Stimmung!«

      »Aha«, machte Angermüller. »Ihr drei macht also auch in der Freizeit viel zusammen?«

      »So dick wie der«, er zeigte