Ella Danz

Kochwut


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Schlüsselbund fürs Zimmer hängt auch ein Haustürschlüssel, aber den hatten wir da ja noch nicht. Hereingelassen hat uns einer von den Jungs, als wir ankamen.«

      »Sie meinen, einer von den Kochlehrlingen?«

      »Ja, der Anatol hat die Tür aufgemacht.«

      »Waren Sie den ganzen Abend hier im Haus?«

      Sie schüttelte ihre Locken.

      »Nein. Der Ebbo und ich sind gleich nach unserer Ankunft noch zu Toni nach Kellenhusen gefahren. Das ist ein hervorragender Italiener – so was vermutet man hier in der Provinz ja gar nicht. Wir haben zwei von den Jungs bis Lensahn mitgenommen.«

      Angermüller betrachtete aufmerksam die schlanke Moderatorin.

      »Wann kamen Sie zurück? War da jemand zu Hause?«

      »Das muss so gegen 21.30 Uhr gewesen sein. Ebbo und ich waren die Einzigen im Haus. Vom Team hat hier sonst keiner übernachtet. Es war herrlich ruhig, ich habe geschlafen wie in Morpheus’ Armen!«

      Alix Blomberg schenkte Jansen einen langen Blick aus ihren strahlend großen Augen.

      »Ist Ihnen irgendwas aufgefallen, als Sie vom Essen zurückkamen?«

      Ihr war nichts aufgefallen. Sie und der Regisseur hatten in der Küche, in der man jetzt saß, noch einen Wein zusammen getrunken, und dann war jeder auf sein Zimmer gegangen. Als sie am Morgen nach unten kam, um sich einen Kaffee zu holen, waren da Grit Fischer, Pierre Lebouton und andere versammelt und in heller Aufregung. So hatte sie von dem Geschehen erfahren.

      »Ist das nicht entsetzlich?«

      Alix Blomberg legte leidend eine Hand an die Schläfe und sah die Kommissare mit ihren großen Augen verzweifelt an. In anklagendem Ton fragte sie: »Warum Christian? Er war ein so wertvoller Mensch!«

      »Kannten Sie ihn denn näher?«

      Versonnen sah Alix Blomberg auf den Küchentisch und spielte dabei mit dem breiten goldenen Armband an ihrem linken Handgelenk.

      »Ach ja«, sie seufzte und blickte hoch. »Wir standen uns einmal sehr nahe, Christian und ich.«

      Angermüller, dem es nicht leichtfiel, fremde Leute nach wenigen Minuten über Details aus ihrem Privatleben auszufragen, hatte den Eindruck, dass die Blomberg von sich aus gern mehr darüber erzählen wollte. Beim Hereinkommen hatte er ihr Alter auf Mitte 30 geschätzt, nun saß sie ihm direkt gegenüber, und er sah deutlich das starke, wenn auch perfekte Make-up in ihrem Gesicht. Es vermochte die zehn Jahre, um die sie tatsächlich älter war, doch nicht ganz zu tilgen.

      »Wie lange ist das her mit Ihnen und Herrn von Güldenbrook?«

      »Ich weiß nicht mehr so genau, vielleicht fünf Jahre? Fast hätten wir geheiratet …«, sie lächelte wehmütig in sich hinein. Jansen beobachtete sie fasziniert und überließ es Angermüller, die Fragen zu stellen.

      »Warum ist nichts daraus geworden?«

      »Ach ja, es waren wohl mehrere Gründe. Mein Leben ist zuweilen recht unstet, mein Job, wissen Sie, unregelmäßig, anstrengend, auslaugend … Aber er ist mir wichtig, ich würde ihn nie für eine Ehe aufgeben. Man hat ja auch eine Verpflichtung seinem Publikum gegenüber, nicht wahr?«

      Alix Blomberg lächelte Jansen an, der sogleich zurücklächelte.

      »Und dann war da noch die alte Gräfin«, sie schüttelte ihre Lockenpracht. »Eine alte Dame mit dem Charme eines Fallbeils, und dass sie mich nicht mochte, machte sie mir in der ersten Sekunde klar. Ich, weder Adel noch Geldadel, und dann auch noch beim Fernsehen – das war nicht ihre Klasse. Und sie hatte enormen Einfluss auf Christian.«

      »Lebt sie hier auf dem Gut?«

      »Sie liegt mittlerweile auf dem Friedhof, unter ihresgleichen, nehme ich an. Sie ist letztes Jahr gestorben.«

      »Sie sind Herrn von Güldenbrook durch die Arbeit hier ja öfter noch begegnet …«

      Alix Blomberg ließ Angermüller nicht ausreden.

      »Wir sind gute Freunde geblieben, wenn Sie das meinen! Wir sind schließlich beide erwachsene, zivilisierte Menschen – gewesen. Außerdem war Herr von Güldenbrook ein Gentleman durch und durch«, sie senkte bekümmert ihren Kopf und schloss die Augen. »Ach, Christian.«

      »Kennen Sie Clemens von Güldenbrook?«

      »Seinen Sohn meinen Sie? Der wurde mir einmal vorgestellt. Das ist ewig her. Seitdem habe ich höchstens mal sein Auto hier auf dem Gelände gesehen.«

      Die Moderatorin stutzte einen Moment.

      »Jetzt, wo ich so darüber rede, fällt mir ein, der Wagen könnte auch gestern hier gestanden haben, als wir zum Essen losgefahren sind.«

      Die beiden Kommissare horchten auf.

      »Ach ja?«

      »Ja, irgendwie ist mir so. Aber ich habe nicht darauf geachtet. Es ist irgend so ein teurer englischer Sportwagen, den sein Sohn fährt. Es war ja schon dunkel draußen, und ich hab den nur so aus dem Augenwinkel gesehen, wenn Sie wissen, was ich meine.«

      »Genauer können Sie das Auto nicht beschreiben?«

      »Es ist silberfarben, aber sonst? Tut mir leid.«

      »Aber das ist doch kein Problem, Frau Blomberg.«

      Claus Jansen war die Liebenswürdigkeit in Person und bekam dafür wieder ein nettes Lächeln.

      »Können Sie sich denn vorstellen, wer einen Grund gehabt haben könnte, Herrn von Güldenbrook das anzutun? Hatte er Feinde?«, fragte Angermüller.

      Erst schüttelte die Moderatorin den Kopf, dann sagte sie zögernd: »Ich will hier niemanden beschuldigen. Aber Sie wissen ja, wie das ist, bei einer Truppe von Leuten, die zum Teil schon ziemlich lange zusammenarbeitet … aber das ist jetzt wirklich vertraulich!«, sie senkte ihre Stimme. »Es gibt Gerüchte.«

      »Welcher Art?«

      »Dass es den Lebouton-Unternehmen nicht sonderlich gut geht, und Christian war ja der Verantwortliche für die finanzielle Seite. In letzter Zeit hat es zwischen den beiden öfter gekracht.«

      »Zwischen Lebouton und Güldenbrook?«

      »Ja«, bestätigte Alix Blomberg und hob gleichzeitig beschwichtigend die Hände. »Aber wie gesagt: Gerüchte.«

      Angermüller nickte.

      »Tja, wenn du keine Fragen mehr hast, Claus?«

      Mit einem besonders netten Lächeln für Jansen hatte sich die Moderatorin verabschiedet.

      »Na Claus?«

      »Was?«

      »Na ja!«

      »Nix.«

      Jansen grinste, Angermüller auch. Dann wurde er wieder dienstlich.

      »Die, mit denen wir noch reden müssen, der Regisseur wie auch dieser Lehrling Anatol, sind bei der Aufzeichnung im Studio. Ich denke, es bringt nichts, da jetzt einen Aufstand zu machen, oder? Es fehlt mir noch, dass uns die ganzen Zuschauer zwischen den Füßen herumlaufen. Ich würde vorschlagen, wir werfen einen Blick in die Wohnung von Güldenbrook.«

      Schnell liefen die Kommissare über den Hof in Richtung Herrenhaus. Aber dann blieb Angermüller trotz der schneidenden Kälte in einiger Entfernung stehen, um den schlossartigen, weißen Bau zu bewundern, dessen spätbarocke Fassade sich in zwei Stockwerken vor ihnen erhob. Kunstvoll gearbeitete Simse schmückten die vielen hohen Sprossenfenster. Man musste eine kleine Brücke überqueren, denn das Gebäude war ringsum von einem Wassergraben umgeben, um dann ein paar Stufen zu dem großen, alten Portal hinaufzusteigen.

      Angermüller betätigte die Klingel, die unter dem auffälligen, glänzenden Messingschild neben dem Eingangsportal angebracht war. ›Lebouton Unternehmensgruppe‹ stand auf dem Schild. Gleich darauf ertönte ein Summer.

      Selbst